So stärkt man die Widerstandskraft und trainiert die Bauchfelle
Moritz Neumeier und Till Reiners
Durchs Minenfeld des Miteinanders rennen: Eigentlich stehen sie zunächst ja mal fast einträchtig nebeneinander auf der großen Bühne. Doch schon gehen sie aufeinander los. Moritz Neumeier und Till Reiners, Stand-up-Comedians vom Feinsten, liefern sich ein erbittertes Duell: Wer ist origineller, schlagfertiger, unerschrockener? Mehr noch: Wer ist der bessere Unterhalter – ach was: Mensch? Das kann ja heiter werden.
Franziska Wanninger
Muss man ihr lassen: Franziska Wanninger steht dazu, dass viele ihrer gut gemeinten Ratschläge auch mal nach hinten losgehen. Trotzdem glühen dann fast die Telefondrähte durch. Man muss sich ja erst einmal besprechen. Dabei hat sie eigentlich so klar gesagt: „Wenn du wen brauchst, ruf mich nicht an“. Mit dem gleichnamigen, ziemlich turbulenten neuen Solo knüpft sie ans Vorgängerprogramm „Für dich soll’s rote Rosen hageln“ an. Humor hat sie.
Alfred Dorfer
Einfach mal mitturnen, auch wenn es dem un- bedarften Zuhörer bei Alfred Dorfers Gedan- kenkaskaden schnell schwindlig werden dürfte. Das liegt daran, dass sein „Gleich“-Stück aber auch tatsächlich ziemlich raffiniert konstruiert ist. Die Zeitebenen überlagern sich. Kaum einer Bühnen-Gewissheit kann man trauen. Der Wiener, einst fast weltberühmt geworden an der Seite von Josef Hader im „Indien“-Stück und -Film, schlüpft von einer Rolle in die nächste: Er spielt Großmütter, Wirte, Bären und Sonnenblumen. Mutig der, wer da noch wagt, den Überblick zu wahren. Ach ja: Preise wirft man Dorfer seit Jahren auch schon hinterher – den Deutschen Kleinkunstpreis sowie den Deutschen und den Bayerischen Kabarettpreis zum Beispiel. Einschüchtern lässt er sich davon zum Glück nicht.
Omar Sarsam
In guter Gesellschaft: Das kennt man doch – die gute Absicht, diesmal wirklich alles goldrichtig machen zu wollen. Und gleichzeitig zu wissen, dass man sicher wieder komplett falsch liegt. Omar Sarsam sagt: „Stimmt“. Im gleichnamigen neuen Programm biegt er da ab, wo sich andere auf eine sorgsame Fehlersuche begehen. Er stürzt sich stattdessen auf das Naheliegende: einen musikalischen Kabarettabend. Irgendwas stimmt immer. Und wenn nicht irgendwas, dann zumindest irgendwer. Wie beruhigend das klingt.
Moritz Neumeier
Und jetzt plötzlich ist er ganz alleine – ebenfalls auf einer großen Bühne. Also muss Moritz Neumeier „improvisieren“. Wahre Größe zeigt sich, wenn man den Dialog mit dem Publikum nicht scheut und sich die Themenideen einfach aus dem Saal holt. Chapeau!
Sarah Bosetti
Was verbindet einen AfDler mit einem Klimaktivisten, will sie einfach mal wissen. Na klar: die Sorge, dass die Welt untergeht. Doch welche Lehren zieht man aus klugen Analysen, wenn es doch ans Eingemachte, ans Handeln gehen muss? Bosettis Forderung stimmt hoffnungs- froh: „Make Democracy Great Again“.
Helmut A. Binser
Das ist doch mal eine Dienstauffassung, die vorbildlich ist: „Ich fahre zum Auftrittsort“, sagt der Mann mit dem schwarzen Hut und den roten Schuhen, „und wenn die Zuschauer so viel gelacht haben, dass ihnen der Bauch weh tut, fahre ich wieder heim.“ Da bleibt eigentlich nur die eine Nachfrage offen, die dem neuen Musikkabarett-Solo den Titel gibt: „Ha?“
Luise Kinseher
Seit 35 Jahren lässt sie die kleinen, zuletzt immer größeren Säle jubeln. Luise Kinseher hat alle Kabarettpreise gewonnen, die es so zu holen gibt. Acht Programme hat sie geschrieben, den Nockherberg um den kleinen Finger gewickelt und zuletzt immer mehr tolle Kinofilme – auch „Zweigstelle“ mit „Ortsgespräch“-Interviewgast Maxi Schafroth – gedreht. Jetzt sollen sich um den Bühnespaß mal die anderen kümmern. Also schickt sie „Mary from Bavary“ allein auf Tour. Pointenfeuerwerk, juhu!
