Theater im Juli: Bevor die Hitze kommt

Auf diesen Bühnen putscht man sich mit Lebensfreude auf

Spitzenreiterinnen im Marstall

Jovana Reisinger, die auf dem Filmfest ihr Spielfilmdebüt vorstellt und im „Ortsgespräch“ darüber spricht, ist ein Multitalent. Und eine Frau von einer unbestechlichen scharfen Beobachtungsgabe. So porträtiert sie neue Frauentypen, die alle in und um München leben. Reisinger gibt ihnen die Namen von Frauenzeitschriften und seziert ihre Schwächen – mit dem Skalpell. Die Bühnenadaption zum Erfolgsroman hatte sie selbst geschrieben – zusammen mit Regisseurin Yana Eva Thönnes. (Marstall, 1.7)


Noch wach?“ im Zentraltheater

Ebenfalls ein viel beachteter, viel gekaufter Roman liefert Lea Ralfs die Vorlage für ihre Me-too-Reflexion, die auf dem wenig verschlüsselten Insiderbericht von Benjamin von Stuckrad-Barre über das toxische Männerregime im Großverlag Springer fußt. Es geht um eine junge Frau, die von einer Karriere in den Medien träumt und auch rasch eine erste Stelle bekommt. Doch dann pingt mitten in der Nacht das Handy – mit einer Nachricht von ihrem Chefredakteur, der sich für unwiderstehlich hält. (Zentraltheater, 2./2.7.)


#ActNow – Voices of Democracy im Volkstheater

Nicht nur reden und diskutieren – handeln! In Workshops, Diskussionsrunden sowie natürlich beim emanzipierten Spielen proben Münchner Schülerinnen und Schüler eine Art Aufstand – gegen die Trägheit und die Denkfaulheit. Es geht auf dem Festival mit Theater, Musik, Tanz, Film und Bildender Kunst um Lebendigkeit – und die Kraft, die in der Demokratie steckt. (Volkstheater, 1./2.7.)


Frieden Kriegen

Wie entstehen Konflikte – und was muss man lernen, um sie behutsam zu lösen? Der argentinische Regisseur Marelo Diaz hat sich an das große indische Nationalepos „Mahabharata“ gewagt – ganz nebenbei einer der längsten überlieferten Texte der Menschheitsgeschichte. Schon vor 2500 Jahren entstanden, steckt der Stoff voll kultureller, philosophischer, religiöser und nicht zuletzt literarischer Weisheit. Es geht darum, wie ein Generationenkonflikt immer weiter eskaliert. Daraus kann man lernen. Hoffentlich! (Schauburg 1./2./3./4. und 6.7.)


Doktor Mirakel im Gärtnerplatztheater

Ebenfalls eine reichlich durchgeknallte, alles andere als korrekt abgewickelte Liebesanbahnung: Laurette und Silvio sind in einander verknallt. Dumm nur, dass ihr Vater, der strenge Bürgermeister, die Beziehung verbieten will. Doch nicht nur in der Welt der Operetten hilft immer noch am besten eine Liste: Also serviert man dem Herrn Papa ein Omelett, das angeblich vergiftet ist. Silvio verkleidet sich als der titelge- bende Wunderdoktor: Er fordert 15.000 Dukaten – oder die Hand der Bürgermeistertochter für die rasche Heilung aus lebensbedrohender Situation. Drei Mal darf man raten, wie die Sache ausgeht. George Bizet gewann 1856 mit dem Stück einst einen Operetten-Wettbewerb, den kein Geringerer als Jacques Offenbach ins Leben gerufen hatte. (Gärtnerplatztheater 3./6./13. und 14.7.)


Der Barbier von Sevilla

Dass Gioachino Rossini ein gefeierter Opern-Komponist war, wusste man. Aber wer kennt ihn auch als leidenschaftlichen Koch und Feinschmecker? Auf dem Höhepunkt seiner Karriere beschloss der Mann aus dem italienischen Pesaro, seine zweite Lebenshälfte der Kulinarik zu widmen, wovon noch heute Gerichte „à la Rossini“ erzählen. Die schmissige Neuiszenierung seiner Oper durch Regisseur Florian Hackspiel beherzigt das: So kommt es zum Spiel im Spiel – im Restaurant „Der Schwan von Pesaro“. Ein Fest für alle Sinne – lecker! (Pasinger Fabrik 3./5./10./17./18. und 19.7., Open Air im Innenhof von Schloss Blutenburg 24. bis 29.7.)


Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt)

100 Minuten Weltliteratur im Schweinsgalopp: David Hang, Marina Granchette, Leon Sander und der unvergleichliche Weltösterreicher Christoph Theussl toben durchs Gesamtwerk des Barden – von den Komödien hin zu den Königsdramen. Sex, Crime and Shakespeare. (Hofspielhaus 3./5. und 26.7.)


