Was früher der Januar oder August waren, ist jetzt der Juni: ein Gurkenmonat in Sachen Live-Jazz – Highlights gibt es trotzdem ein paar.
Nir Felder
Noch hat niemand „Nir Felder – Gitarrengott“ auf irgendeine Wand gesprüht. Dabei kommt der Amerikaner mit israelischen Wurzeln am 28. Juni eigentlich direkt aus dem Olymp zu einem Konzert in die Unterfahrt. Himmlisch ist, wie er diverse Genres zu einem unverkennbaren Stil bündelt. Und dann ist da noch seine göttliche Technik, die nichts mit der vertikal ausgerichteten Fingerengführung zu tun hat, die die meisten seiner Kollegen praktizieren. Nir Felder ist ein Glissando-Meister, einer, der sein Spiel zur aufregenden, pfiffigen und höchst filigranen Rutschpartie am Gitarrenhals macht. Er lacht: „Das ist auf natürliche Art entstanden und hat auch damit zu tun, dass ich Autodidakt bin.“ Von Vorteil für den heute so gesuchten Session-Musiker war übrigens, dass er niemanden nachzuäffen versuchte, als er sich sein Instrument erschloss. „Den Ehrgeiz oder Drang hatte ich nie. Deshalb musste ich später auch nichts aus meinem musikalischen Vokabular streichen. Ich finde, die Gitarre ist ein gutes Instrument für Individualität.“
Seine Einzigartigkeit als Gitarrist hat der heute 42jährige Nir Felder bereits an der Seite von Jack DeJohnette, Greg Osby, Stanley Clarke, Me´Shell NdegéCello, George Duke, Ronnie Laws oder Terri Lyne Carrington effektvoll eingesetzt – und das, was er als Sideman an Erfahrungen mitnehmen konnte dann in seine eigene Musik eingebaut. Die geht einerseits fast verschwenderisch mit Akzenten und Tönen um, weiß aber auch immer, wann sie Luft holen muss, wann Pausen nötig sind, wann es geboten ist, Raum zu lassen.
Nir Felders Kompositionen sind ein Mix aus Jazz, Fusion, Rock, Indie und Funk. Diese Genres sind bei ihm so nah beieinander, dass niemand auf die Idee käme, sie auseinander dividieren zu wollen. „Ich bin sehr an universellen Dingen interessiert, am Großen Ganzen. Musik darf ruhig komplex sein, solange sich das Gesamtbild organisch anhört. Wenn allerdings nur Details da sind, nur Bäume und kein Wald, dann fühlt es sich für mich kalt an“, sagt der in New York City geborene Nir Felder, der in einem Kaff namens Kantonah aufwuchs und für den MTV zunächst sein Fenster zur musikalischen Außenwelt war.
Wenn Nir Felder jetzt mit dem Bassisten Michael Janisch und dem Schlagzeuger Gary Novak in München spielt, erwarten uns klare, nachvollziehbare Melodien, die der Gitarrist mit verschachtelten Akkordfolgen und rhythmischem Aberwitz unterlegt.
Jazz-Tipps
Das niq kollektiv, in dem einige der kreativsten jungen Musiker Münchens aktiv sind, versteht sich als „Netzwerk- und Austauschplattform für die Münchner Szene“. Jetzt gibt das Ensemble in der Black Box im Fat Cat ein Konzert und lädt dafür auch den Hamburger Schlagzeuger Silvan Strauß mit Salomea und die Münchner Formation ENDERN ein (27.5.).
Wahnsinn, dieser Jazz-Nachwuchs hier in München – bestens ausgebildet am Jazz-Institut der Hochschule für Musik und Theater, von umsichtigen, empathischen und höchst engagierten Lehrern. Was die ihren Schützlingen mitgegeben, was sie aus ihnen herausgekitzelt haben, wird sich nun am 4., 11. und 18. – 20. Juni bei öffentlichen Prüfungs- und Abschlusskonzerten in der Unterfahrt zeigen. Eigentlich sind ihre Eleven längst professionell unterwegs und in der hiesigen Szene etabliert, sind die Examens-Gigs einfach schöne Rituale – und doch ist es wichtig, dass das Studierende irgendwie amtlich wird.
Jazz+ mit Wanja Slavin in der Seidlvilla

Der Saxofonist und Komponist Wanja Slavin gehört seit vielen Jahren zu den Jazzmusikern in Deutschland, von denen immer wichtige Impulse ausgehen. Sein neuestes Projekt libelle ist eine Art Gegenreaktion auf die sich immer stärker ausweitende und gar nicht mehr so schöne neue Welt, auf KI-Generiertes. Mit dem Posaunisten und Pianisten Johannes Lauer, dem Gitarristen Bertram Burkert, Lucy Liebe an Bass, Gitarre und Synth und Maximilian Stadtfeld am Schlagzeug will er bei „Jazz+“ in der Seidlvilla nun etwas leisten, was die Künstliche Intelligenz bisher nicht zu produzieren vermag, will er unmittelbare, improvisierte Musik spielen, die vom Instinkt, von Geistesblitzen und überraschenden Strukturen lebt (10. Juni).
Robinson Khoury in der Unterfahrt
Bei namhaften Festivals hat der französische Posaunist Robinson Khoury mit seinem Trio Mÿa jüngst tüchtig abgeräumt, weil sich da viele Gegensätze aufs Schönste, aufs Schlüssigste vereinten. Orient und Okzident, Europäisches und Maghrebinisches, Archaisches und Zeitgenössisches, Jazz und Pop feiern in seiner Musik miteinander ein ausgelassenes Fest – zu hören in der Unterfahrt, am 13. Juni.