Ortsgespräch: Thomas Bohnet, Tour de France

Botschafter des guten Geschmacks: Thomas Bohnet feiert mit seiner „Tour de France“-Reihe am 12. September eine große Tanzparty in der Muffathalle.

Herr Bohnet, Ihre tolle Tour-de-France-Reihe feiert ihren 25. Geburtstag und ist aus dem Party- und Konzertkalender der Stadt nicht mehr wegzudenken. Wie kamen Sie denn eigentlich dazu – und zum Auflegen von so coolen Songs?

Ich mache das schon ewig. Ich bin allerdings erst seit 1998 in München – damals hatte ich schon 14 Jahre lang aufgelegt.

Immer schon französische Musik?

Nein, nicht unbedingt. Schon als ich in Konstanz studiert habe, habe ich aufgelegt – alles Mögliche, Indie, Hip-Hop, viele Stilrichtungen. Ich war ein relativ bekannter DJ rund um den Bodensee. Dann zog ich nach München. Damals dachte ich mir: Ach, die Münchner warten sicher nicht auf einen DJ, der mit 40 hier auftaucht. Also legte ich erst mal eine Pause ein.

Wie schade. 

Ich stand vorher fast 15 Jahre regelmäßig an den Plattentellern. Natürlich wurde es mir ohne rasch wieder langweilig. 

Wie kam es dann zu dem Französischen?

Meine Idee war: Ich wollte in München etwas machen, was niemand macht. Schon in Konstanz hatte ich tatsächlich mal so eine regelmäßige Party-Reihe, die hieß Easy Listening/Relaxed Clubbing. An einem Abend hatte ich mal nur französisch aufgelegt und den Abend damals schon „Tour de France“ genannt.

Thomas Bohnet (c) Karin Bohnet

Prima Name. 

Einfach und einleuchtend. In München war das eine echte Lücke. Also habe ich zuerst im Club 2, wo ich regelmäßiger Stammgast war und wo es ja auch DJs und Bandauftritte gab, die damaligen Betreiber Ivi und Tobi gefragt, ob ich mal auflegen könnte. Sie meinten nur: Klar, doch. Bring deine Platten mit. Was willst du denn machen? Tour de France. Auch gut, mach das!

Ein schöner Startschuss.

Ich kannte ja auch ein paar Franzosen hier in München. Und eine meiner Freundinnen, Stephanie Baudart, versprach mir, dass sie ihre ganzen Franzosenfreunde einladen würde. Am ersten Abend im Club 2 kamen schon zwischen 30 und 40 Leute, auch wenn das damals noch eine Listening-Geschichte war.

Zum Zuhören?

Ich habe Songs aufgelegt. Groß getanzt hatte damals noch niemand. Schnell hieß es: Mach das nochmal! Und so wurde dann eine monatliche Reihe daraus. Die Tour de France hat sich rasch herumgesprochen – und es wurde voller und voller. Dann erschienen auch die ersten Artikel in der Münchner Presse. Es wurde schließlich so bumsvoll, bis wir irgendwann die Tür zumachen mussten, weil immer mehr Leute reindrängten. Nach zwei Stunden wurden die Tische beiseite geräumt – und die Leute fingen an zu tanzen.

Wie erklären Sie sich, dass auf der einen Seite Ihre Musik ja offensichtlich Türen eingerannt hat, auf der anderen Seite französische Musik im Club-Mainstream nicht so sehr die große Rolle spielt?

Es hilft natürlich, dass in München sehr viele Franzosen leben. Sie sind – in Anführungszeichen, versteht sich – nationalistisch. Ich spiele ja nicht nur Musik aus Frankreich, sondern auch viel Frankophonie-Musik.

Heißt?

