Gegenwartsdiagnose der USA, innere Rebellion im Iran, absurder Grusel in einer abgelegenen Hütte und mehr… in den Filmstarts der Woche!
Eddington
R: Ari Aster. USA.
Frühling 2020 in New Mexico. Die Pandemie hat auch die verschlafene Kleinstadt Eddington im Griff. Dort stehen sich der Sheriff Joe Cross (Joaquin Phoenix) und der Bürgermeister Ted Garcia (Pedro Pascal) in einem Kampf gegenüber, der die Stadt zu zerreißen droht. Als ein Mord die fragile Ordnung erschüttert, nimmt die Gewalt ihren Lauf. Satire, die täglich von der Realität eingeholt wird.
Für alle, die solche Filme noch sehen wollen, solange sie in den USA gedreht werden dürfen.
Im Schatten des Orangenbaums
R: Cherien Dabis. ZYP, D, JOR u.a.
Westjordanland, 1988: Als der junge Noor bei einer Demonstration schwer verletzt wird, beginnt seine Mutter Hanan die bewegende Geschichte ihrer Familie zu erzählen. Die Erzählung führt zurück ins Jahr 1948, als Noors Großvater Sharif sich weigert, Jaffa zu verlassen, um sein Haus und den Orangenhain zu schützen. Doch Krieg, Vertreibung und Gefangenschaft reißen die Familie auseinander. Sharifs Sohn Salim wächst im Schatten seines Heimatlandes auf, das er nie wirklich kennengelernt hat. Als Noor Jahrzehnte später gegen israelische Soldaten protestiert, scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Doch im Moment ihres größten Schmerzes treffen Hanan und Salim eine Entscheidung für die Menschlichkeit und geben damit Hoffnung auf Versöhnung.
Für Fans von Hoffnung im Angesicht der Tragödie
Lolita lesen in Teheran
R: Eran Riklis. IT, ISR.
Im postrevolutionären Teheran der 1990er-Jahre wagt die Literaturprofessorin Azar Nafisi einen stillen Akt des Widerstands: In ihrer Wohnung versammelt sie heimlich sechs ihrer Studentinnen zu einem privaten Lesekreis. Gemeinsam tauchen sie in die verbotenen Werke der westlichen Literatur ein – von Vladimir Nabokov über F. Scott Fitzgerald und Henry James bis hin zu Jane Austen. Inmitten politischer Repression und religiöser Kontrolle wird das Lesen zu einem Akt der Selbstermächtigung, der die Frauen zum Reflektieren über Freiheit, Liebe und Identität inspiriert.
Für… Frau, Leben Freiheit
Sauna
R: Mathias Broe. DEN.
Johan ist jung, schön und genießt Kopenhagens schwule Szene mit ihren Kneipen, Partys und One-Night-Stands. Seinen Traumjob hat er im Adonis gefunden, der einzigen Schwulensauna der Stadt. Praktisch: Arbeit und Privatvergnügen mit den Besuchern kann er hier nahtlos verbinden. Trotz allem sehnt sich Johan nach echter Nähe – und findet sie bei William, einem einfühlsamen trans Mann. Doch nicht alle im Adonis sind damit einverstanden, dass er sich in einen Menschen verliebt hat, den sie nicht als Teil ihres Männerbundes sehen wollen.
̶F̶̶u̶̶r̶ ̶d̶̶i̶̶e̶ ̶d̶̶i̶̶e̶… Pride is for everyone!
Keeper
R: Osgood Perkins. USA.
Ein Paar flieht für ein romantisches Wochenende in eine abgelegene Hütte. Als Malcolm aber plötzlich in die Stadt zurückkehren muss, findet sich Liz isoliert und in der Gegenwart eines unaussprechlichen Übels wieder, das die schrecklichen Geheimnisse der Hütte enthüllt… Klingt nach Horror by Numbers? Regisseur Perkins hat sich aber gerade durch seine frische Herangehensweise an bekannte Themen zum Liebling der Horrorfans gemausert.
Für Fans von absurd-groteskem Grusel.
Die Filmstarts vom 13. November
Die My Love
R: Lynne Ramsay. USA
Wie wunderbar und beklemmend es ist, wenn Jennifer Lawrence mal richtig loslegen darf, wissen wir seit „Mother!“. Unter der Regie der großartigen Lynne Ramsay kommt es wieder dazu: Die Schriftstellerin und junge Mutter Grace verliert allmählich den Verstand. Eingeschlossen in einem alten Haus in Montana verhält sie sich zunehmend nervös und unberechenbar, was ihren Partner Jackson (Robert Pattinson) immer beunruhigter und hilfloser zurücklässt.
