1. Startseite
  2. Theater

Impro-Macher*in Karin Krug und Andreas Wolf: „Wir wollen verspielt bleiben“

Karin Krug und Andreas Wolf
Bleiben zäh – charmant und beweglich: Karin Krug und Andreas Wolf © Fastfood-Theater

Karin Krug und Andreas Wolf, die kreativen Fastfood-Köpfe, halten den Impro-Irrsinn seit 30 Jahren am Laufen. Jetzt wird groß gefeiert – ganz sinnlich!

Frau Krug, Herr Wolf, das Fastfood-Theater wird 30 Jahre alt. So ein Jubiläum – man kennt das ja privat - ist ja nicht nur ein toller Anlass, sondern auch oft ein Moment, an dem man ein bisschen nachdenklich wird. Fast ein Drittel Jahrhundert: Wie sehr schreckt Sie das Gefühl, historisch zu werden?
Andreas Wolf: Uns erschreckt nichts. Sondern es ist ja schön, zurück zu blicken auf einen langen Weg. Und wir freuen uns natürlich, dass wir den langen Weg haben durchhalten können. Es gibt uns ja noch. Es ist ja nicht so, dass wir aus dem letzten Loch pfeifen würden. Es geht uns gut – auch altersentsprechend gut, würde ich sagen.

Wie meinen Sie das?
Andreas: Das ist das Schöne am Zurückblicken: Da, wo wir waren vor 20 Jahren, möchte ich heute gar nicht mehr sein.
Karin: Oder vor 30 Jahren.
Andreas: Es war aber eine gute Zeit. Das ist das Entscheidende. Wir merken, dass wir eine Entwicklung gemacht haben. Und es geht auch immer weiter.

Trotzdem: Man hätte vor 30 Jahren ja gar nicht unbedingt fest damit rechnen können, dass es das Theater und zumindest Teile der Formation noch geben würde und dass daraus mal ein Unternehmen wird, das mehr macht, als nur auf der Bühne zu spielen.
Karin: Ich bin erst mal erschrocken über unser 30-Jähriges. Dann war ich so ein bisschen genervt.

Wie kommt’s?
Karin: Ach, wir haben bislang ja alle fünf Jahre gefeiert. Das zehnte, das 15. Jubiläum und immer so weiter.

Klingt doch gut.
Karin: Wir haben immer gefeiert. Wir wussten ja nicht, wie lange es uns geben würde. Das Tolle ist ja: Weil wir eben Theatermenschen sind, haben wir natürlich das Rituelle am Feiern immer genutzt. Jedes Jubiläum war natürlich auch eine Werbemaßnahme – und es war jedes Mal auch eine Zäsur. Das 20-Jährige haben wir ja ganz groß gefeiert, und das fünfundzwanzigjährige fand ich auch großartig. Ich war dann aber ein bisschen feiermüde. Zunächst habe ich mir gedacht: Oh Gott, 30! Wer will das denn wissen? Wir sind doch jetzt auch schon über 50. Dann kam bei mir aber der Punkt: Boah, wir haben echt was erreicht. Bei mir kommt im Moment viel Dankbarkeit hoch.

Ihre Art, Theater zu machen, war ja anfangs komplett neu.
Karin: Was haben wir am Anfang eigentlich alles kreiert, was es damals noch nicht gab! Auch unsere Musiker sind schon so lange dabei. Die meisten unserer Schauspielerinnen und Schauspieler begleiten uns jetzt auch schon mindestens zehn Jahre.
Andreas: Länger!
Karin: Wir sind echt nachhaltig. Seit Anfang Januar habe ich das Gefühl, ich muss ganz viele Dankesbriefe schreiben. Zuletzt war ich auf einem Festival in Wien eingeladen. Da hatte sich die europäische Impro-Szene versammelt. Vielleicht gäb’s die ohne uns gar nicht. Wer weiß. Als ich angefangen habe zu improvisieren – als junge Theaterwissenschaftlerin an der Uni -, gab es diese Szene nicht.

