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Streichung von Kulturmagazinen beim BR: STÖRSENDER-Demo am 11. September

Das Funkhaus München des Bayerischen Rundfunk am Rundfunkplatz
Das Funkhaus München des Bayerischen Rundfunk am Rundfunkplatz © CC BY 3.0, Guido Radig

Auf BR 2 sollen diverse Kulturmagazine gestrichen werden. Dagegen regt sich nun Widerstand: Am kommenden Montag, den 11. September, wird um 11 Uhr vor dem Funkhaus demonstriert und ein „Offener Brief“ übergeben.

Es hat in der Kunst- und Kulturszene Bayerns und Münchens eingeschlagen wie ein zerstörerischer, gewaltiger Blitz: Der BR muss/will/soll sparen und das Programm umbauen, respektive muss/will/soll er jünger werden, somit also auch mehr in Social Media investieren, weswegen einige altgediente und heiß geliebte - und ja, manchmal auch sperrige - Formate dem Rotstift zum Opfer fallen sollen. So soll es der „KulturWelt“ genauso an den Kragen gehen wie dem Büchermagazin „Diwan“, der kultigen Weltmusiksendung „WeltEmpfänger“, dem „Kulturjournal“, „Nachtstudio“, „NachtMix“ und „radioTexte“.

Die Kulturtreibenden sind sich einig und sprechen über „kulturellen Kahlschlag“ und bezichtigen den öffentlich-rechtlichen Bayerischen Rundfunk seinem Bildungsauftrag nicht mehr gerecht zu werden. Unterstützung bekommen sie dabei von prominenter, auch politischer Seite, wie etwa der Schriftstellervereinigung PEN Berlin („Das freie Wort gerät noch weiter unter Druck, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht mehr, wie es seine verfassungsmäßige Aufgabe ist, seinem Bildungsauftrag nachkommt“), Kunstminister Markus Blume („Der Kulturbereich gehört zum Kernbereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“) und dem ehemaligen FDP-Innenminister und jetzigen Kultur-Rundfunkrat Gerhart Baum, der den öffentlich-rechtlichen Rundfunk immer wieder gerne und nachdrücklich an seine Kernkompetenz erinnert: „Kultur ist kein verzichtbares Luxusgut, sondern ein Lebenselixier der Demokratie.“ Der BR hingegen hält sich bedeckt oder flüchtet sich in halbgare Beschwichtigungen. Richtig Stellung bezogen hat von offizieller Seite noch niemand und Intendantin Dr. Katja Wildermuth ist ganz abgetaucht. Schlechten Still nennen das einige.

Nun, es handelt sich um ein schwebendes Verfahren. Klar ist aber auch, wenn sich die Kulturmacher nicht frühzeitig und gebührend zu Wort melden um auf die Misere aufmerksam zu machen, dann würde der Umbruch klammheimlich vollzogen und am Ende stehen etliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Straße und das „Kulturprogramm“ wird zwischen medizinischen Ratschlägen und tagesaktuellen Berichten über fränkische Weinfeste, Almauftrieb und Grießnockerl-Rezepten in kleinen Häppchen versendet. Diese Verschlechtbesserung, also die Kulturmagazin-Inseln abzuschaffen und deren Inhalte zerstückelt im Alltagsradio stattfinden zu lassen, stößt bei vielen Kulturschaffenden auf große Skepsis und in letzter Instanz natürlich auf Ablehnung.

Am kommenden Montag, den 11. September um 11:00 Uhr starten nun die Schriftstellerin Sandra Hoffmann, der Filmregisseur, Hörspielautor, Comicszenarist und Journalist Thomas von Steinaecker und die Chefin des Trikont Musikverlags und -labels Eva Mair-Holmes ihre STÖRSENDER-Demo: Treffpunkt ist um Punkt 11 Uhr beim BR-Funkhaus in der Arnulfstraße, von dort zieht die Demo dann mit der ExpressBrassBand, der Hochzeitskapelle und all den Musikerinnen & Musikern die Lust haben mitzuspielen, ums Eck in die Herbststraße. Dort werden dann, so Mair-Holmes „hochkarätige Reden geschwungen und Musik gemacht“ und nach ca. 40 Minuten wird dann der Offene Protestbrief übergeben, den alle Kulturinteressierten hier unterzeichen können und mit dessen Inhalt man sich hier im Anschluss vertraut machen kann.

