„Vielleicht wäre ich gern das Marsupilami“ – Ralf König wird 65: Seine Comics sind selbstverständlich schwul und bewegend, nicht nur für Männer. Ein Interview.
Schon als Junge wollten Sie Comiczeichner werden, Ihr Schwulsein sehen Sie als Lottogewinn. Sind Provozieren, Pointen und Penisse Ihre Metiers?
Nein, Provokation ist nicht wirklich mein Ding. Aber ich bin schwul und zeichnete von Anfang an Comics aus dieser Sichtweise heraus, und das war in den 80ern noch ein Tabu. Darum Lottogewinn, ich fiel gleich auf und hatte schnell meine erste Fangemeinde, denn es gab für uns damals nicht viel zu lachen. Dann wurde es schnell Geheimtipp in der linksalternativen Szene, die Comics lagen damals oft auf den WG-Klos. Ich hab‘ gezeichnet, was ich so erlebte oder auch gern erleben wollte, dazu gehörten auch Penisse. Ob das irgendjemanden provozierte, war kein Gedanke. Es lasen ja damals auch nur die Leute, die es lesen wollten, es gab noch kein Internet.
Die deutsche Comic-Szene ist bunt, dennoch kritisieren Sie eine neue Prüderie in der Gesellschaft und queeren Community. Wünschen Sie sich mutigere Comics und weniger Mainstream?
Comics sollten manchmal auch auf die Kacke hauen, das verlangt schon das Medium! Karikatur sollte immer Zustände bloßstellen! Es gibt queere Zeichner und Zeichnerinnen, aber es liest sich heute eher wie Betroffenen-Literatur. So ein Versteht-mich-doch-bitte-Aufklärungs-Ding, Selbstironie und Humor kommen da zu kurz. Ich eiferte damals den derben Underground-Comics nach, also Robert Crumbs „Fritz the Cat“ oder die Comics von Jean Marc Reiser. Da gab’s keine Triggerwarnungen, das war prall aus dem Leben.
Ihr größter Erfolg war der verfilmte Comic „Der bewegte Mann“. Was fasziniert Heteros und Homos gleichermaßen am schwulen Lifestyle?
„Der bewegte Mann“ war die richtige Geschichte zur richtigen Zeit. Schwule galten als exotisch bis pervers, man stellte sich die blöde Frage, wer in der Beziehung der Mann und wer die Frau ist! Dem Buch und dem Film habe ich viel zu verdanken, aber hinter meinem Namen steht nach 30 Jahren immer noch in Klammern „Der bewegte Mann“, als hätte ich danach nicht weit bessere Comics gezeichnet.
Gerade interpretieren Sie die Nibelungen neu. Was hat Sie an diesem Opus magnum gereizt?
Die schrägen Charaktere will man alle nicht im Freundeskreis haben, die Handlung ist komplex und der Text aus dem 12. Jahrhundert echt dröge. Seitenweise nur schimmernde Waffen, strahlende Helden und gütige Könige! Ich erzähle die deutsche Heldensage von Mord, Rache und Gemetzel ganz ohne Mord, Rache und Gemetzel! Leider stehe ich mir beim Zeichnen grad selbst im Weg, mein innerer Kritiker ist derzeit gnadenlos. Dann stelle ich nach 80 fertigen Seiten fest, dass mein Siegfried ganz anders aussehen müsste, kleiner, schmaler. Also alles von vorn. Es ist ein Desaster, was dadurch alles im Müll landet.
Welcher Comic-Held wären Sie gern?
Puh. Ich bin kein großer Comic-Leser, wenn ich beim Münchner Comic-Festival viele nette Kollegen treffe, weiß ich oft gar nicht, was die genau machen. Dialogwitz studierte ich damals eher aus Filmen, mein Idol war Woody Allen. Das ist mein Ziel, dass die Sprechblasen sich so lesen, wie man eben spricht. Vielleicht wäre ich gern das Marsupilami, das hat diesen langen Schwanz und kann damit alles mögli- che anstellen. Wer dabei jetzt an was Schmutziges denkt, ist selbst schuld.
COMIC
— Zum 65. Geburtstag des bekanntesten deutschen Comiczeichners, veröffentlicht der Egmont-Verlag mit Pflaumensturz und Sahneschnitten einen Band mit mehr als 100 Seiten Comics, die bisher noch nie auf Deutsch in Buchform veröffentlicht wurden! Eingeladen sind viele seiner beliebten Figuren: Konrad und Paul natürlich, aber auch Spargel oder Berthold und die Pfundskerle. 65 Jahre Ralf König – das heißt auch ein Rückblick auf sein Leben und Werk. Und zwar im ausführlichen Interview mit dem Journalisten und Comic-Experten Alex Jakubowski. Selbstverständlich angereichert mit vielen Fotos, Skizzen und Texten, die einen wunderbaren Einblick in Ralf Königs Leben und Arbeit geben. Ein Muss, nicht nur für Fans.
ZUR PERSON
Ralf König, Comic-Autor und Schwulen-Ikone, wurde am 8. August 1960 in Soest geboren. Er ist gelernter Tischler, hat später an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf studiert und nebenbei seine Comics gezeichnet. Heute lebt er in Köln. Seine ersten ‚SchwulComix’ erschienen 1980. Spätestens mit der Verfilmung seines Comics „Der bewegte Mann“ (1994) wurde er über die schwule Szene hinaus bekannt.