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Die Mathilde-Westend-Macherinnen Theresa Hanich und Julia Loibl im Interview

Julia Loibl und Theresa Hanich
Entdecken mit ihrem Publikum die Schönheit des Westparks: Julia Loibl und Theresa Hanich. © Theater Mathilde Westend

In den Park mit den Mathilde-Westend-Macherinnen Theresa Hanich und Julia Loibl: „Elizabeth und ihr deutscher Garten“ ist ein Erlebnis für alle Sinne.

Frau Hanich, Frau Loibl, als Theatermacherinnen braucht man dieser Tage ja nicht nur gute Nerven, sondern auch originelle Ideen. Sie statten Ihr Publikum mit Kopfhörern aus für ein selbsteingesprochenes Audio-Erlebnis. Wie kamen Sie denn auf die Idee eines Hör-Spaziergangs im nahe gelegenen Westpark?
Die Idee ist eigentlich über das Buch entstanden. Ich, Theresa Hanich,  habe es im Februar 2020 gelesen - und es ist mir lange im Kopf geblieben, weil es so positiv ist, aber gleichzeitig auch kritische Stimmen enthält und zum Nachdenken anregt. Während Corona bekam die Natur wieder einen neuen Stellenwert, das Draußensein hat uns gewisse Freiheiten und Chancen eröffnet. Und weil wir im Theater immer noch nicht spielen können, kam uns die Idee, in die Natur zu gehen, ihre Schönheit als unsere Kulisse zu nutzen. So kam eins zum anderen.

Sie führen Ihr Publikum ja durch einen Teil des Westparks: Wie lässt sich denn das Erlebnis ein wenig beschreiben, das Sie Ihren Teilnehmern bieten wollen?
Das Erlebnis ist vor allem ein Sinnliches. Der oder die Spazierengehende setzt sich die Köpfhörer auf und kommt erst einmal bei sich und im Garten an. Dann beginnt man allmählich wahrzunehmen. Die Düfte, die Farben, die Sonnenstrahlen auf der Haut, vielleicht ein kleiner Regenschauer. Dabei gibt es eine wundervolle Geschichte zu hören. Danach tauschen wir uns mit dem Publikum aus. Uns interessieren die Wahrnehmungen und Assoziationen, die das Gehörte und Erlebte ausgelöst haben. Und um die Eindrücke so lange wie möglich zu bewahren, bekommen die Zuschauerinnen und Zuschauer von uns eine Geschenktüte mit Nachhause.

Ein Garten-Thema für den Sinnenausflug zu wählen, lag ja vielleicht nahe: Aber was reizt Sie so sehr am Roman von Elizabeth von Armin?
Das Buch war, wie gesagt, der Ausgangspunkt, die Idee, daraus etwas zu machen, zu erarbeiten. Elizabeth von Arnim beschreibt in dem 1898 erschienenen Roman mit so einer Freude und Liebe ihren Garten und greift, so nebenbei, herrlich leichtfüßig, wichtige gesellschaftliche Themen auf. Gleichzeitig kommt aber auch der Humor nicht zu kurz. Insgesamt also eigentlich die ideale Mischung für Zeiten wie diese.

Sie haben die Hörfassung selbst produziert: Wie muss man sich das konkret vorstellen und wo lagen die größten Herausforderungen dabei?
Die größte Herausforderung war wahrscheinlich die Textfassung, aus dem Roman eine anderthalbstündige Hörbuchfassung zu machen. Dann haben wir das Ganze im Homestudio aufgenommen, dafür mussten neue Computerprogramme gelernt werden. Wir haben ein Tonstudio mit Schaumstoffabsorbern errichtet und dort relativ beengt aufgenommen. Da wir so ein sensibles Mikrofon hatten und mitten in der Stadt leben, hatten wir mit Lärm, Kirchenglocken etwa, zu kämpfen. Kurzerhand haben wir uns entschlossen, den gesamten Text in einer sehr intensiven Nachtschicht einzusprechen. Es war tatsächlich sehr aufregend und hat aber auch gleichzeitig wahnsinnig viel Spaß gemacht.

