„Immer noch sehr lebendig“ – Interview mit Matt Johnson (The The)

Mattt Johnson hat sich mit seiner Band The The eindrucksvoll zurückgemeldet – nach einer fast 20-jährigen Pause. Am 2. Juli kommen sie in die Muffathalle.

A m 6. September 2024 erschien mit „Ensoulment“ das erste Stu- dioalbum der Kultband seit 1999, ein Moment, auf den viele Musikliebhaber sehnsüchtig gewartet haben. The The haben sich über die Jahre einen legendären Status in der Musikwelt erarbeitet, und nun kehrt Johnson mit seiner Band endlich auf die große Bühne zurück. In diesem Jahr stehen zahlreiche Konzerte im Rahmen einer ausgedehnten Europatournee an. Ein Gespräch mit der Post-Punk-Ikone über die lange kreative Auszeit, die Rückkehr ins Rampenlicht und das neue Kapitel von The The.

(c) Christie Goodwin

Mr. Johnson, im September 2024 veröffentlichte The The zum ersten Mal seit 1999 ein neues Studioalbum. Wie zufrieden sind Sie mit diesem neuen Werk?

Dieses Album zu machen war, als würde ich nach einer langen Reise nach Hause kommen. Es sind 25 Jahre seit dem letzten Studioalbum vergangen, und in dieser Zeit hat sich die Welt verändert – ich habe mich verändert. Diese Platte ist eine Destillation all dieser Jahre – der Wut, der Hoffnung, der Liebe, der Desillusionierung. Es geht nicht darum, Trends zu folgen oder in ein Schema zu passen, sondern darum, der inneren Stimme treu zu bleiben.

Was bedeutet Ihnen dieses Album persönlich?

Es ist nicht perfekt, aber ehrlich. Und in einer Welt, die oft zunehmend unehrlich wirkt, ist das für mich das Wichtigste. Es geht nicht darum, es jedem recht zu machen, sondern darum, etwas zu sagen, das gesagt werden muss.

Warum zogen Sie sich 20 Jahre lang zurück?

Nach „Naked Self“ im Jahr 2000 hatte ich das Gefühl, einen Schritt zurücktreten zu müssen – nicht nur von der Musik, sondern von dem ganzen Zirkus, der damit einhergeht. Ich brauchte ein- fach Luft – um zu leben, um das Leben außerhalb dieser Blase zu erfahren.

Gab es jemals Gedanken, ganz aufzuhören?

Ich habe nie aufgehört zu schaffen. Ich schrieb, filmte, engagierte mich für den Naturschutz. Musik war immer da – im Hintergrund –, aber es war nie der richtige Zeitpunkt, sie wieder in den Vordergrund zu rücken. Ich wollte nicht einfach irgendetwas herausbringen. Ich wollte warten, bis ich etwas Bedeutungs- volles zu sagen hatte.

Wie blicken Sie auf die Geschichte von The The zurück?

Wie das Durchblättern eines alten Fotoalbums – jede Seite bringt einen Strom von Erinnerungen, Emotionen und Reflexionen. The The ging es nie darum, Trends zu folgen. Es ging um große Themen – Liebe, Tod, Politik, Religion – und das auf eine Weise, die authentisch war, denke ich.

The The gilt als Kultband – mögen Sie diesen Begriff?

Der Begriff Kultband ist ein zweischneidiges Schwert, oder? Auf der einen Seite deutet er auf ein gewisses Maß an Hingabe hin, auf eine tiefe Verbindung zu einem treuen Publikum, das wirklich versteht, was du tust. Andererseits kann der Begriff Kultband auch etwas einschränkend wirken, als ob man an den Rand gedrängt wird, in eine Nische, die irgendwie vom Mainstream getrennt ist.

Sie sind gerade auf einer großen Europatour. Waren Sie überrascht, gleich wieder so gefragt zu werden?

Ja und nein. Nach so einer langen Pause zurückzukommen? Man weiß nie genau, wie die Leute reagieren werden, ob sie noch da sind, ob die Musik immer noch ankommt. Aber gleichzeitig habe ich immer an die Kraft von ehrlicher, gefühlvoller Musik geglaubt, die mit den Menschen verbindet, egal wie viel Zeit vergangen ist. Die Reaktion auf die „Ensouled Tour“ und die „The Comeback Special Tour“ von 2018 war wirklich überwältigend. Es erfüllt mich mit Demut, so viele Menschen zu se- hen, die zu den Songs mitsangen, die mir so viel bedeuten.

(c) Christie Goodwin

Wo steht The The heute?

Nach so vielen Jahren der Abwesenheit fühlt es sich sowohl vertraut als auch völlig neu an. Die Welt hat sich verändert, aber im Kern ging es bei The The immer um Ehrlichkeit, Authentizität und die Bereitschaft, die großen Fragen zu stellen – auch um die menschliche Existenz. Doch ich bin mir wie gesagt auch bewusst, dass wir in einer sehr anderen Welt leben als der, die wir 2000 hinter uns gelassen haben. Und dennoch fühlt es sich in gewisser Weise so an, als sei das Bedürfnis nach dem, was The The tut, nie größer gewesen.

Was ist Ihr Lieblingslied von The The?

Wahrscheinlich „This Is the Day“ von „Soul Mining“. Es gibt etwas an diesem Lied, das einen Moment der Zeit einfängt – ein Gefühl von Hoffnung und Möglichkeit, aber auch einen Hauch von Melancholie. Es ist ein Lied darüber, den Moment zu ergreifen, die Schönheit und das Potenzial im Alltäglichen zu erkennen, aber auch über die Vergänglichkeit von allem.

Was erwartet die Fans in München?

Eine Reise durch unsere Geschichte von The The als auch einen Einblick in das, wo wir heute stehen. Es ist eine Gele- genheit, diese älteren Songs mit neuen Augen zu sehen. Aber es ist auch eine Gelegenheit, neues Material vorzustel- len und zu zeigen, dass The The immer noch sehr lebendig sind.

Interview: Reinhard Franke