Petzenhauser & Wählt
Bis zum Hals im Urlaub. Kann auch schiefgehen. Davon erzählt: „Aus. Äpfe. Abflug.“ Beflügelnd komisch!
Christian Schulte-Loh
Er ist ein in London ausgebildeter „Doppelagent“. Und in dieser Geheimmission möchte er ein brisantes Geheimnis lüften: Sind die Deutschen nicht am Ende so- gar lustiger als die Briten? My Goodness!
Friedemann Weise
Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss. Voll mit Inhalten, die Zappelige gleich auf Instagram posten. Friedemann Weise durchschaut die Mechanismen des Selbstdarstellungsmarktes. Frei nach Descartes sagt er: „Ich mache Content, also bin ich.
Hazel Brugger
Die Schweizer gelten gemeinhin als Menschen, die es gerne ruhig angehen lassen. Nicht so ihre berühmteste Komikerin, die auch fleißig durch deutsche Fernsehlandschaften wandert. Im neuen Programm „Immer noch wach“ lässt sich die gerade mal 30-Jährige die schon zweifache Mutter, Firmenchefin und Erfolgspodcasterin ist ein wenig in die Karten schauen. Wie schafft sie all das? Was ist Bruggers Zaubertrank? Hätte man gerne, wird dann wohl aber doch nichts.
Sigi Zimmerschied
Der große Grantler gibt weiter Rätsel auf: Es herrschen Krisen allerorten. Die Welt springt aus den sicheren Gleisen. Was sagt der Sigi? „Kein Thema“, nennt er sein neu- es Programm. „Eine deutsche Antwort“.
Volksshow
Moritz Hürtgen, zwischenzeitlich selbst „Titanic“-Chefredakteur, hat sich einen Kollegen eingeladen, der hart arbeitet an der Humorfront: Torsten Gaitzsch, aktuell Chefwitzler des Magazins. Fast noch ge- spannter darf man aber auf Stefanie Sarg- nagel aus Wien sein: Sie stellt Cartoons vor, die sie im „Falter“ veröffentlicht hat.
Florian Wagner
Auf großer „KlaviaTour“: Der Musikkabarettist mit den flinken Fingern und den frechen Texten folgt der bewährten Devise: „The Flo Must Go On“.
Stefan Waghubinger
Er ist Österreicher, lebt aber schon seit 32 Jahren hierzulande. Also geht er dem Jammern und Nörgeln (made in Austria) mit Gründlichkeit (made in Germany) nach. Er hält der Welt den Spiegel vor – auch wenn es sich diesmal um einen Rückspiegel handelt, der beim Einparken abgebrochen ist. Er sieht sich darin selbst – einen Waghubinger. Weltklasse-Sarkasmus kommt leider nur noch selten so bescheiden daher.
Hans Gerzlich
Es ist der Schreck, der jeden packt, der unvorbereitet morgens in den Spiegel blickt: „Ich hatte mich jünger in Erinnerung“, sagt Hans Gerzlich. Außen 50, innen 20 fragt er sich trotzdem: „Wann fängt mein Leben endlich an?“
Lars Reichow
Eigentlich haben sie ja ein Denkmal verdient, diese so vielgescholtenen alten, oft weißen, manchmal mittlerweile begriffstutzigen Menschen, die in den Jahren zwischen 1950 und 1970 geboren wurden. Willkommen im „Boomerland“. Reichow sieht das Gute: Boomer gehen gerne ins Kabarett, sie leben zukunfts- zugewandt und oft sogar verantwortungsvoll. Und die Sache mit den Würsten lässt sich ja vielleicht auch noch regeln.
Josef Hader
Es wird wieder kälter. Auch gesamtgesellschaftlich. Doch der kleine Mann mit der strengen Brille bleibt freundlich – und auf Betriebstemperatur. Nur so richtig trauen sollte man ihm nicht. „Hader on Ice“ kann rutschig werden
Berni Wagner
Er klammert sich mit Zähnen und Klauen an seinen Humor. Nur so tröstet er sich selbst. Neuerdings weiß Berni Wagner nämlich: In ihm steckt ein Monster. Und die Zottelfrisur macht das nur noch deutlicher. Er macht sich auf die Suche nach dem Ungeheuer in uns allen.