Fest dazu gehört natürlich die tolle Musik aus den ehemaligen Kolonien – Arabisches und Afrikanisches. So kann ich in der Breite Musikstile abbilden. Franzosen bemerken das sehr genau und sagen sich: Ah, da spielt unsere Musik – da gehen wir hin! Wir sind ja dann vom Club 2 in die Muffathalle umgezogen. Da wurde es dann eine richtige Tanzparty – lange Zeit war es wirklich 50-50, also eine Hälfte Franzosen und die andere Hälfte Deutsche.

Begeisterungsfähige Leute – mit großer Neugierde.

Ich weiß nicht, warum vorher niemand darauf gekommen ist. So ganz leicht ist es allerdings auch nicht. Man braucht schon ein Publikum, das offen ist. Ich spiele Rock, Pop, Hip-Hop, Afrikanisches, Arabisches, Disco, House – ein bisschen von allem und alles durcheinander. Da muss man schon auf Leute treffen, die so einen Mix schätzen – und aushalten. Aber jeder kann ja auch mal an die Bar gehen und sich kurz ein Getränk holen, sollte ausnahmsweise gerade mal nicht sein Lieblingsgenre gespielt werden.

Nicht nur zur großen Jubiläumsparty, sondern auch sonst immer wieder, präsentieren Sie ja auch tolle Live-Bands.

Na klar, das sind für mich immer wieder Highlights – und oft ein Wiedersehen mit engen Bekannten, sogar Freunden. Die französischen Livebands haben bei den Jahrespartys einfach Tradition. So feierten wir anno 2013 in der komplett ausverkauften Muffathalle 13 Jahre Tour de France mit dem Pariser Rockstar Mathieu Chedidi („M“). Das war bis dato der größte Erfolg der Reihe. Diesmal, am 17. September, sind zwei Livebands dabei: Unsere „Lieblings-Pariser“ Les Yeux d’la Tête, die schon in den vergangenen Jahren die Halle zum Beben brachten und die Ende 2025 ein neues Album veröffentlichen werden. Und erstmals kommt die ebenfalls aus Paris stammende Band Jagas, die auch indirekt einen coolen München-Bezug hat.

Ach ja, inwiefern?

Sie hat unlängst mit einer französischen Coverversion des Konstantin-Wecker-Hits „Sage Nein“ („Dis Non“) auf sich aufmerksam gemacht. Wecker selbst hat dafür sein „Okay“ gegeben!

Ein bisschen ist das ja auch Kultur-Arbeit.

Das ist mir auch ganz wichtig. Ich bin ja im weiteren Grenzgebiet im Nordschwarzwald aufgewachsen. Straßburg ist da nur 50 Kilometer entfernt. Das Miteinander von Deutschland und Frankreich war schon immer eine nicht ganz einfache Geschichte. Ich finde es toll, dass es die deutsch-französische Freundschaft gibt, die ja nicht selbstverständlich ist. Und so lange ist das alles noch gar nicht her – erst 80 Jahre. Und bei meiner Party treffen sich Franzosen und frankophile Deutsche.

Letzte Frage: Man kennt sie als bescheidenen Menschen, der sich nicht unbedingt ins Rampenlicht drängt. Trotzdem: Wird es langsam nicht mal Zeit für einen Kulturaustauschorden – für Verdienste um das deutsch-französische Miteinanderfeiern?

Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Außerdem müsste mich ja wohl jemand für so einen Orden vorschlagen. Aber Nein würde ich dazu vermutlich nicht sagen.

Musikkenner der genialen Klänge: THOMAS BOHNET ist seit 1984 als DJ im Einsatz. Der Konzertveranstalter und Musikjournalist arbeitete oder arbeitet unter anderem für Medien wie Musikexpress, Spex, taz, Süddeutsche Zeitung, die Zürcher Wochenzeitung WoZ, das Schweizer Musikmagazin Loop und natürlich das In München. Seit 24 Jahren hat er sich als DJ auf französische und frankophone Musik spezialisiert. Am 17. September steigt das große 25-Jahre-Jubiläumsfest in der Muffathalle.