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Kulturveranstalter zu den Lockerungen: S .O. S. - Es ist frustrierend!

Für Konzertveranstalter ist das Geschäft auch bei erhöhter Kapazitätsauslastung kaum wirtschaftlich machbar...
Für Konzertveranstalter ist das Geschäft auch bei erhöhter Kapazitätsauslastung kaum wirtschaftlich machbar... © Adobe Stock

Das Kabinett beschließt ab sofort 50% Kapazitätsauslastung bei „Kunst, Kultur und Kino“ - nur helfen wird diese niemandem.

„Where are those happy days / They seem so hard to find / I try to reach for you / But you have closed your mind.“ So singen es ABBA in ihrem Song „S.O.S.“ und treffen damit den oft zitierten Nagel auf den Kopf. Doch um wahre Liebe ging es ja noch nie so richtig, wenn Pop- und Subkultur auf den Staat treffen, aber das was sich seit Beginn der Corona-Pandemie abspielt ist nicht nur eine kulturelle sondern auch eine soziale und gesamtgesellschaftliche Katastrophe.

Die namhaftesten und normalerweise auch umsatzstärksten privaten Rock- und Popmusikveranstalter (und alle Dienstleister:innen in Sachen Ton- und Lichttechnik, Auf- und Abbau, Security, Catering etc.pp) unserer Stadt sind am Ende. Mit ihrer Geduld, mit ihren Nerven sowieso und alsbald wohl auch mit ihren finanziellen Mitteln. Und mit dem ABBA-Schlager hat all das schon lange nichts mehr zu tun.

Denn die Lage ist alarmierend Ernst und die Verbitterung groß aufgrund der verheerenden, der für diese Branche geradezu desaströsen politischen Entscheidungen, vor allem der bayerischen Staatsregierung, die die privaten Konzert- und Kulturveranstalter seit Beginn der Pandemie besonders hart treffen: „Wir haben keinerlei Lobby und ehrlich gesagt glaube ich auch nicht, dass die Politik unser Geschäft auch nur im Ansatz begriffen hat. Bis heute nicht! Ehrlich gesagt fühlen wir uns im Stich gelassen und verarscht!“ So drückt es etwa Frank Bergmeyer aus, der Gründer, Eigentümer und Geschäftsführer in Personalunion der Propeller Music GmbH.

Sein Unternehmen organisiert z.B. Konzerte von international erfolgreichen Bands wie Bullet For My Valentine, dieses sollte am 5. Februar im Zenith stattfinden. Tut es aber nicht, die Gründe sind bekannt. Und so steht also auf der Website dieses omikronöse „VERSCHOBEN AUF UNBEKANNT“, ebenso bei Acts wie den Heartless Bastards oder The Driver Era. Einige haben schon Ersatztermine bekanntgegeben, was jedoch auffällt, es mehren sich die Shows, die - zumindest für den Moment - ersatzlos gestrichen werden.

„Ich zahl drauf bei 25, bei 50 und sogar noch bei 75%“

Frank Bergmeyer von Propeller Music

Eines kann man der Veranstaltungsbranche jedenfalls nicht vorwerfen: Versäumnisse. Sie war es, die als erstes ernstzunehmende Hygienekonzepte präsentierte. Allein: Es half alles nichts. Was immer als erstes geschlossen wurde und bis heute mit einem generellen Berufsverbot belegt wurde, es ist die Kultur, vor allem die Pop- und Subkultur. Denn so Bergmeyer weiter: „Das ist alles Quatsch. Ich zahl drauf bei 25, bei 50 und sogar noch bei 75%. Ein staatlich oder städtisch subventioniertes Theater kann sich das wahrscheinlich leisten, nicht aber wir freien Privatunternehmer. Wir brauchen zumindest die Möglichkeit der 100-prozentigen Auslastung, alles andere macht keinen Sinn!“ Und genau das war ja dann wohl auch das große Thema, die Auslastung. Während die Gastronomie (bei 100% Auslastung, nur 2G und maskenbefreit am Platz) - es sei allen Beschäftigten, Restaurantbesitzer:innen und auch uns als Gästen ausdrücklich und von Herzen gegönnt - unverhältnismäßig bevorzugt wurde, ist die Kultur bei mageren 25 % der Kapazitätsauslastung. Einige hatten nun Hoffnung das auf 50 % aufgestockt wird, was heute um ca. 12:15 Uhr nun auch von Staatsminister Dr. Florian Herrmann verkündet wurde. Sein Leitmotiv dabei: „Vorsicht mit Augenmaß“ und immer schön „auf Sicht fahren.“ Dieses Augenmaß erlaubt der Staatsregierung nun also trotz der hochansteckenden Omikronvariante zumindest blaßgrünes Licht zu geben, so dass „Kunst, Kultur, Kino moderat die Kapazitäten erhöhen dürfen.“ Und zwar auf die vorher schon heiß und hoch gehandelten 50%, all das bei 2G+ und Maske.

