1. Startseite
  2. Gastro
  3. Restaurants

La Bohème: Heimat für Freigeister

Das La Bohème in der Leopoldstraße
Das La Bohème in der Leopoldstraße © -

Mit dem La Bohème hat das „Schwabinger Tor“ schon mal eine Adresse, für die sich ein Abstecher in den Norden des ehemaligen Künstlerviertels lohnt.

Während die Avantgarde durch Normverstöße in ihrer Kunst provoziert, provoziert die „Boheme“ durch gegenbürgerliche Lebensführung, steht im Anschreiben des Restaurants. Ganz so aufsehenerregend, wie um die vorletzte Jahrhundertwende, ist die „Subkultur intellektueller Randgruppen“ heutzutage, wo fast alles erlaubt ist, zwar nicht mehr, aber im extravaganten Interieur der gleichnamigen Lokalität auf eindrucksvolle Weise gegenwärtig.

Jetzt online reservieren via Bookatable by Michelin

Die detailverliebte Mischung aus Art Deco, Vintage-Möbeln, Graffiti und Comickunst paart sich mit modernster Küchentechnik und klassischer Barkultur – Hobbymagier und Geschäftsführer Michael Urban hat sich hier ein eigenes Reich geschaffen. Urban ist gelernter Koch und stammt aus einer Gastronomiefamilie, die den Klostergasthof in Andechs bewirtschaftet. Kein Wunder, dass sich der mittlerweile 27jährige bereits früh für eine Gastro-Karriere entschied, sein beruflicher Werdegang kann Stationen in der Sternegastronomie bei Johannes Kling, Martin Fauster und Juan Amador vorweisen.

Doch damit nicht genug: nach seiner Lehre absolvierte er parallel zu seiner Tätigkeit als Geschäftsführer des Strandbads Seewinkel ein Betriebswirtschaftsstudium mit Schwerpunkt Marketing. Die Voraussetzungen ein zukünftiges gastronomisches Flagschiff im völlig neu gebauten Viertel „Schwabinger Tor“ im Norden des Stadtteils zu führen, sind also ausreichend gegeben.

Dass Michael Urban auch noch ein hervorragender, kompetenter und bescheidener Gastgeber ist, bewies er anlässlich einer Einladung in kleiner Runde für Presse, Kochbuchautoren und Weinkenner (Monika Kellermann, Jens Priewe), um sich und sein Restaurant vorzustellen. Ein Sieben-Gänge-Menü mit Weinbegleitung stand auf dem Programm, dieses findet sich, wie auch die einzelnen Gerichte, auf der Speisekarte wieder.

Klassisch und modern

Nach einem Löffel-Intro aus mit Piment gewürzten, pikanten Algen, wurde der erste Wein gereicht, ein Riesling „Hallgarten Hendelberg“ 2015 von Peter Jakob Kühn. Frisch im Glas mit einer angenehmen Säure kann er den ersten Gang „Jakobsmuscheln und dreierlei vom Kürbis“ elegant begleiten. Leider fällt es Anfang des neuen Jahres schwer, dem durchaus gelungen zubereiteten Kürbis noch viel abzugewinnen, dafür überzeugte die Qualität der Muscheln und die liebevoll angerichtete, aber mittlerweile wohl unverzichtbare Schieferplatte.

Es geht weiter mit einer perfekt zubereiteten Hummer-Bisque, in die ein Bällchen asiatisch gewürztes Garnelen-Tatar eingelegt wurde - ob das Gericht den philippinischen Wurzeln von Urbans Küchenchefin Lilian Schumann geschuldet ist, weiß man nicht, jedenfalls war es das erste Highlight eines schönen Abends. Dazu servierte Urban passend einen Chardonnay „Löwengang“ von Alois Lageder, eine gute Wahl, die natürlich hervorragend zur Hummersuppe passte.

Ziemlich mächtig mundete das Bio-Stunden-Ei (wird bei 62-64 Grad eine Stunde lang gegart, um seine cremige Konsistenz und den unverwechselbaren Geschmack zu bekommen) mit Babyspinat, Nussbutter-Hollandaise und schwarzem Trüffel – ein modisches Gericht, aber wie aus der Zeit gefallen, das von einem Grünen Veltliner „Qvevre“ vom Bernhard Ott begleitet wurde. Ein Wein, der nach antiken Vorbildern in verschieden großen Amphoren gekeltert wird, die in den Löss eingegraben werden. „Orange“-Wein ist und bleibt Geschmacksache, einige am Tisch hätten dann doch Otts „Fass 4“ oder ähnliches bevorzugt.

Doch Urban ist ein junger und progressiver Gastronom und so muss man anerkennen, dass er auch neue Wege in der Kombination von Speis und Trank einschlagen möchte.

Service am Tisch

Schön ist auch, dass er den Tischservice wieder aufleben lässt: zu einem Pecorino von der Tanuta I Fauri aus den Abruzzen löst er einen großen Branzino (Wolfsbarsch) aus der Salzkruste, filetiert ihn und serviert den perfekt gegarten Fisch auf eine Graupen-Risotto mit Gemüsestückchen. Wunderbare einfache italienische Küche auf höchstem Niveau, fast schon erfrischend rustikal angerichtet.

Das gilt auch für den Fleischgang, die geschmorte Kalbsbacke mit Rosenkohl und Kartoffelpüree, getoppt von „Air Bags“, das sind Brösel von einer frittierten Schweineschwarte. Voller Geschmack auf der ganzen Linie, dazu gesellte sich ein Limoux 2012 von Plo Roucarels aus dem Languedoc, der schwere, dunkle nach Waldfrüchten und Pflaumen schmeckende Wein konnte hier gut mithalten.

Die köstlichen Crepes Suzettes hat der Gastgeber wieder persönlich am Tisch zubereitet, dazu gab es mit einem Birbet Malvira von Martin Hartweg einen fast schon spritzigen Süßwein aus dem Piemont.

Große Ambitionen

Das La Bohème hat eine eigene Mittags-, Bistro- und Abendkarte die ähnlich einer französischen Großstadt-Brasserie eine Vielzahl an Snacks, Suppen, Salate, Pasta, Flammkuchen, Ofenbrote, „Sharing“-Platten, Fleisch-, Fisch- und vegetarische Gerichte bis Austern und aufwendigen Menüs versammelt (die Preise sind von moderat bis gehoben: Mittagsgerichte um 9, abends Suppen 6-8, Vorspeisen 8-15, Hauptgerichte 19-30 Euro).

Hobbymagier Michael Urban möchte hier auch ein kulturelles Programm mit Musik, Zauberkunst und Varieté aufziehen, eine „zweite Heimat für alle Bohemiens wie Künstler, Lebemänner, Studenten, Arbeiter, Angestellte, Unternehmer und Freigeister“. Ein Ort schwebt ihm vor, der vom ersten Kaffee am Morgen bis spät nachts nach einem ausgelassenen Dinner schwer besucht wird.

Das muss es auch, denn nur dann kann auch das Konzept mit dem äußerst umfangreichen Speisenangebot aufgehen. Die Voraussetzungen wären wie gesagt da, jetzt kann man nur Glück wünschen und hoffen, dass das „Schwabinger Tor“ bald fertig gebaut wird und die Einladung annimmt.

Autor: Rainer Germann

La Bohème, Leopoldstraße 180, 80804 München
So-Fr: 11.30 bis 24, Sa: 18 bis 24 Uhr
www.boheme-schwabing.de