Don Giovanni

Es ist die Oper der Abgründigkeit, die mit wun- derschönen Arien über dem Moralmorast schwebt. Natürlich kann man die Geschichte vom skrupellosen Verführer nicht auf die leichte Schulter nehmen. Schon gar nicht, da es ja Beweise gibt: Leporello, der zunehmend angewiderte Diener, führt ja die berühmt-berüchtigte Liste – das Register der Übergriffe. David Hermann hat erstmalig an der Staatsoper Regie geführt. Am Pult treibt Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski Sänger und Musiker durch eine Tür, die sich nicht mehr schließen lässt. Kein Zurück, kein Pardon! (Nationaltheater 4.7.)


Mosi – The Bavarian Dream

Ein Aufgehen in einer großen eigenkomponierten, selbstdirigierten Oper: Er war der Liebling der Schickeria und doch ein sehr einsamer Mann. Alexander Eisenach würdigt den großen Selbstdarsteller, der nicht nur dem Märchen- Kini nachfieberte, sondern auch volksnaher Wohltäter, Münchner Original und scheuer Ex- zentriker sein wollte, als großen, tragischen Künstler. „Das Leben als Theater. So wollen wir Mosi verstehen“, heißt es zum Stück. (Marstall 4./27.7.)


Isarmärchen

Sie war wirklich das, wovon Mosi nur träumte: Bally Prell war als Volkssängerin den Menschen wirklich ganz nah. Schon als Kind trat sie als „Schönheitskönigin von Schneitzlreuth“ oder eben im „Isarmärchen“ auf Brettl-Bühnen auf. Die Produktion von Johannes Brömmel, Alexander F. Hooper, Katrin Klose, Minami Nagai, Tom Smith und des Autors Sören Sarbeck ist ein Auftragswert der „Adevantgarde“ – und gleichzeitig ein großartiger Höhepunkt des Festivals. (Einstein Kultur 6.7.)


Gschichtn vom Brandner Kaspar

Himmel Herrgott: Das beliebte Volksstück mit dem Boandlkramer, der sich mit Schnaps abfüllen und dann über den Kartenspieltisch ziehen lässt, ist zurück. Franz Xaver Kroetz, bekannt geworden durch archaisch wuchtige Theatertexte, aber eben auch in der „Babi Schimmerlos“-Paraderolle, hat eine ganz eigene Brandner-Kaspar-Variante geschrieben. Und einen anderen grantigen großen Star bringt er gleich mit: Auch Günther Maria Halmer, geliebt seit seinen Tscharlie-Zeiten aus den „Münchner Geschichten“, spielt die Titelrolle. Die Inszenierung legt Philipp Stölzl als „großes Bilderbuch“ an, wie es in einer Regie-Anweisung von Kroetz heißt. (Residenztheater 8./20. und 27.7.)


Sound on!

Anna Konjetzky feiert ihr 20-jähriges Jubiläum als Choreografin – und hält sich mit jungen Leuten jung. Drei Tänzerinnen und Tänzer so- wie eine Sängerin knipsen im neuen Stück das Mikro an. Mit ihren Körpern, einer Live-Kamera, Beats und ihren Stimmen suchen sie ihren Platz in der Welt. Sie wollen gehört werden – und dabei anders sein dürfen. Es entsteht eine viel- stimmige Collage des Protests. Und der Poesie. (Hoch X 8./9.7.)


Tu was ich tu

Vielleicht hatte Eugène Ionesco ja recht: „Wer sich an das Absurde gewöhnt, findet sich in unserer Zeit gut zurecht“, sagte er – vor langem. Und doch trifft es den Nagel auf einen heutigen Kopf. Der Teamtheater-Jugendclub Tock Tock und die Musikerin Hannah Mie erkunden die Freiheit. (Teamtheater Tankstelle 9./10.7.)


10 Jahre Hofspielhaus

Auf geht’s zum großen Freiluftfest: Eine Dekade Schmuckstückeproduktionen und originelle Maximalunterhaltung auf minimalen Raum und überbordende Kreativität muss gefeiert werden. Ecco di Lorenzo & His Innersoul und die Haber Jazzband kommen auch. Anstoßen mit der liebenswertesten Intendantin der Stadt: Christiane Brammer! (Alte Münze, 11.7.)


Sankt Falstaff

Der österreichische Dramatiker Ewald Palmetshofer hat Shakespeares „King Henry IV“ umgeschrieben. Und was dabei herauskommt, geht an die Nieren. Nicht nur, weil Tunichtgut John Falstaff und der wilde Harri so viel bechern in Frau Flotts Containerkneipe. Es ist viel faul im Staate England. Und auf Männerfreudschaft ist nicht mehr wirklich Verlass. (Residenztheater 11./24.7.)