Für alle, die gern nochmal den Lockdown durchleben wollen
The Running Man
R: Edgar Wright. USA
Remakes von Schwarzenegger-Filmen hatten es bisher schwer. Vielleicht schafft es der britische Kultregisseur Edgar Wright dem Stoff seinen eigenen Spin mitzugeben: In einer nahen Zukunft, ist The Running Man die meistgesehene Show im Fernsehen. Ein tödlicher Wettbewerb, in dem die Mitspieler 30 Tage lang überleben müssen, während sie von Profikillern gejagt werden. Dabei wird jede ihrer Bewegungen einem blutrünstigen Publikum live übertragen. Jeder Tag, den sie durchhalten, wird mit mehr Geld belohnt. Ben Richards stammt aus der Arbeiterklasse und versucht verzweifelt, seine kranke Tochter zu retten. Daher lässt er sich von Dan Kilian, dem Produzenten der Show, als letzte Hoffnung überreden, bei dem Spiel mitzumachen.
Für die, die zwischen ihren Aufenthalten in Red Rooms, gern auch mal ins Kino gehen.
Così Com’è – Wie es ist
R: Antonello Scarpelli. IT, D
Eine Autofiktion, in der der Regisseur seine Familie inszeniert: eine besorgte Mutter, ein kranker Vater und ein desillusionierter Sohn, verloren in mangelnder Kommunikation und der Schwierigkeit, sich gegenseitig zu verstehen. Mit Fragmenten von Familienvideos beginnend, wechselt der Film in die Gegenwart, die wir aus dem Blickwinkel der Eltern erleben. Eine Reflexion über entfernte Familienbeziehungen, das Vergehen der Zeit und was passiert, wenn emotionale Bindungen erodieren.
Für Fans von Anna Karenina, Boyhood und anderen Familienstoffen
Die Filmstarts vom 6. November
Hysteria
R: Mehmet Akif Büyükatalay. D.
Leinwandsatire: Als am Set eines Films ein verbrannter Koran gefunden wird, laufen die Dreharbeiten aus dem Ruder. Die Praktikantin Elif wird in ein gefährliches Spiel aus Geheimnissen, Anschuldigungen und Lügen hineingezogen. Der doppelbödige, provokante Verschwörungsthriller spielt mit dem Film-im-Film-Motiv und steckt voller unerwarteter Wendungen. Eine präzise Reflexion über die Macht der Bilder und die Dynamik von Wahrnehmung, Projektion und gesellschaftlicher Hysterie.
Für die, die in Zeiten von KI, Fake News und Co ihre Medienkompetenz schulen wollen.
How to Make a Killing
R: Franck Dubosc. F.
Tiefschwarze Verbrecher-Komödie: Als Michel auf einer verschneiten Straße einem Bären ausweichen muss, sterben zwei Unbeteiligte, die allerdings zwei Millionen im Kofferraum zurückgelassen haben. Zusammen mit seiner Frau Cathy, die genug Krimis gelesen hat, überlegt Michel, was man für das viele Geld kaufen kann und wie man die Leichen am besten verschwinden lässt. Sie gehen dabei ähnlich dilettantisch vor, wie die Dorfpolizei in diesem Fall ermitteln wird.
Für die, die sich wünschen, Tarantino hätte „Willkommen bei den Sch’tis“ gedreht.
Manche mögen’s falsch
R: Stanislaw Mucha. D, C.
Im südchinesischen Dafen gibt es nichts, was es nicht gibt: Ein Gerhard Richter ist ab 30 Euro zu haben, ein kleiner van Gogh kostet 45 Euro, seine ‘Sonnenblumen‘ in mittelgroß 100. Der Output der Fälscherstadt ist gigantisch: Über 10 Millionen Bilder werden hier pro Jahr hergestellt. Tausende von Malern pinseln Tag und Nacht auf kleinstem Raum die Werke großer Meister, die vor allem in Großbestellungen nach Europa und Amerika verkauft werden. Dafens fleißige Bewohner*innen leben von, mit und trotz der großen Kunst. Eine bislang unbeachtete Nische endlich dokumentarisch beleuchtet.
Für Fans von Maler*innen wie Frido Kahla, Oskar Kakaschko, Salvador Aberdalli, Vincent von Gagh…
The Change
R: Jan Komasa. USA.
Beklemmend aktuell: Ellen, Professorin an der renommierten Georgetown University in Washington, D.C., und Chefkoch Paul feiern ihren 25. Hochzeitstag. Während sich die Gäste amüsieren, wird Ellen das Gefühl nicht los, die neue Freundin ihres Sohnes bereits zu kennen. Liz entpuppt sich als ehemalige Studentin, die wegen ihrer „antidemokratischen Thesen“ von der Uni geflogen ist. Jetzt steht sie kurz davor, mit der Bewegung „The Change“ einen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel einzuleiten, der das gesamte politische System Amerikas erschüttert. Von der Ausbreitung einer faschistoiden Ideologie in scheinbar gefestigten Kreisen.
Für alle Antifaschist*innen
Dann passiert das Leben
R: Neele Vollmar. D, Ö.