Tilman Birr
Er wurde schon mit Rainald Grebe, Bodo Wartke und Bo Burnham verglichen. Oder verwechselt? Immerhin ist ein schwarzer Anzug am Klavier kein unverwechselbares Markenzeichen. Sei’s drum: Birr kann’s. Gro- ßes Musik-Entertainment. „Birr Royal“, eben.
Benni Stark
Comedy, aus dem Alltag gegriffen und in immer neue Spontanrollen gesteckt. Da passt dann auch die alles erklärende Devise: „Schon lustig, wenn’s witzig ist.“
Anna Piechotta
Wer gehofft hat, am Ende der Teenagerzeit aus den gröbsten Pubertätssorgen raus zu sein, sollte vielleicht doch lieber einen Bogen ums „Zu viel Emotionen“-Programm machen. Anna Piechotta macht keinen Hehl daraus, dass sie mit Anfang Vierzig immer noch (oder schon wieder) in argen Identitätskrisen steckt. Da wäre der fast wahnhafte Wunsch, die Welt doch noch zu retten. Die Freude am Älterwerden und die Angst vor dem Alter. Der plötzliche Plan, den Hund zu vergiften. Und das schlechte Gewissen bei solchen Gedanken. Und natürlich die Gier nach zwanglosem Sex. Alles nicht so einfach, gell?
Suchtpotenzial
Wenn sie touren, nehmen sie die Deutsche Bahn. Sie stellen sich furchtlos digitalen Shit- storms. Und mittlerweile kämpfen sie auch gegen den Spliss. Deutschlands erfolgreichstes Alkopop-Duo bleibt trotzdem immer behaart, aber fair. Nun darf endlich gefeiert werden – im „Bällebad Forever“. Suchtpotenzial absolviert die ganz große Jubiläumsrunde zum Zehnjähri- gen. Das heißt bei Ariane und Julia: „10 Jahre Tit- ten, Tasten, Temperament“. Kopfüber geht es in den Jacuzzi der guten Laune. Aus diesem Bäl- lebad möchte man nie wieder abgeholt werden.
Maxi Schafroth
Er war der Mann, der es zuletzt wagte, dem wahren „Derbleckn“-Anspruch gerecht zu werden und auf dem Nockherberg die Mächtigen und Großen ganz klein zu falten. Prompt ist er im gerne dann doch etwas verdrucksten Humorbetrieb seinen Job wieder los. Allerdings öffnen sich auch neue Türen – etwa in die Kammerspiele. Dort blickt er in der neuen Theater-Kabarett-Musik-Fusion „mit Raiffaisenbank, Riesenkürbis und Allgäublues“ auf die weite Welt – und der Blick geht bis über den Horizont hinaus. Trotzdem hat sich der gar nicht mehr so kleine Maxi vom Land noch immer den staunenden Blick auf die Großstadt, auf die ganz spezielle Münch- ner Melange, bewahrt. So trifft man bei ihm auf Zahnarztkinder im Geländewagen, auf Bil- dungsbürger in senfgelben Cordhosen, auf Hips- ter mit Holz-Look-Brillen. Und so geht es von der Baywa in Ottobeuern auf direktem Weg zu Vintage-Gummistiefel-Regal bei Manufactum!
Toni und Max Uthoff
Wenn GenZ auf GenX trifft – und beide herrlich selbstbewusst aneinander vorbeireden. Eigentlich hatte der Mann aus der ZDF-„An- stalt“ ja selbst festgestellt: „Einer zuviel“. Und dann hat er sich doch zusammen mit seiner an- genehm scharfzüngigen Tochter auf die Bühne gewagt. Im Kern geht’s immer wieder um die Frage rund um den alten weißen Mann. Wie soll man ihn loswerden, wenn er doch immerhin so verlässlich die Miete bezahlt?
Maria Muhar
Ein Programm, das am tiefsten Punkt angekommen ist. Dem „Mariannengraben“. Zwar nicht jenem im fernen Pazifik, sondern dem 113 Me- ter über dem Meeresspiegel gelegenen tiefsten Punkt Österreichs. Dort herrscht: Melancholie. Mit Schmäh kriegt Maria Muhar die Dinge in den Griff.
Johann König
Eigentlich wollte er ja Lehrer werden – für Sport und Biologie. Doch nach 19 Semestern war dann plötzlich Schluss: Das Publikum zwang Johann König mit seinem Geld und seiner Zuneigung, alle Pläne noch mal zu überdenken und sich dann ganz dem Humor zu widmen. Gott sei Dank. Mittlerweile weiß Johann Kö- nig: „Wer Pläne macht, wird ausgelacht.“