Kaltgestellt

Hochprozentiger Komödienspaß, der rührt und schüttelt – eiskalt serviert: Drei Freundinnen bleiben Monat für Monat ihrem eingespielten Ritual treu. Sie treffen sich zu köstlichen Snacks und scharfen Cocktails, plaudern über das Leben, und lästern natürlich über die Männer. Die sind gleich im Neben- raum – beschäftigt mit Zimmergolf. Doch dann der Schock: Plötzlich eisige Stille. Da wird doch nicht etwa was passiert sein? (Hofspielhaus 06.07., 20.07., 25.07., 27.07., 31.07)


Prima Facie

Wenn das Grauen, sonst professionell kühl betrachtet und bewusst vom eigenen Körper gehalten, plötzlich grausam nah kommt: Essa ist eine erfolgreiche Anwältin, die sich auf die Verteidigung der ganz bösen Buben spezialisiert hat. Sie springt dann in die Bresche, wenn es um den Vorwurf sexueller Übergriffe geht – und landet immer wieder überraschende Prozess-Siege. Doch dann wird Tessa selbst zum Opfer: Sie wird vergewaltigt. Und den Täter kennt sie nur zu gut: Es ist ein Kollege. Es kommt zum Entscheidungskampf – vor Gericht. Diesmal mit neuen, denkbar unbequemen Rollen. (Residenztheater, 12.7.)


Oh Schreck!

Ein Stück im Stück als Vixier- spiel – und ganz viele Bezüge zur Blutgier an der Maximilianstra- ße. Schon bei den Dreharbeiten zum Murnau-Film „Nosferatu“ tauchten Gerüchte auf, dass Max Schreck kein ganz gewöhnlicher Schauspieler war. An den Kam- merspielen war er ein Star der 20er-Jahre. Und es heißt, er hau- se angeblich noch immer in den Kellern. Aus den Tiefen der Unterbühne klettert er immer dann hoch, wenn sich die Kritiker über das angeblich „blutleere“ Theater echauffieren.Wersaugthierwen aus, um sich zu vitalisieren? „Man muss einen Vampir nicht spielen“, wusste schon F. W. Murnau. „Es genügt, einer zu sein.“ (Kammerspiele 13.7.)


Pygmalion

Du bist, wie du sprichst: Es ist eine Wette der alten weisen Männer. Professor Higgins gibt gegenüber seinem Freund mächtig an. Er behauptet, er könne aus der angeblich so derben Blumenverkäuferin Eliza Doolittle, die breites Cockney spricht, eine elegante Dame der angeblich so feinen Gesellschaft machen. Er setzt auf radikalen Drill. Womit er nicht gerechnet hat: Oh Wunder, Frauen haben ja doch einen eigenen Willen. Es darf gelacht werden. Span- nend ist, was der iranische Regisseur Amir Reeza Koohestani aus dem George-Bernard-Shaw- Stück mit dem besonders breitbeinigen Humor macht. „Der Kampf um die Definition ihres eigenen Selbst, ihrer eigenen Identität ist der Kern unserer Annäherung“, sagt er. (Cuvilliéstheater 14.7.)


Strawinsky in Paris

Klingt wie ein Kenner-Witz: Treffen sich zwei Komponisten in einer Stadt – und dann? George Gershwin und Igor Strawinsky wirken tatsächlich wie zwei Künstler, die eigentlich nicht unterschiedlicher sein könnten. Und das nicht nur, weil er eine aus den USA stammte und daran arbeitete, den Jazz Klassik-fähig zu machen und nicht nur neue Rhythmen, son- dern auch Saxophon oder Autohupen ins Or- chester holte. Der russische Neutöner sorgte mit dem Ballet für „Le Sacre du Printemps“ für einen Sensationsskandal. Was beide dann doch einte: ihre Liebe zu Paris, die Gershwin etwa zur Tondichtung „An American in Paris“ inspirierte. 1925 trafen die beiden Musikgenies erstmalig zusammen – 100 Jahre später kommen sie auf der Bühne, für einen zweiteiligen Ballett-Abend erneut in Kontakt. (Gärtnerplatztheater 17./19./23./25. und 27.7.)


Die Csárdásfürstin

Vom süßen Rausch der Ballnächte: Komponist Emmrich Kálmán tänzelt mit dem Publikum zurück in die Welt der k.u.k-Monarchie, in der sich ein schneidiger Wiener Offizier hoffnungs- los in eine Sängerin verliebt, die ihm seine El- tern und die Vorgesetzten beim Militär unbedingt ausreden wollen. Was nun? Die Operette findet eine Lösung. (Deutsches Theater 16. bis 20.7.)