Autor: Gerald Huber

Der „Offene Brief“ an den Bayerischen Rundfunk in ganzer Länge

Bayern 2: Kulturprogramm künftig ohne Kultur?

Mit großer Sorge nehmen wir Künstlerinnen und Künstler in Bayern die Berichterstattung über einen radikalen Umbau der Welle Bayern 2 zur Kenntnis. Mehrere Stunden eigenständiges Kulturprogramm sollen im Frühjahr 2024 im Zuge einer weitreichenden Programmreform verschwinden. Bayern 2, das Kulturradioprogramm des Bayerischen Rundfunks, verzichtet künftig unter anderem auf eine eigene Büchersendung. Damit gibt es keine Sendung mehr, die wöchentlich über das literarische Leben in Bayern mit seiner großen Verlagslandschaft berichtet, in den deutschsprachigen Raum blickt und ebenso Weltliteratur vorstellt. Auch soll eine Sendung wie das Kulturjournal eingespart werden – und damit, so der Untertitel, Formate wie „Kritik-Dialog-Essay“. Wo können wir diese Inhalte und Formen künftig hören und wahrnehmen, wenn es eine solche Sendung nicht mehr gibt? In einer Zeit, in der Lautstärke und Geschrei die öffentlichen Diskussionen bestimmen, ist die Abschaffung eine folgenschwere Entscheidung.

Der Wegfall eines großen Teils der Kultursendungen im Programm von Bayern 2 führt aus unserer Sicht auch dazu, dass wir Künstlerinnen und Künstler – Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Musikerinnen und Musiker, Regisseurinnen und Regisseure, Theatermacherinnen und Theatermacher, Architektinnen und Architekten, Bildende Künstlerinnen und Künstler und andere – künftig immer weniger Raum bekommen, um unsere Arbeit sichtbar und hörbar zu machen, um ein öffentliches Podium für sie zu haben. Wo aber soll man Kultur noch entdecken, wenn es kein Forum zum Entdecken mehr gibt? Kunst und Kultur müssen sichtbar sein, benötigen Expertise der Vermittlung. Darauf verweist auch der Medienstaatsvertrag, in dem – in den Bestimmungen zum Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, im § 26 – eine Berichterstattung insbesondere zur Kultur gesetzlich festgeschrieben ist.

Nach dem Bekanntwerden der Pläne zur Streichung eines Großteils der eigenständigen Kultursendungen im Programm von Bayern 2 erklärte Programmdirektor Kultur Björn Wilhelm in einem Interview, es werde nicht an der Kultur gespart. Angesichts der vielen Sendungen, die von den Verantwortlichen zur Disposition gestellt worden sind, ist dieses Argument wenig überzeugend. Eine von Herrn Wilhelm behauptete Stärkung der Kultur in einer sogenannten „Primetime“ streut Kulturbeiträge in eine Fläche. Zudem drohen aus unserer Sicht wichtige Kulturthemen, die als nicht tauglich für diese Primetime erachtet werden, ganz aus dem Programm des Kulturradios zu verschwinden. Die Programmreform geht zu Lasten der linearen Hörerinnen und Hörer, für die das Radio ein täglicher Begleiter ist, auch und besonders in kulturellen Fragen.

Im November 2021 – in der Corona-Pandemie – initiierte BR-Intendantin Katja Wildermuth öffentlich eine große „Kultur-Offensive“ – zur Stärkung der Kultur in einer für die Kunst und Kultur sehr schwierigen Zeit. Zwei Jahre später befürchten wir Künstlerinnen und Künstler in Bayern eine ganz andere Kultur-Offensive: das Ende einer eigenständigen kontinuierlichen und vertiefenden Kulturberichterstattung, das Ende von Debattenkultur, das Ende kultureller Themensetzung im Programm von Bayern 2. Die Entwicklung steht aus Sicht der hier unterzeichnenden Künstlerinnen und Künstler auch gegen die im Medienstaatsvertrag festgeschriebene besondere Rolle der Kulturberichterstattung in den Programmen des Bayerischen Rundfunks. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind Grundpfeiler unserer Demokratie und unverzichtbar für die Auseinandersetzung mit der Kultur. In einer Zeit, in der die Sender der ARD vielfach Gegenwind erfahren, werden ausgerechnet Kulturprogramme verändert und eingespart. Die ARD gibt damit einen Teil Ihrer Kernkompetenz auf. Aus unserer Sicht ist das ein falscher und fataler Weg.