Ein Wiedersehen mit dem Joker, ein gefeierter Animationsfilm, eine Doku über eine der besten deutschen Bands und mehr – in den Kinostarts der Woche.
Der wilde Roboter
USA. R: Chris Sanders.
Rozzum 7134 – kurz „Roz“ – ist kein gewöhnlicher Roboter. Sie wurde zwar als Unterstützung für eine futuristische urbane Welt entwickelt, doch nun hat sie Schiffbruch erlitten und ist auf einer einsamen Insel gestrandet. Mit Mühe baut sie Beziehungen zu den zunächst argwöhnischen Tieren auf und lernt, sich an die ungewohnte, raue Umgebung anzupassen. Das große Abenteuer beginnt, als sie durch einen Zufall zur Beschützerin eines hilflosen, verwaisten Gänsekükens wird und die wahre Bedeutung des Lebens entdeckt. Ein Film der Kindern und Erwachsenen viel über unsere Existenz und den Ort, an dem wir sie verbringen, zu sagen hat.
Joker 2: Folie à deux
USA. R: Todd Philipps.
Interessant, dass the thinking man’s Superheldenfilme eigentlich Superschurkenfilme sind: Die Fortsetzung des vielgepriesenen ersten Films erzählt, wie Arthur Fleck (formidabel kompromisslos: Joaquin Phoenix) in der psychiatrischen Anstalt Arkham auf den Prozess für seine Verbrechen als Joker wartet. Während er im Konflikt mit seiner doppelten Identität steht, begegnet Arthur nicht nur seiner wahren Liebe (die erstaunlich aufspielende Lady Gaga), sondern findet auch zur Musik, die schon immer in seinem Inneren schlummerte. Die (wohl choreografierte) Eskalation scheint dabei vorprogrammiert.
Cranko
D. R: Joachim A. Lang.
Aktuell erleben Bio-Pics über Charaktere aus den „hohen Künsten“ einen kleinen Hype. So auch in diesem deutschen Film mit Starbesetzung: Stuttgart 1960 – als der Choreograph John Cranko (Sam Riley) mit dem Flugzeug landet, ahnt er nicht, dass dieser Moment sein Leben verändern wird. Er soll am Stuttgarter Ballett als Gast choreographieren. In London, wo er aufgrund seiner Homosexualität zahlreiche Demütigungen bis hin zu einem Arbeitsverbot ertragen musste, hält ihn nichts mehr. In der beschaulichen Stadt erholt sich John Cranko von den erniedrigenden Erfahrungen, niemand scheint sich an seinem unkonventionellen Lebensstil zu stören.
Element of Crime in „Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“
D. R: Charly Hübner.
Der Film erzählt die Geschichte und Gegenwart der Band Element of Crime: Es geht um Musik, Freundschaft, eine Haltung zur Welt und um das Geheimnis, 40 Jahre Musik zusammen zu machen. Was sind das für Künstler? Wie wurden sie zu dem, was sie sind? Der Film folgt der Band auf einer Tournee durch Berlin und führt uns zu Orten, die stellvertretend für die Entwicklung der Band stehen. Wir sehen die Mauerstadt Berlin, erfahren von den wichtigsten Weggefährten, von New York, John Cale, London, Düsseldorf, Ata Tak und dem Ende der Neuen Deutschen Welle.
Memory
USA, MEX. R: Michel Franco.
Was als Thriller beginnt, entwickelt sich zu einer zarten Liebesgeschichte mit Happy End. Die New Yorkerin Sylvia (Jessica Chastain) und den Eigenbrötler Saul (Peter Sarsgaard) verbindet eins: die Erinnerung. Während sie versucht, ihre schmerzliche Vergangenheit zu vergessen, kämpft er mit dem beginnenden Verlust seines Gedächtnisses. Ihr Weg kreuzt sich durch eben diese Umstände. Wider jegliche Erwartung, gegen alle Vernunft und Hindernisse finden die beiden zueinander. Sowohl in Venedig als auch in Zürich laut umjubelt!