Anke Engelke feinfühlig: Hans (Ulrich Tukur), der als Schuldirektor kurz vor der Pensionierung steht, bewegt sich für seine Frau Rita eher wie ein Gast in ihrem Leben. Der gemeinsame Sohn ist längst aus dem Haus und die langjährige Ehe der beiden folgt einer eingespielten Routine, bei der Rita den Takt vorgibt. Sie mag keine Veränderungen. Doch: Auf einmal fällt den beiden auf, wie wenig sie über das Leben ihres Sohnes wissen. Auf einmal ist da diese Leere im Leben der beiden. Doch dann passiert das Leben…
Für alle, die eine unserer größten Humoristinnen mal in voller Bandbreite sehen wollen.
Die Kinostarts vom 30. Oktober
Bugonia
R: Yorgos Lanthimos. USA.
Neue satirische Seltsamkeiten vom griechischen Großmeister: Zwei von Verschwörungstheorien besessene junge Männer (Jesse Plemons, Aidan Delbis) entführen die einflussreiche Geschäftsführerin (Emma Stone) einer großen Firma, überzeugt davon, dass sie eine Außerirdische ist, die plant, die Erde zu zerstören… Besonders in den USA wütet der rechte Mob bereits gegen den Film, daher schon mal ungesehen das Urteil: Absolut sehenswert.
Für Fans vom koreanischen Original-Kultfilm „Save The Green Planet!“
Pumuckl und das grosse Missverständnis
R: Marcus H. Rosenmüller. D.
Nach der völlig zurecht erfolgreichen Serie „Neue Geschichten vom Pumuckl“ nun der Kinofilm: Eine Schildkröte, ein Ausflug aufs Land und dann auch noch Nachbar Burkes Geburtstag: Bei Pumuckl und Eder ist in diesem Sommer ganz schön viel los! Zu viel vielleicht – denn bei so vielen Ereignissen schaffen es die beiden kaum noch, ordentlich miteinander zu sprechen. Zwischen Eder und Pumuckl kommt es zu einem großen Missverständnis und die beschauliche Welt der beiden droht auseinanderzubrechen.
Für Fans von Schabernack und wegversteckten Feilen
Dracula – Die Auferstehung
R: Luc Besson. FIN, UK, FR.
Und die zweite Adaption eines Gruselklassikers diesen Monat: Im 15. Jahrhundert wendet sich der transilvanische Prinz Vlad II, Graf von Dräcul (Caleb Landry Jones), nach dem grausamen Verlust seiner angebeteten Frau Elisabeta (Zoë Bleu), voller Zorn von der Kirche ab. In seiner unbändigen Trauer tötet er einen Priester, verflucht Gott – und wird zum ewigen Leben verdammt. Er wird zu Dracula. Als bluttrinkender Vampir muss er fortan durch die Jahrhunderte irren… Business as usual also.
Für Fans von Dracula (1931), Dracula (1958), Bram Stoker’s Dracula (1992)…
Stiller
R: Stefan Haupt. D.
Max Frisch Adaption: Bei einer Zugreise durch die Schweiz wird der US-Amerikaner James Larkin White an der Grenze festgenommen. Der Vorwurf: Er sei der vor sieben Jahren verschwundene Bildhauer Anatol Stiller, der wegen seiner Verwicklung in eine dubiose politische Affäre gesucht wird. White bestreitet seine Schuld und beharrt darauf, nicht Stiller zu sein. Albert Schuch, Paula Beer und andere in der Verfilmung eines der großen deutschsprachigen Romane des 20. Jahrhunderts.
Für die, die gerne mit Schulklassen und ihren Deutschlehrer*innen im Kino sitzen
No Hit Wonder
R: Florian Dietrich. D.
Deutsche Tragikkomödie: Daniel hat danebengeschossen. Er wollte mit einem großen Knall abtreten, stattdessen liegt er auf der Geschlossenen und darf nicht raus. Er war mal ganz oben – Olympiastadion, 10.000 Feuerzeuge im Abendwind, alle haben seinen Song gesungen. Mittlerweile ist er ganz unten. Das Einzige, was ihm bleibt, ist dieser verfluchte Song, dem er alles verdankt und der ihm gleichzeitig alles genommen hat. Doch dann ergibt sich mit Hilfe seiner behandelnden Doktorin und seinen Mitpatient*innen eine neue Chance…
Für Fans von zweiten Chancen
Memory Hotel
R: Heinrich Sabl. D.
Knetanimation made in Germany. Deutschland, 1945: die fünfjährige Sophie und ihre Eltern fliehen vor der Roten Armee. Im Gepäck haben sie nur ein paar Kleidungsstücke und Fahrkarten für ein Schiff nach Amerika. Doch das Schicksal hat andere Pläne. Während einer Rast im Hotel gerät die Familie in einen Konflikt mit dem diabolischen Nazi Scharf und seinem Hitlerjungen Beckmann – mit fatalen Folgen. Im brutalen Handgemenge verliert die kleine Sophie nicht nur ihre Eltern, sondern auch ihre Erinnerungen. Als sie wieder zu sich kommt, ist das Hotel in sowjetischer Hand und sie zur Köchin des Hauses befördert. Der Regisseur hat 25 (!) Jahre an dem Film gearbeitet.
Für Fans von Biografien aus Plastilin