Ingo Beckmann vom Konzertbüro Schoneberg reagiert darauf so: „Mit Partnern teilt man zu 50%, aber 50% Auslastung ist wie die aktuell geltende 25% Regelung ein kulturelles Feigenblatt und zeugt von 0% Verständnis von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und für die Veranstaltungsbranche. Abgesehen davon ist es genauso sexy wie zuhause tanzen. Die Veranstaltungsbranche läuft Gefahr, niemals wieder Ihren Break-Even zu erreichen.“

Mächtig Druck im Kessel

Auch bei Target Concerts-Booker Christian Kiesler der sich nach der Kabinettssitzung wie folgt positionierte, ist mächtig Druck im Kessel: „Naja, unser Hauptkritikpunkt der Ungleichbehandlung mit der Gastro, wird dadurch ja erstmal nicht wirklich behandelt, das eigentliche Problem also nur verschoben oder vertagt. Klar 50% sind besser als 25%, aber für die meisten freien Veranstalter und Kulturschaffenden wird das erstmal wenig an der aktuellen Situation ändern. Ich fände es super wenn wir einen Kulturminister hätten der wirklich für die Kultur kämpft, und eine derartige Herabsetzung der Kultur überhaupt erst gar nicht zulässt.“

Ja, das fänden wir alle super, keine Frage, außer wahrscheinlich der angesprochene selbst: Bernd Sibler. Unverständnis allerorten also, und auch Danny Kufner von polarkonzerte zeigt sich enttäuscht: „50% bringen mir für `polarkonzerte´ gar nichts. Die Konzerte sind dann immer noch nicht wirtschaftlich darstellbar. Einige der Konzerte sind ja mittlerweile auch schon ausverkauft. Also 100% Auslastung. Man kann da nicht einfach zwei Shows draus machen. Also wird weiter verlegt, geschoben und abgesagt. Also als klares Signal kann ich das für mich nicht wahrnehmen. Es ist sehr frustrierend.“

Und auch Markus Sporrer vom Clubzwei springt ihr zur Seite: „Alles gequirlte Scheiße. Mich interessiert einzig und allein der Stichtag im März/April ab dem wir irreversibel bei 100%iger Auslastung mit 2G+ starten können. Sollte es bis dahin übergangsweise mit 50% (+ entsprechender Hilfeleistungen) laufen, nehme ich das meinetwegen schon mit, anstatt beim Nixtun zu verblöden. Im Grunde genommen ist das alles blinder Aktionismus und Willkür. Gut, dass unser Milieu damals so viel Grips hatte und die großen oder internationalen Acts wohlerwogen nicht in den aktuellen Winter gezirkelt hat, sondern eben erst ins zweite Quartal, um bei virenfeindlicheren Temperaturen auf ein geboostertes Publikum zu treffen. Mehr können wir nicht mehr tun: S.O.S.! Save our Souls!“

„Anpassen und aufpassen!“

Für Gesundheitsminister Klaus Holetschek hingegen sei „Anpassen und aufpassen!“ das Gebot der Stunde und gibt zu: „Wir stehen im Nebel.“ Zur Aufklärung steuert er erfreulicherweise allerdings ein paar Zahlenbeispiele bei: So lag die Inzidenz am 26.11.2021, also zu schlechten alten Delta-Zeiten, bei 652,5 und die Auslastung der Intensivbetten in Bayern bei 1081. Nun so Holetschek weiter: „War die Inzidenz am 20.1.2022 bei 661 und die Auslastung der Intensivbetten vier Tage später bei 340.“ Was er damit vielleicht vorsichtig anzudeuten versucht ist vermeintlich die bereits in Spanien angedachten „Grippalisierung“ der Omikronvariante, denn 741 weniger Intensivbelegungen bei fast gleicher Inzidenz sprechen eine klare Sprache.