Die Türe nebenan

Ohne Musik, dafür mit mindestens genauso viel Leidenschaft wird in der flotten Gesellschaftskomödie von Fabrice Roger-Lacan geflirtet, geliebt – und durchgedreht. Auf einem Flur leben zwei Singles, die sich gegenseitig nicht ausstehen können. Und doch sind beide einsame Herzen, suchen in den Tiefen des Internets nach der Liebe. Als sie endlich Partner gefunden haben, ist die Verwirrung groß. Türen werden geknallt, öffnen sich aber auch. (Theater Und so fort ab 17.7.)


Pénélope

Alle Welt redet von den Irrfahrten, Abenteuern und Extratouren des listigen Troja-Kriegers Odysseus. Doch dass eine Frau allzu lange in Ithaka auf dem sich immer wieder verspäteten Heimkehrer warten musste, wird viel zu wenig gewürdigt. Pénélope hat die Faxen dicke, die Werbeversuche der vielen Männer, die sie für sich gewinnen wollen, werden zunehmend lästig. Es herrscht angespannte Stimmung in der Oper von Gabriel Fauré, der im Paris des 19. Jahrhunderts vor allem für seine Kunstlieder und seine Kammermusik geschätzt wurde. Seine einzige Oper hat es nun erstmalig in den Spielplan der Staatsoper geschafft – als ein Höhepunkt der Opernfestspiele. (Prinzregententheater 18./21./23. und 26.7)


Reinheit

Erinnert sich noch wer? Fünf Jahre ist es her, als die Welt von Null auf gleich zum unfreiwilligen Stillstand kam. Der Schauspieler Jan Jaroszek rekonstruiert im Stück von Oliver Zahn detailgetreu den Wahn der Covid-Tage – und den Waschwang, den viele Ängstliche während des Lockdowns entwickelten. (Hoch X 18./19.7.)


Wood Wood Wood – Nothing’s Ever Good

Es gibt eine lange Tradition in Deutschland, die Wälder ro- mantisch zu verklären. Christiane Huber sieht das in ihrer Performance ganz anders. Sie interpretiert den urwüchsigen Bialowieza-Wald an der abgelegenen Grenze zwischen Polen und Belarus als eine unheimliche Art von Klang-Speicher. Hier sind Stimmen aus Gegenwart und Vergangenheit verborgen, die Huber wie auf einer geheimnisvollen Schallplatte wieder zum Sprechen bringt. Es geht um die Gewalt gegen Jüdinnen und Juden während der Zeit der deutschen Besetzung, aber auch um die Migranten-Schicksale an der aktuellen Europa- Außengrenze. Und natürlich hört und spürt man auch die Schmerzen von Tieren. (Kammerspiele 18./19.7.)

Sechs Personen suchen einen Autor

Ein Wiedersehen mit dem noch immer avantgardistischen Klassiker von Luigi Pirandello, der die Konventionen von Rea- lität und Fiktion auf der Bühne radikal, aber eben auch spie- lerisch in Frage stellt: Die Darsteller fordern eine Vollendung ihrer Geschichten ein. Doch das ist erst der Ausgangspunkt (Teamtheater Tankstelle, 23./24./25. und 26.7.)

The Judgement of Paris

Was er auch macht: Das kann nur schiefgehen. Man nehme: Drei Göttinnen, einen goldenen Apfel – und ein folgenschweres Urteil. Der Hirte Paris muss sich zwischen den Reizen und verlockenden Versprechungen von Hera, Athene und Aphrodite entscheiden. Als er seine Wahl getroffen hat, nimmt das Unheil seinen Lauf. Paris löst den Trojanischen Krieg aus. Thomas Arne hat sich ein Libretto des englischen Dichtes William Congreve vorgenommen, das einst als Ausgangspunkt für einen Komponistenwettstreit in London diente. (Akademietheater 21./23. und 24.7.)

MUT – Wettbewerb für Musikalisches Unterhaltungstheater

Zum Juli-Finale gibt’s dann noch ein beachtliches kreatives Kräftemessen: MUT ist das Kurzwort für den „Wettbewerb für musikalisches Unterhaltungstheater“, eine Veranstaltung, die am Gärtnerplatztheater schon 2015 ins Leben gerufen wurde. Es geht darum, herausragende Talente aus den Sparten Operette, Musical und Chanson zu entdecken – und zu fördern. Nach Casting-Vorrunden in Berlin, München und Wien treten nun die vielversprechendsten 18- bis 28-Jährigen auf der prachtvollen Opern-Bühne auf. (Gärtnerplatztheater, 28.7.)