Power of Love
D, FIN. R: Jonas Rothlaender.
Von amourösen Abgründen: Saara und Robert sind glücklich verliebt. Erst kürzlich ist Robert von Berlin nach Helsinki gezogen, um ihrer Beziehung eine echte Perspektive zu geben. Ihr Alltag ist geprägt vom Spiel mit Geschlechterrollenklischees und Machtverhältnissen, doch hinter der unkonventionellen Fassade kämpfen beide mit Ängsten und Unsicherheiten. Voller Vorfreude auf eine Auszeit brechen sie zu einem ausgedehnten Sommerurlaub auf einer einsamen Insel im finnischen Archipel auf. Von der rauen Natur aufgewühlt, fällt das Paar in archaische Muster zurück, die es verzweifelt zu überwinden versucht.
Die Filmstarts vom 26.9.
Megalopolis
USA. R: Francis Ford Coppola. Ab 26.9.
Neues vom Großmeister: Eine epische römische Fabel, die im modernen Amerika spielt. Die Stadt New Rome muss sich verändern, was zu Konflikten zwischen dem genialen Künstler Cesar Catilina (Adam Driver), und seinem Widersacher, dem Bürgermeister Franklyn Cicero (Giancarlo Esposito) führt. Während der eine den Sprung in eine utopische, idealistische Zukunft wagt, hält der andere an einem rückwärtsgewandten Status quo fest, der von Gier, Partikularinteressen und Partisanenkriegen geprägt ist. Dazwischen steht Julia Cicero (Nathalie Emmanuel), die Tochter des Bürgermeisters, deren Liebe zu Caesar ihre Loyalität entzweit hat…
Never Let Go
USA. R: Alexandre Aja. Ab 26.9.
Eine Familie kämpft nach der Apokalypse ums tägliche Überleben. Momma (Halle Berry) hat sich mit ihren Zwillingssöhnen Samuel und Nolan in eine abgelegene Waldhütte zurückgezogen. Um sie zu schützen, hat sie strikte Regeln aufgestellt: Niemand darf die Hütte ohne eine an den Körper gebundene Leine verlassen. Alles andere würde den sicheren Tod bedeuten. Doch als einer der Jungen an Mommas Warnungen zweifelt und die Regeln bricht, lauern die Gefahren des Waldes bereits darauf, zuzuschlagen. Die Verbindung zwischen Momma und ihren Söhnen wird auf die Probe gestellt. Genre-Streifen, der weiß, welche Fäden man ziehen muss.
Putin
PL. R: Patryk Vega. Ab 26.9.
Der Film hat im Vorfeld schon für ordentlich Furore gesorgt. „Eine kritische Filmbiografie über Wladimir Putin will den russischen Machthaber als Verbrecher und kranken Mann in Windeln zeigen.“ schrieb beispielsweise der Spiegel. Besonderes Skandalon: Der Hauptdarsteller sieht dem russischen Tyrannen und Kriegstreiber zum Verwechseln ähnlich, da es sich dabei um ein mit künstlicher Intelligenz kreierten Putin-Avatar handelt. Angeblich sind im Film auch echte Bilder des Invasionskrieges gegen die Ukraine verarbeitet, die der Regisseur von ukrainischen Filmemacher*innen bekam. (Leider) ein Film für unsere Zeit.
Die Kinostarts vom 19.9.
Rosalie
FR, BE. R: Stéphanie Di Giusto. Ab 19.9.
Endlich bekommen Geschichten wie diese mehr Aufmerksamkeit – Frankreich, Ende des 19. Jahrhunderts: Rosalie (Nadia Tereszkiewicz) ist jung, schön, liebenswürdig. Doch seit ihrer Kindheit hütet sie ein besonderes Geheimnis: Rosalie wurde mit behaartem Gesicht und Körper geboren. Um nicht aufzufallen und die Chance auf eine Ehe zu wahren, ist sie gezwungen, sich regelmäßig zu rasieren. Ihr zukünftiger Ehemann Abel (Benoît Magimel) ahnt von ihrem Geheimnis nichts. Doch Rosalies Andersartigkeit lässt sich in der Ehe nicht verstecken. Liebesfilme mal anders -laut französischer Fachpresse darf man sich drauf freuen.