Sie haben ja tatsächlich als Studenten eine Idee aufgegriffen, die man in Deutschland nicht kannte und die aus der englischsprachigen Welt, sogar vom anderen Ende des Erdballs, aus Neuseeland, kam. Über die Jahre haben Sie die Konzepte immer weiterentwickelt. Wie sehr hält denn das Improvisieren frisch?
Karin: Ich hoffe doch sehr. Das funktioniert so gut, weil man sich immer wieder neu erfindet und in Frage stellt.
Andreas: Unser Anfangsimpuls war schon wichtig. Wir haben damals das Motto gegeben: Wir spielen so lange, bis keiner mehr kommt. Dieser Zustand ist dann aber quasi nie eingetreten. Klar, es gab sicherlich auch Vorstellungen mit ganz wenigen Zuschauern zwischenzeitlich. Das ist im Theater halt so üblich. Es war aber nie so, dass man sagen musste: Impro-Theater ist eine Mode - und jetzt ist es damit vorbei. Das hat sich nicht ergeben - im Gegenteil. Uns hat das frisch gehalten. Weil wir ja eigentlich immer im Kopf haben: Es könnte auch morgen zu Ende sein.

Dehnfähig und beweglich bleiben.
Andreas: Das ist für uns Nachhaltigkeit. Man muss sich immer neue Perspektiven schaffen. Zu unserer Geschichte gehört ja auch, dass wir viele Widrigkeiten durchstehen mussten – zum Beispiel während der Finanzkrise. Und auch als wir unser eigenes Theater verlassen mussten, war das ein Scheitern auf ganz großem Niveau.

Sie spielen auf Ihren zeitweiligen Sitz im damaligen Theater am Oberanger an.
Andreas: Wir sind ja in dieser Zeit geschüttelt und gerüttelt worden. Das kann man sich kaum mehr vorstellen. Das ging wirklich an die Nieren. Es hatte damals wirklich großes Durchhaltevermögen gebraucht, bis wir wieder sagen konnten: Wir machen weiter bei all diesem Wahnsinn!
Karin: Ich fand schon am Anfang toll, dass wir uns bei den Theaterwissenschaften in München getroffen haben - in einer Stadt, wo einfach ganz viel Qualität herrscht. Das war auch hart. Und zwar so: Gar nicht so leicht, wenn du in einer perfektionistischen Stadt unterwegs bist, in der jeder dir sagt: Die Welt ist fertig, und wir sind die Elite dieser Welt. Dieses Denken trifft man doch überall an: Ob das hier in der Kunst ist oder auch bei den Unternehmen. Aber auch bei den Weiterbildungen. Wir haben mit unserer Impro-Schule viele Menschen wirklich weitergebildet in Sachen Flexibilität, Spontaneität und Kreativität. Dabei sind wir mit so vielen Menschen in München in Kontakt gekommen, die immer das Optimum herausholen wollten. Und das auch geschafft haben. Einerseits ist das was Tolles. Anderseits sind wir angetreten und wollten immer das Unerwartete erwarten. Du kommst in so einer Stadt echt an deine Grenzen.

Die Selbstzufriedenheit und Geldfixiertheit in der Stadt kann stark nerven.
Karin: Vor allem dann, wenn so viele Leute sagen: Ich will aber nichts Unerwartetes. Ich will Comedy. Oder: Ich will einfach nur Entertainment. Wir haben aber immer gesagt: Moment, wir machen Theater. Wir machen spontanes Theater. Soll heißen: Wir wollen noch ausloten, was künstlerisch ist und was Storytelling-technisch möglich ist. Jetzt geh ich doch in die Gegenwart: In den harten Pandemiezeiten hat sich gezeigt, dass das Qualitätsbewusstsein in München doch auch toll ist. Diese Lust, aus Nichts was zu machen, ging halt hier in München doch wieder total gut.

Ihre ziemlich rasch entwickelten digitalen Shows kamen gut an.
Andreas: Klar, das war ein Kraftakt. Aber wir haben die Herausforderung und die Chance gesehen – auch, um in Zukunft Publikum auf neuen Wegen zu erreichen. Jetzt ist’s aber trotzdem wichtig und schön, wieder ganz in echt auf der Bühne zu stehen.
Karin: München ist eine zähe Stadt. Aber wir sind auch zäh.

