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Krimi-Autoren Veronika Grüning und Michi Bremmer: „Katzen sind klüger“

Veronika Grüning und Michi Bremmer
Respektvolle Katzenliebhaber: Veronika Grüning und Michi Bremmer © Bremmer/Grüning

Grafikerin Veronika Grüning und SZ-Redakteur Michi Bremmer stellen am 17.8. im Schwarzen Hahn den Roman „Gangs of Katzenstadt“ vor. Punk mit Krallen!

Frau Grüning, Herr Bremmer, wie kommt man denn auf die Idee zu so einem Buch – und dann auch gleich noch zu einem Doppel-Autoren-Projekt?
Veronika Grüning: Alles fing mit unseren Katzen an. Bandini und Bonnie. Zwei ziemlich starke Persönlichkeiten. Die Sache mit der Doppel-Autorenschaft hat sich einfach so entwickelt. Auch, weil es zu zweit mehr Spaß macht, sich Geschichten auszudenken.

Und wie kamen Sie auf die Idee von „Gangs of Katzenstadt“?
Veronika Grüning: Eine vage Idee für dieses Buch gab es schon lange. Aber dann kam Corona, dann kam der Lockdown, dann wurde es ernst.

Michael Bremmer: Ich kann mich noch gut an die Situation erinnern. Es war grau, es hat geregnet, über die Isar fuhr ein Kastenwagen. Dann hörten wir die Durchsage: „Bleiben Sie zu Hause. Es gelten strenge Ausgangsbeschränkungen.“ Bandini und Bonnie sind Wohnungskatzen, für sie gilt immer der Lockdown. Und dann durften wir auch nicht mehr raus. In dieser für uns neuen Situation wollten wir wenigstens für unsere Katzen ein Abenteuer erfinden. Schließlich haben Bandini und Bonnie das Zeug zu echten Heldinnen.

Veronika Grüning: Und wir mussten uns ja auch irgendwie beschäftigen – außer uns vieren war ja keiner da.

Wie macht man das eigentlich praktisch, als Duo einen Roman zu schreiben: Kriegt man sich da nicht laufend in die Katzen-Haare?
Veronika Grüning: Wir sind ständig voller Katzen-Haare.

Michael Bremmer: Das auch. Was das praktische Arbeiten betrifft: Wir haben jeden Abend die Geschichte gemeinsam weitergesponnen. Am Wochenende sind wir dann durch die menschenleere Stadt gefahren, haben Neuperlach erkundet, Mittersendling, haben Lost Places entdeckt. Es herrschte ja wirklich eine dystopische Stimmung damals – und diese Stimmung wollten wir für „Gangs of Katzenstadt“ aufnehmen.

Und es gab keinen Streit unter den Autoren?
Veronika Grüning: Natürlich hatten wir uns in der Wolle. Aber es wäre ja auch schlimm, wenn man sich für seine Lieblingskatze nichts ins Zeug legen würde. Wir haben uns aber auch immer schnell wieder vertragen.

Michael Bremmer: Wir haben dann auch ein allgemeines Veto-Recht eingeführt. Wenn einer von uns nicht wollte, dass etwas geändert oder gestrichen wird, dann haben wir den Text so gelassen.   

Mit Bandini und Bonnie durchbrechen Sie ja sogar die Fiktion: Die Katzen leben selbst bei Ihnen. Wie fiel eigentlich deren Reaktion aufs Schreiben aus?
Michael Bremmer: Wir haben unseren Katzen den Roman vorgelesen, Seite für Seite. Sie waren unsere ersten Testhörer. Wenn sie der Text gelangweilt hat, sind sie gegangen. Dann war uns klar: Diese Stelle müssen wir noch einmal überarbeiten.

Veronika Grüning: Aber meistens sind sie bei uns geblieben. Sie haben uns zugehört und sind irgendwann eingeschlafen. 

Gegen Ende des Buchs deuten Sie ja sogar an, dass zumindest Bandini auf ihre Art vielleicht sogar ebenfalls mitschreiben wollte: Steht da etwa schon eine Art Fortsetzung oder zumindest ein Making-of aus Katzensicht an?
Veronika Grüning: Making-of? Das müssen wir noch mit Bandini und Bonnie abklären, ob sie sich dazu äußern wollen.