Wie lange sind Sie denn schon selbst Audio-Fans und was macht für Sie die ganz eigene Magie dieses Mediums aus?
In diesem, unserem Fall ist die Magie des Hörens gekoppelt mit der Magie der Natur und den daraus resultierenden Sinneserfahrungen wie der des Riechens, Sehens, Fühlens sogar Schmeckens, wenn man möchte. Das ist das Besondere an unserem Projekt. Man ist nochmal auf einer anderen Ebene mit sich und seiner Umwelt verbunden, obwohl man alleine lauscht.

Üblicherweise stellt man sich einen Theaterbesuch ja als Gemeinschaftserlebnis vor, was aktuell nicht immer so leicht möglich ist: Wie wollen Sie trotzdem den Teilnehmern das Gefühl geben, nicht ganz auf sich selbst gestellt zu sein?
Wir empfangen die Besucherinnen und Besucher - und es gibt eine kurze Einführung. Während des Spaziergangs stehen wir durchgehend für Fragen zur Verfügung und im Anschluss für ein Publikumsgespräch, niemand ist also wirklich ganz auf sich gestellt. Es scheint so aufzugehen, wie wir uns das gewünscht haben, und wir müssen da gar nicht nachhelfen. Es bewegen sich auch andere Leute im Garten und die Besucherinnen und Besucher nehmen sich wahr. Außerdem gibt es auch die Möglichkeit, zu zweit zu hören oder zusammen zu spazieren.

Wie viel botanisches Vorwissen braucht man eigentlich für Ihren Spaziergang?
Zum Glück gar keines. Wir hoffen, durch das Buch und den schönen Garten im Westpark selbst auch Pflanzenmuffel begeistern zu können ;-) Selbst Elizabeth von Arnim hatte keinerlei Kenntnisse. Doch sie hat ein Paradies geschaffen: just learning by doing, sozusagen.

Wenn Sie auf die ersten Durchläufe zurückblicken: Wie knifflig ist es, auch aufgeschlossene Hörerinnen und Hörer über eine gewisse Zeit hinweg nur über Kopfhörer zu fesseln und bei der Stange zu halten?
Es ist wahnsinnig toll, was uns die Besucherinnen und Besucher rückmelden. Nämlich, dass sie nach kürzester Zeit den stressigen Alltag abschütteln konnten und sich durch das Hörbuch und den Garten entspannen und runterkommen konnten. Die Geschichte, in Kombination mit der schönen Kulisse, fesselt von ganz alleine.

Wie unterscheidet sich die „Regie“ eines Hör-Spaziergangs für Sie von der eher vertrauten Theaterarbeit?
Wir waren sehr viel dramaturgisch tätig, also mit dem Auswählen der Szenen, dem Streichen des Buches. Das ist in diesem Fall wirklich extrem wichtig, da wir nicht diese lange Probenzeit haben, in der sich dann nochmal einiges herauskristallisiert. Wir wollten beim Lesen nicht zu theatralisch, sondern natürlich rüberkommen, trotzdem aber die Zuhörerinnen und Zuhörer unterhalten. Das war vielleicht das Schwierigste an der Regiearbeit.

Letzte Frage: Frische Luft soll ja noch nie geschadet haben. Welche Inspiration, wie viel neue Energie nehmen Sie aus Ihren Sommer-Experimenten für die dann wieder eher kühlere Theatersaison mit?
Das Tolle an diesem Projekt ist, dass wir unser Publikum damit nicht nur im Sommer nach draußen locken wollen, sondern den Hörbuchspaziergang auch zu allen anderen Jahreszeiten anbieten werden. Die Protagonistin ist selbst im kältesten Winter draußen in ihrem Garten, sie ist unser Vorbild in diesem Projekt. Jede Jahreszeit hat Ihren ganz eigenen Reiz und so freuen wir uns voller Energie auf den Herbst und den Winter und dann den Frühling und so weiter.

Alle Infos zum Theater Mathilde Westend gibt’s hier: www.mathilde-westend.de. Und die Karten für die Hörspaziergänge im Westpark (noch bis 17. August) erhält man hier bei snapticket.de.

Interview: Rupert Sommer