Ein vernünftiger Gedanke übrigens, diese „Grippalisierung“, zumal dann wenn man weiß, dass laut Gesundheitsminister „Omikron ein leichteres Krankheitsbild abgibt und somit eine weitaus geringere Hospitalisierung“ notwendig mache. In Prozenten: Drei unterschiedlichen Studien zufolge sei für Geimpfte/Geboosterte das Risiko (bei einer Omikroninfektion) einer Hospitalisierung um 52-67 % und eine notwendige Aufnahme in die Intensivpflege um 67-74 % geringer. Darüberhinaus liege die „Beatmungsquote“ irgendwo zwischen 84-100 niedriger als bei Delta.

Den Konzertveranstaltern leider hilft das alles nicht weiter, glaubt man Ralf Binder vom Muffatwerk: „Auch wenn der Best-Case der Ankündigung kommt, also 50%-Auslastung ohne Abstand wird es nicht möglich sein wirtschaftlich zu veranstalten, der Break-Even-Punkt von unsubventionierten Veranstaltungen liegt leider in einem höheren Prozentbereich. Die Frage nach dem Spaß bei Maske und 2G+ bleibt natürlich auch noch zu beantworten, aber die Frage stellt man wohl besser dem kulturinteressierten Publikum. Ich vermute wir werden noch ein Weilchen in Wartestellung verharren müssen.“

Resignation macht sich breit

„Verharren“ also, oh ja, das vermutet folgerichtig wohl nicht nur Ralf Binder sondern flächendeckend wohl alle Freund:innen von Rock- und Popmusik-Events. Es ist und bleibt ein Trauerspiel und der spanische Gedanke zur Umdeutung in Richtung „Grippalisierung“ erscheint eben nicht verharmlosend sondern - unter Einbeziehung der neuesten Erkenntnisse - eher logisch und dringend geboten. Denn kommen wir demnächst, auch längerfristig, nicht in einen Normalmodus, hat sich das mit der Popkultur vielleicht schon bald ganz erledigt und es bleibt nur ein letztes: „When you‘re gone / How can I even try to go on? / When you‘re gone / Though I try, how can I carry on? … Nothing else can save me, S.O.S.“

Autor: Gerald Huber

Und hier noch alle O-Töne in aller Ausführlichkeit:

Markus Sporrer (CLUBZWEI Konzert KG & Muffatwerk): „Alles gequirlte Scheiße. Mich interessiert einzig und allein der Stichtag im März/April ab dem wir irreversibel bei 100%iger Auslastung mit 2G+ starten können. Sollte es bis dahin übergangsweise mit 50% (+ entsprechender Hilfeleistungen) laufen, nehme ich das meinetwegen schon mit, anstatt beim Nixtun zu verblöden. Wäre auch privat brauchbar, wenn man dadurch für Sauna und Fitnessstudio nicht mehr 45min anstehen muss. Aber im Grunde genommen entstehen derlei Maßnahmen ohne jede panoramatische Begabung, sondern sind blinder Aktionismus und erfolglose Willkür. Gut, dass unser Milieu damals so viel Grips hatte und die großen oder internationalen Acts wohlerwogen nicht in den aktuellen Winter gezirkelt hat, sondern eben erst ins zweite Quartal, um bei virenfeindlicheren Temperaturen auf ein geboostertes Publikum zu treffen. Mehr können wir nicht mehr tun und so verbleibe ich in robuster Nettigkeit: belohnt uns endlich! SOS! Save our Souls!“