Michael Bremmer: Es gibt auf jeden Fall eine Fortsetzung. Bandinis Mission ist noch nicht erfüllt.

Es ist ja nicht so, dass es nicht schon einige Katzenbücher oder Romane mit handelnden Katzen gäbe. Trotzdem: Das überwältigende Gros ist doch eher süßlich-harmoniesüchtig geprägt. Wenn man selbst Katzen hat und liebt: Wie sehr nervt solcher Kitsch?
Veronika Grüning: Bei Babykatzen ist jeder Kitsch erlaubt, da kann kein Mensch sachlich bleiben. Aber irgendwann hört der Spaß auf. Generell nehmen wir alle Katzen und alles, was mit Katzen zu tun hat, sehr ernst. Aber wenn dann die Rede von Fellnasen, Samtpfoten oder Stubentiger ist, sind wir raus.

Michael Bremmer: Das zeigt sich auch in „Gangs of Katzenstadt“. Uns war wichtig, dass die Katzen in unserem Roman nur Dinge machen, die sie auch wirklich können. Und eine Katze kann viel. Eine Katze weiß viel.

Veronika Grüning: Und Katzen hauen schon mal drauf, wenn ihnen etwas nicht passt. Man muss sich Katzen nur mal genau anschauen. Sie sehen aus wie echte Raubtiere. Manchmal.

Michael Bremmer: Das erinnert mich an ein Fisch-Picknick in Kenia am Strand. Plötzlich waren wir umkreist von einer Katzen-Gang. Acht, neun Katzen, und die sahen gar nicht niedlich aus. Wir mussten einigen Fisch rausrücken, um aus der Situation wieder heil rauszukommen.

Was hat Sie dazu bewegt, eine echte „Gang“-Geschichte mit roher Gewalt, düsterer Grundstimmung und Konflikten, wie man sie eher aus Sozialreportagen kennt, zu wählen?
Michael Bremmer: Ist die Grundstimmung wirklich so düster? Vermutlich ist das dieses Gefühl aus dem Lockdown, diese Endzeitstimmung, das Ende der heilen Welt. Und dieses Gefühl begleitet die Katzen im Roman ja auch. Katzenstadt ist in Gefahr. Die Katzen haben Angst, ihre Heimat zu verlieren.

Veronika Grüning: Und natürlich ist die Bedrohung, das Zuhause zu verlieren, auch für die Bewohner einer Großstadt wie München immer präsent.

Michael Bremmer: Und ganz allgemein habe ich auch den Eindruck, dass das Recht des Stärkeren in unserer Gesellschaft immer mehr an Akzeptanz gewinnt. Die Katzen sind da klüger.

Wer seine Katze Bandini nennt, lässt ja schon einiges durchblicken: Wie groß ist Ihr Respekt vor der dunklen, auch gewalttätigen Seite Ihrer Mitbewohner?
Veronika Grüning: Wenn man unsere Katzen mit dem nötigen Respekt behandelt, werden sie eigentlich nicht gewalttätig.

Ohne allzu viel zu verraten: Wie würden Sie den Grundton beschreiben – eher als eine Art Krimi, oder stehen die Großprobleme vielleicht sogar für deutlich mehr?
Michael Bremmer: Bandini muss nicht nur einen Fall aufklären, sie hat eine Mission. „Gangs of Katzenstadt“ hat Krimi-Elemente. Aber es geht um einiges mehr.

Veronika Grüning: Die Katzen in „Gangs of Katzenstadt“ zeigen Zivilcourage und Solidarität. Und sie haben einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit.

Michael Bremmer: Und sie haben ein großes Herz.

