19:30 Uhr – 21:30 Uhr
Münchner Volkstheater / Münchner Volkstheater – Bühne 1, Tumblingerstraße 29, 80337
München
Theater
Caligula
Von Albert Camus. R: Ran Chai Bar-zvi. Mit Steffen Link, Maximiliane Haß, Jonathan Müller u.a. Der Kaiser Caligula trauert um seine geliebte Schwester Drusilla: „Die Menschen sterben, und sie sind nicht glücklich“. Diese schlichte Erkenntnis weitet sich aus zu einer grundsätzlichen Infragestellung der menschlichen Existenz, der Moral und der Gesellschaft.
von Albert Camus
Der Kaiser trauert. Caligula gilt als die Hoffnung des römischen Reiches, ein gewissenhafter junger Herrscher mit den besten Absichten. Doch der Tod seiner geliebten Schwester Drusilla stürzt ihn in eine tiefe Krise. „Die Menschen sterben, und sie sind nicht glücklich“, stellt er trocken fest. Diese schlichte Erkenntnis weitet sich jedoch aus zu einer grundsätzlichen Infragestellung der menschlichen Existenz, der Moral und der Gesellschaft. Was für einen Sinn hat unser Streben? Und welchen Sinn kann ein allmächtiger Herrscher in seinem Tun finden? Seine Willkürherrschaft wird zu einem radikalen Experiment, nach dem Unmöglichen zu streben, das dabei aber vielmehr den Wahnsinn der absoluten Macht offenbart. So gibt er seinen Feinden immer mehr Grund, seine Ermordung zu planen.
Die Willkürherrschaft hat heutzutage wieder Hochkonjunktur. Wir erleben ein Comeback der Autokratie. Hinter der politischen Dimension steht in Camus‘ Stück jedoch immer auch das Existenzielle. Er selbst bezeichnete sein erstes Drama als eine „Tragödie der Erkenntnis“. Sämtliche Illusionen werden von Camus wie von Caligula zerschlagen. Die Theatralität und Maskenhaftigkeit der Gesellschaft werden immer wieder entlarvt, während der Kaiser sich als totaler Regisseur geriert und doch steht hinter der trauernden Figur die tiefe Sehnsucht nach einer unerreichbaren Freiheit, einem Ausweg aus der Absurdität der Welt.
Produktion:
Regie: Ran Chai Bar-zvi
Bühne: Ansgar Prüwer
Kostüme: Marilena Büld
Musik: Evelyn Saylor
Lichtdesign: Anton Burgstaller
Dramaturgie: Leon Frisch
Regieassistenz: Malte Buchloh
Bühnenbildassistenz: Matteo Marangoni
Kostümassistenz: Julie Fritsch
Besetzung:
Caligula: Steffen Link
Caesonia: Maximiliane Haß
Helicon: Jonathan Müller
Scipio: Anton Nürnberg
Cherea: Jan Meeno Jürgens
Alter Patrizier: Liv Stapelfeldt
Mucius: Cedric Stern
Lepidus: Nils Karsten
Die Besprechung unseres Theaterexperten Peter Eidenberger:
Die tote Schwester war auch seine Geliebte. Für den Mann bricht alles zusammen, also auch er. Doch er steht auf, als Despot. Es fällt nicht schwer, Gründe dafür zu finden, heute „Caligula“ zu bringen. Diese von Autor Albert Camus selbst so genannte „Tragödie der Erkenntnis“ eines Potentaten hat immer Konjunktur. Am Volkstheater bleibt Regisseur Ran Chai Bar-zvi zunächst im antiken Kontext. Die Menschen in ihrem römisch-queeren Kostüm-Mix wirken klein auf der großen hermetischen Holzbühne. Die Lebensräume verengen sich, wenn die Seitenwände nach innen klappen und gefährliche Intimität schaffen. Caligula, ein Einsamer, ein Denker, durchaus auch Zweifler, wird nach und nach ein abstoßend-faszinierendes Aas: großartig Steffen Link. Er will den Mond, aber den kriegt er nicht, also lügt und baut sich wenigstens seine eigene Wahrheit zusammen, manipuliert und zerstört seine Umwelt (Freunde und Patrizier, ein überzeugendes Ensemble: u. a. Maximiliane Haß, Jan Meeno Jürgens, Liv Stapelfeldt, Anton Nürnberg).
Enteignung, Vergewaltigung und Mord – nie fließt Blut in diesem intensiven Fast-Kammerspiel. Aus vertraulichen Gesprächen wird Drohung, und fürs Vergewaltigen reicht es, wenn der Diktator widerlich im Mund des Opfers rumfingert und schließlich die ganze Hand reinschiebt. Kleine, starke Mittel, ungeheure Wirkung. Nur einmal explodiert der Abend förmlich: zur großen Show, mit dem Diktator als blond gelockte Venus. Caligula singt: Macarena, Don’t Stop Me Now. Und schmeißt sich ans Publikum ran, bis der ganze Saal mitgrölt: Angels von Robbie Williams. Der Popanz wird enden. Erst durch die Verschwörer, dann als Statue zum Bewundern auf dem Marmorsockel. Begeisterter Beifall.
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Veranstaltungsort / Karte
Münchner Volkstheater / Münchner Volkstheater – Bühne 1
Adresse: Tumblingerstraße 29,
80337 München