Frank Bergmeyer (Propeller Music GmbH): „Das ist alles Quatsch. Ich zahl drauf bei 25, bei 50 und sogar noch bei 75%. Ein staatlich oder städtisch subventioniertes Theater kann sich das wahrscheinlich leisten, nicht aber wir freien Privatunternehmer. Wir brauchen zumindest die Möglichkeit der 100-prozentigen Auslastung, alles andere macht keinen Sinn! Und die Bands wollen ja auch volle Venues. Wir haben keinerlei Lobby und ehrlich gesagt glaube ich auch nicht, dass die Politik unser Geschäft auch nur im Ansatz begriffen hat. Bis heute nicht. Ehrlich gesagt fühlen wir uns im Stich gelassen und verarscht.“

Ingo Beckmann (Konzertbüro Schoneberg): „Ich möchte darauf polemisch in Veranstalterjargon antworten. Ist ähnlich Latein eine immer weniger gesprochene und noch weniger verstandene, aber hoffentlich nicht aussterbende Sprache. Mit Partnern teilt man zu 50%, aber 50% Auslastung ist wie die aktuell geltende 25% Regelung ein kulturelles Feigenblatt und zeugt von 0% Verständnis von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und für die Veranstaltungsbranche. Abgesehen davon ist es genauso sexy wie zuhause tanzen. Die Veranstaltungsbranche läuft Gefahr, niemals wieder Ihren breakeven zu erreichen. Die Kosten der Pandemie werden zunehmend ungleicher verteilt. Seit März 2020 (!!) hat erst der neue, unbekannte Player Covid und mittlerweile der Umgang mit diesem bereits genug Existenzen und Lebensfreude gekostet und bedroht mit jedem Tag weitere. Das ist gesamtgesellschaftlich so, trifft aber insbesondere auf alles zu, was Spaß macht. Ich wünsche mir 100% auf, vor und hinter jeder Bühne, Tanzfläche, Bar und Leinwand. Und zwar sofort. Over and out!“

Christian Kiesler (Target Concerts GmbH): „Naja, unser Hauptkritikpunkt der Ungleichbehandlung mit der Gastro, wird dadurch ja erstmal nicht wirklich behandelt, das eigentliche Problem also nur verschoben oder vertagt. Klar 50% sind besser als 25%, aber für die meisten freien Veranstalter und Kulturschaffenden wird das erstmal wenig an der aktuellen Situation ändern. Ich fände es super wenn wir einen Kulturminister hätten der wirklich für die Kultur kämpft, und eine derartige Herabsetzung der Kultur überhaupt erst gar nicht zulässt.“

Danny Kufner (polarkonzerte): „50% bringen mir für polarkonzerte gar nichts. Die Konzerte sind dann immer noch nicht wirtschaftlich darstellbar. Einige der Konzerte sind ja mittlerweile auch schon ausverkauft. Also 100% Auslastung. Man kann da nicht einfach zwei Shows draus machen. Also wird weiter verlegt, geschoben und abgesagt. Also als klares Signal kann ich das für mich nicht wahrnehmen. Es ist sehr frustrierend.“

Ralf Binder (Muffatwerk): „Aktuell gilt 25%-Auslastung mit 1,50 m Abstand zwischen Haushalten, und 1,50 m Abstand bedeutet im Muffatwerk eine mögliche Auslastung von nur ca. 20%, in anderen Venues wird das ähnlich sein. Leider wurde in Zusammenhang der angekündigten vielleicht kommenden 50%-Auslastung nicht gesagt ob die Abstandsregel damit aufgehoben wird, ob das auch für unbestuhlte Konzerte gilt oder nur für bestuhlte Kulturhäuser. Bei der Aussage des Kulturministers bleibt viel Deutungsspielraum. Auch wenn der Best-Case der Ankündigung kommt, also 50%-Auslastung ohne Abstand wird es nicht möglich sein wirtschaftlich zu veranstalten, der Break-Even Punkt von unsubventionierten Veranstaltungen liegt leider in einem höheren Prozentbereich. Die Frage nach dem Spaß bei Maske und 2G+ bleibt natürlich auch noch zu beantworten, aber die Frage stellt man wohl besser dem kulturinteressierten Publikum. Ich vermute wir werden noch ein Weilchen in Wartestellung verharren müssen.“