Nicht nur der Titel erinnert ja an die Kinowelt, etwa an die Drastik der Konflikte eines Martin-Scorcese-Films. Fast alle Handlungsschritte erinnern an Szenen, in denen vor dem inneren Auge ein Film läuft. Und dann gipfelt ja vieles auch innerhalb der Erzählung in einem Filmprojekt. Was muss passieren, dass nach Ihrem Buch tatsächlich gedreht wird – und wie groß ist die Vorfreude?
Michael Bremmer: Vielen Dank für diese Einschätzung. Dass „Gangs of Katzenstadt“ Kino pur ist, ist auch die erste Reaktion von unserer Lektorin gewesen. Noch ist leider keine Filmproduktion an uns herangetreten. Aber das Buch erscheint ja erst Mitte August.

Veronika Grüning: Da brauchen wir in der Tat jede Menge Glück. Bonnie wird uns dabei helfen, sie ist eine Glückskatze. Die Freude wäre auf jeden Fall groß. 

Ähnlich den Film-Anspielungen gibt es auch immer wieder Anklänge an die reale Medienwelt, etwa mit eingestreuten Artikeln und einem Interview: Wie viel Spaß hat es gemacht oder wie befreiend war das für Sie, den eigenen Redakteursalltag über das Fiktionale ein wenig auf die Schippe zu nehmen?
Michael Bremmer: Mit meinem Redaktionsalltag hat es gar nicht so viel zu tun. Aber natürlich haben wir die Boulevardpresse, die Sensationsgier und die Leichtgläubigkeit der Leser auf die Schippe genommen. Und natürlich die Schlagzeilen.

Blickfang im Buch sind ja auch die eindringlichen Katzen-Porträts. Wie schwer ist es eigentlich, den Charakter eines Tiers oft so klar einzufangen und wo liegen die Fallen?
Veronika Grüning: Wichtig ist mir, die Katzen so zu zeichnen, dass der Betrachter das Gefühl hat, diese Katze zu kennen. Die Eigenarten herauszuarbeiten, erst dann wird der Katzencharakter lebendig.

Und die Fallen?
Veronika Grüning: Ich habe versucht, nicht zu übertreiben und die Charaktere nicht zu überzeichnen. Wenn man es zu gut meint, werden schnell Fratzen daraus. Und eines ist extrem wichtig: Für Katzen muss man sich immer Zeit nehmen, und das ist beim Zeichnen erst recht so.

Bandini und Bonnie teilen ja Ihr Leben. Aber wie knifflig war es, für die weiteren Portraits andere Tiere zum Modellsitzen zu finden?
Veronika Grüning: Katzen wird ja immer unterstellt, eitel zu sein. Von daher freuen sie sich immer, porträtiert zu werden.

Katzen wird ja, wie Sie schon sagen, stark ausgeprägte Selbstverliebtheit attestiert: Wie abgehoben reagieren eigentlich Ihre beiden Katzen? Und wie viel hat sich im alltäglichen Miteinander verändert, seitdem sie wissen, dass sie nun Literaturstars sind?
Veronika Grüning: Bandini und Bonnie gehen sehr professionell mit ihrer neuen Rolle um.

Michael Bremmer: Sie merken auf jeden Fall, dass gerade etwas Ungewöhnliches passiert. Sie hören immer wieder ihren Namen, auch wenn sie gar nicht angesprochen werden. Ich hoffe, sie heben deswegen nicht ab.

Sie stellen den Roman im Schwarzen Hahn vor: Eine Lesung mit nervösem Hüsteln und dezentem Nippen am Wasserglas wird das dann ja wohl eher nicht. Worauf darf man sich freuen?
Veronika Grüning: Literatur und Lesungen sind ja nicht zwingend eine ernste Angelegenheit. Es ist unser Debütroman, es ist unsere Buchpremiere. Da muss schon ein bisschen Party sein.

Michael Bremmer: Außerdem kommt in „Gangs of Katzenstadt“ auch eine Horde Punkrock-Katzen vor. Alleine deswegen ist der Schwarze Hahn schon der richtige Ort für dieses Buch.  

Interview: Rupert Sommer

„Gangs of Katzenstadt“ erscheint am 17. August im dtv-Verlag. Hier erfährt man alle Infos – auch zur Lesung im Schwarzen Hahn, die für alle Fans wohl gesetzter Worte, mitreißender Erzählkunst und geschmackvoller Musik selbstverständlich Pflicht ist.