Es ist aber doch auch die Stadt der „Rocky Horror Picture Show“ und der treuen Fans. Das müssten Sie doch ganz besonders spüren.
Karin: Na klar. Wir sind die Stadt der guten Unterhaltung. Und München schätzt uns für unsere soziale, für unsere Hierarchie-flache und quer durch die Gesellschaft gehende Kunstform wirklich. Wir haben viele tolle Projekte gemacht, die für uns künstlerisch waren, auch wenn es die Hochkultur vielleicht nicht so nennen würde. Dort würde man so etwas vielleicht als Sache der Sozialpsychologen ansehen. Ich finde: Es war starke Theaterkunst, die immer auch das Publikum integrierte. Der Münchner Humor und die Liebe dazu, Geschichten zu erzählen, sind stark ausgeprägt in der Stadt. Das hat uns immer wieder einen Kick gegeben. Und so haben wir dann unter anderem auch die bayerische Volksimpro entwickelt.

Bei Ihnen hat man ja gelernt, dass man im Theaterraum gerne auch mal den Mund aufmachen kann.
Andreas: Wichtiger Punkt. Man kann sich bei uns einbringen. Das haben unsere Besucher sehr zu schätzen gelernt. Zu uns sind Leute gekommen. Erst vor einigen Tagen hat mir eine Frau geschrieben, als ich gerade unseren Newsletter mit den Ankündigungen zu unserem 30-Jahre-Jubiläum rausgeschickt hatte. Sie erzählte, dass sie bei Ihrem ersten Besuch bei uns vor vielen Jahren damals gerade kurz vor ihrer Hochzeit stand und schwanger war. Sie war damals in einer unseren Musikshows. Nach der Vorstellung wollte sie damals ein Autogramm von „Freddy Finger“, unserer Moderationsfigur haben. Die Autogrammkarte von damals hat sie eingescannt und mir mitgeschickt. Und nun schreibt sie mir: Nun ist die Tochter, mit der sie damals schwanger war, auch schon Stammgast bei uns. Was wir machen, ist also fast schon Generationenübergreifend.

Beeindruckend.
Andreas: Kürzlich hatte ich mal mit einer Bank zu tun, die uns für Impro-Workshops buchen wollte. Die Frau, mit der ich die Details am Telefon besprach, kam schnell ins Schwärmen. Sie erzählte mir, dass sie zwölf Jahre alt war, als sie Fastfood das erste Mal auf der Bühne sah. Und jetzt freut sie sich, dass sie die Gelegenheit hat, uns zu engagieren. Die Zuschauer geben uns ein Gefühl von Verwurzelung.

Und jetzt bedanken Sie sich ganz sinnlich – mit einer Einladung zum „Rendezvous“.
Karin: So heißt die Reihe der ersten Jubiläumsshows, die wir als Einladungen zur Begegnung und der Wiederbegegnung sehen. Wir wollen wirklich in Kontakt treten mit den Leuten – und wir wollen das schelmisch und liebevoll gestalten. Deswegen das Wort „Rendezvous“. Wir wollen verspielt bleiben.
Andreas: Aber auch auf der Bühne stehen wir mit außergewöhnlich vielen Leuten – von früher und von heute. Wir schauen jetzt einfach mal nicht auf die Honorare. Wer Lust hat mitzumachen, kann das tun – und wir teilen uns das Geld dann eben auf.
Karin: Wir gönnen uns unsere Shows! Und wir gönnen sie dem Publikum. Auf die Rendezvous mit unseren Fans habe ich jetzt schon so lange wieder gewartet.
Andreas: Ein beflügelndes, liebevolles Gefühl. Deswegen haben wir die ersten Jubiläumsshows unter das Rendezvous-Motto gestellt. Wir treffen uns mit unserer Vergangenheit, also auch mit Spielern aus den Anfangszeiten. Wir treffen uns mit Leuten, die uns bis jetzt begleitet haben und die wir sehr schätzen. Mit ihnen machen wir im Vorfeld auch Workshops und schauen dann einfach mal, was wir gemeinsam auf die Bühne bringen. Das werden sicher ganz besondere Shows, die es so schnell dann nicht mehr gibt. Große Vorfreude!

Interview: Rupert Sommer