Samia
IT, DE, BE, SWE. R: Yasemin Şamdereli, Deka Mohamed Osman. Ab 19.9.
Jeden Morgen läuft Samia auf dem Schulweg mit ihrem besten Freund um die Wette – und immer gewinnt sie. Die Neunjährige will unbedingt am jährlichen Stadtlauf von Mogadischu teilnehmen. Doch während ihr Vater sie unterstützt und im Falle eines Sieges echte Turnschuhe verspricht, hält ihre Mutter sie zurück. Frauen ist es untersagt, Sport zu treiben, und die Gefahr, einer Patrouille in die Arme zu laufen, groß. Aber Samia lässt sich nicht aufhalten: Eines Tages will Samia als schnellste Frau Somalias an den Olympischen Spielen teilnehmen. Nach dem wundervollen „Almanya“ (2011) endlich der nächste Spielfilm der Regisseurin.
Favoriten
Ö. R: Ruth Beckermann. Ab 19.9.
Über drei Jahre begleitet die Filmemacherin eine Klasse im Alter von sieben bis zehn Jahren und ihre engagierte Lehrerin in einer großen Schule im Wiener Bezirk Favoriten. Der Film nimmt uns mit in den Unterricht und lässt uns die täglichen Abenteuer, Kämpfe, Niederlagen und Erfolge der Kinder ganz nah miterleben. Der Stadtteil Favoriten war einst ein Arbeiterbezirk, heute spricht ein Großteil der Kinder an den dortigen Grundschulen nicht Deutsch als Erstsprache. Mit großer Sensibilität begleitet der Film die Kinder, während ihre Lehrerin ihnen dabei hilft, einen Platz in einer Welt zu finden, in der sie sich oft nicht zugehörig fühlen.
The Substance
USA, UK. R: Coralie Fargeat. Ab 19.9.
Elisabeth Sparkle (Demi Moore) ist eine alternde Schauspielerin, die nach ihrer Entlassung durch den sexistischen Studioboss Harvey (Dennis Quaid) keine neuen Rollen mehr bekommt. In ihrer Verzweiflung stößt sie nach einem Autounfall auf eine mysteriöse Firma, die ihr eine Substanz anbietet, die sie vorübergehend in eine bessere Version ihrer selbst verwandelt. Die Regeln sind einfach: Eine Woche im „besseren“ Körper, gefolgt von einer Woche im eigenen. Doch bricht sie diesen Rhythmus, drohen schwerwiegende Konsequenzen. Wird Elisabeth der Versuchung erliegen? Satire-Body-Horror wie ihn Genre-Meister David Cronenberg wohl mögen würde.
Die Kinostarts vom 12.9.
My Stolen Planet
D. R: Farahnaz Sharifi.
Die tagebuchartige Erzählung von Farah, einer iranischen Filmemacherin. Geboren während der islamischen Revolution im Iran 1979, fängt sie Momente der Freude und des Trotzes in ihrem Alltag ein, wobei sie den Kontrast zwischen innerer Freiheit und äußerer Unterdrückung thematisiert. Gleichzeitig sammelt sie 8-mm-Archivmaterial von Menschen, die sie nicht kennt. Indem sie sich die Aufnahmen anderer anschaut, gewinnt sie eine neue Perspektive auf den Verlust von Erinnerungen. Nach „Tatami“, „Shahid“ und „Ein kleines Stück vom Kuchen“ der vierte Film des Kinojahres, der das Frausein im Iran thematisiert und keinen davon möchte ich missen.
Treasure – Familie ist ein fremdes Land
D, FR. R: Julia von Heinz.
Kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs reist die New Yorker Musik-Journalistin Ruth Rothwax (Lena Dunham) in Begleitung ihres Vaters Edek (Stephen Fry) nach Polen, um dem Vermächtnis ihrer jüdischen Familie auf den Grund zu gehen. Für Edek, einen Holocaust-Überlebenden, ist es die erste Reise zurück zu den Orten seiner Kindheit. Während Ruth entschlossen ist, die Traumata ihrer Eltern besser zu verstehen, will der stets vergnügte Edek die Vergangenheit ruhen lassen. Zwei Schauspiel-Darlings unserer Zeit in der Verfilmung eines Romans von Lily Brett. Die Vorabkritiken sind zwar gemischt, aber ich empfehle dennoch Neugierde!
Sad Jokes
D. R: Fabian Stumm.
Joseph und Sonya sind durch eine enge Freundschaft und ihren kleinen Sohn Pino verbunden, den sie gemeinsam aufziehen. Während sich Regisseur Joseph an einer neuen Filmidee und der Trennung von seinem Ex-Freund Marc abarbeitet, leidet Sonya unter einer Depression, die sie zusehends aus ihrem Leben herausreißt. Als sie in einer Klinik unterkommt, muss Joseph nicht nur mit seinem Familienalltag, sondern auch seinen künstlerischen Ambitionen jonglieren. Für das leicht absurde Drama gabs auf dem Filmfest gleich zwei Preise: den Förderpreis der Sektion Neues Deutsches Kino (Beste Regie) und den FIPRESCI-Preis.
Beetlejuice Beetlejuice
USA. R: Tim Burton.
Die Nostalgiewelle ebbt nicht ab und diesmal hat’s einen Film erwischt, in dessen Welt man sich durchaus zurückwünschen kann. Die Rolle des Chaos-Dämons Beetlejuice war einer der größten Erfolge von Michael Keaton und so wie es aussieht (vgl. Bild) hat er sich für die Fortsetzung -36 Jahre nach dem ersten Teil, der wohl nicht wusste, dass er einer ist- gut in die Rolle zurückgefunden. Mit Winona Ryder, „Wednesday“-Darstellerin Jenna Ortega, Monica Bellucci, Catherine O’Hara und Willem Dafoe ist der Film bis in die Nebenrollen formidabel besetzt. Regt sich da etwa im der Remakes schon lange überdrüssigen Herz des Redakteurs Vorfreude? Mal gucken.
Ezra – Eine Familiengeschichte
USA. R: Tony Goldwyn.
Stand-up-Comedian Max (Bobby Cannavale) hat gerade nicht viel zu lachen. Die Karriere steckt in der Dauerkrise, seine Frau Jenna (Rose Byrne) hat ihn verlassen und den gemeinsamen Sohn Ezra (William A. Fitzgerald), der Merkmale des Asperger-Syndroms trägt, gleich mitgenommen. Jetzt lebt der Mitvierziger wieder bei seinem exzentrischen Vater Stan (Robert De Niro). Doch als er Ezra kurzerhand auf einen Roadtrip quer durch die USA mitnimmt, überschlagen sich die Ereignisse. In der Tradition von „Little Miss Sunshine“ oder „Nebraska“, wo sich dysfunktionale Familien auf endlosen Highways näherkommen. Feel-Good-Movie mit Indie-Anstrich.
Petra Kelly – Act Now!
D. R: Doris Metz.
Die Dokumentation ist eine Wiederentdeckung der politischen Aktivistin Petra Kelly, die in ihrem Kampf für Frauenrechte und Klimaschutz und ihrer internationalen Ausrichtung und Vernetzung eine Ausnahmeerscheinung war. Ihrer Zeit weit voraus ist sie heute ein Vorbild für viele junge Menschen, die zur Rettung unseres Planeten auch außerhalb des Politikbetriebes ihr Recht auf bürgerschaftliches Engagement in Anspruch nehmen. Mit bislang unveröffentlichtem, internationalem Filmmaterial wird das Porträt einer sensiblen und unerschütterlichen Frau gezeichnet, die sich von niemandem aufhalten ließ.