„Ich tanze auch im Kopf“ – Immer in Bewegung, auch tanzend in der U-Bahn: Warum man einen Workshop bei Sahra Huby buchen sollte.
Frau Huby, mit Ihnen kann man auf der Tanzwerkstatt Europa an sich und dem eigenen Körper arbeiten. Was macht für Sie den besonderen Geist des Festivals und das immer wieder stark spürbare Gemeinschaftsgefühl aus?
Die Tanzwerkstatt Europa ist ein Festival, das einfach den Tanz feiert. Das ist sehr wichtig! Im Festival kommen viele unterschiedliche Leute zusammen, professionelle Tänzerinnen, Tänzer, Laien, junge und ältere Menschen. Und sie begegnen sich nicht nur im Studio während der Workshops, sondern auch in den Pausen, am Abend bei den Performances und bei den Partys. Das Festival schafft einen Rahmen für Begegnungen und Austausch. Das kreiert ein Gemeinschaftsgefühl.
Um wie viel leichter ist es eigentlich im Sommer seinen Köper zu spüren, neu zu entdecken und vielleicht sogar herauszufordern?
Ich liebe die Hitze des Sommers. Ich habe das Gefühl, dass das warme Wetter unsere Körper elastischer macht, schon „aufwärmt“. Und man ist so vielleicht mehr bereit, sich zu bewegen, als im Winter. August ist für viele ein Moment, wo die Arbeitsaktivitäten reduziert sind. Dadurch ist der Kopf vielleicht freier, um sich auf andere Sachen einzulassen. Um sich anderen Herausforderungen zu stellen und Neues zu probieren.
Kann man eigentlich auch privat tanzen – etwa in Clubs oder auf Partys –, wenn das sonst eher der Beruf ist?
Bei mir, als Freelance Dancer, sind die Ruhephasen anders. Auch wenn ich konkret an keinem Projekt arbeite oder probe, geht immer irgendein Arbeitsprozess in mir weiter. Ich trainiere meinen Körper, ich denke über die Arbeit nach, organisiere die nächsten Aktivitäten und konzipiere Neues. Es hört nie auf. Ich tanze nicht nur auf der Bühne oder im Studio, sondern auch im Kopf, zum Beispiel immer dann, wenn ich in der U-Bahn sitze. Daher meine Antwort auf die Frage, ob man auch privat tanzen kann – etwa in Clubs oder auf Partys, wenn das sonst eher der Beruf ist: Natürlich ein großes JA!
Sie bieten wieder einen Workshop im breit gefächerten Seminarprogramm an. Einfach mal direkt gefragt: Wie gut muss man sein, um da mitmachen zu können?
Der Workshop ist für Anfängerinnen und Anfänger gedacht. Man muss also keine Vorkenntnisse mitbringen, sondern nur Lust haben, sich zu bewegen und die Neugier, sich auf etwas Neues einzulassen. Ich glaube, dass der Workshop auch für Menschen ohne Tanzerfahrung interessant ist, weil er die Teilnehmer einlädt, meine persönliche Perspektive auf den zeitgenössischen Tanz zu entdecken.
Sie sprechen ein wenig lakonisch von „Contemporary Dance: Some Basics“: Was muss man sich darunter vorstellen?
„Zeitgenössischer Tanz“ ist ein sehr breites Feld. Dahinter verstecken sich ex- trem viele unterschiedliche Techniken und Ansätze. Als ich gefragt wurde, ob ich einen „Contemporary Dance Workshop for Beginners“ geben wolle, habe ich das zum Anlass genommen, mir wieder die Frage zu stellen: „Was ist eigentlich zeitgenössischer Tanz für mich?“
Ihre Antwort?
Vier wesentliche Gedanken habe ich ausgewählt, die mir für meinen Workshop als roter Faden dienen: Es geht nicht um die Form. Ich tanze nicht allein, sondern „in Beziehung“ zu anderen Menschen, zum Raum, zur Musik. Der Boden ist mein Freund. Und: Mein Körper ist mein Wegweiser.
Wie lange haben Sie eigentlich selbst gebraucht, um Stile zu finden, in denen Sie sich besonders wohlfühlen – und die Sie selbst zu einer Art Wiedererkennungszeichen machen?
Ich habe mit dem Tanzen sehr spät angefangen – nämlich erst, als ich schon eine junge Erwachsene war. Es war ein harter Weg für mich, weil ich in kurzer Zeit sehr viel lernen musste. Aber dadurch war es für mich vielleicht auch leichter, meine eigene Sprache und meinen eigenen Stil zu finden als für andere Kolleginnen und Kollegen, die seit jungen Jahren sehr viele Techniken erlernt haben und sich erstmal davon lösen müssen.
Wie meinen Sie das?
Ich wusste als junge Erwachsene, dass mich eine bestimmte „Roughness“ inte- ressiert. Und habe mich mit Techniken beschäftigt, die viel mit Schnelligkeit und Floor Work zu tun haben, wie zum Beispiel die Ansätze von Wim Vandekeybus‘ Kompanie Ultima Vez oder die Flying Low-Technik von David Zambrano. Auch Meg Stuart und ihre Art, wie sie den Körper betrachtet, hat mich sehr geprägt.
ZUR PERSON:
Energiequelle: Die Choreografin und Performerin SAHRA HUBY, die 2024 den Förderpreis Tanz der Stadt München erhalten hat, kennen Fans vor allem aus Stücken der Choreografin Anna Konjetzky, die sie als Performerin mitgestaltet. Zusammen mit ihr und Quindell Orton hat sie 2019 „Playground“ gegründet, einen Raum für choreografisches Denken und queer-feministischen Diskurs in München. Seit längerem treibt die gebürtige Belgierin ihr „The Atlas Project“ voran. Auf der Tanzwerkstatt Europa bietet sie vom 5. bis 9. August einen Workshop an.