Platten aus nah und fern für den Mai

Neue Scheiben von Bryan Ferry & Amelia Barratt, Mumford & Sons, CocoRosie, My Morning Jacket, Die Heiterkeit, Tamino, Throwing Muses, Münchner Gitarren Trio, LaBrassBanda u.a.

Die Heiterkeit – Alles, was ich je geträumt habe

Stella Sommers Die Heiterkeit, klingt auf ihrem neuen Album gleichermaßen neu und vertraut, schwer und leicht. Und es hört sich an wie eine Sammlung von zeitlos schönen  Popsongs, die nichts mit jener sogenannte „Indiemusik“ zu tun hat, die in den letzten Jahren immer hohler und beliebiger wurde. Eher diente dieser blitzgescheiten, einfach nur wunderbaren Sängerin und Komponistin, das Great American Songbook als Inspiration. Herausgekommen ist dabei eine Art lyrischer Pop, geistreiche Chansons und ein Hauch von 60s-Folk, irgendwo zwischen mystisch und magisch – und alles in allem einfach nur ganz bezaubernd outstanding.

Throwing Muses – Moonlight Concessions

Ich geb’s ja zu: Das 2020er Album „Sun Racket“ ging (leider) ungehört an mir vorbei. Umso mehr freue ich mich darüber „Moonlight Concessions“ nun in vollen Zügen genießen zu dürfen. Geht auch gleich gut los mit dem herrlich rootsigen, zwischen melancholisch, hypnotisch und psychedelisch mäandernden „Summer Of Love“. Jetzt schon einer der besseren Baggersee-Hits für die Indie-Crowd. Mit ihrer charismatischen, verträumten, letztlich aber immer unverhohlen kratzbürstigen Stimme bildet Bandleaderin, Gitarristin und Sängerin Kristin Hersh auch 2025 noch den Mittelpunkt, dem sich alles wie selbstverständlich unterordnet. Analog und direkt, spröde und rau – Throwing Muses at its best!

My Morning Jacket – is


Bin da ja Fan von. Für mich unvergessen „Evil Urges“ aus dem Jahr 2008 oder auch das 2015er Meisterwerk „The Waterfall“. Seit gut und gerne 25 Jahren gelingt Sänger-Gitarrist-Produzent Jim James und seinen Morning Jackets nun schon das seltene Kunststück sich immer wieder aufs Neue zwischen alle Stühle zu setzen und trotzdem irgendwie relevant zu sein… und vermutlich auch zu bleiben. Ihren sehr eigenen Stil könnte man irgendwo zwischen Psych und Prog, Art und Alternative verorten – getroffen wird sich schließlich doch immer wieder an der Schnittstelle zwischen Rock und – dieses Mal, mehr als jemals zuvor – Pop. Denn bei „is“ legte James die Produktionsverantwortung in die Hände von niemandem geringeren als den dreifachen Grammy-Preisträger Brendan O’Brien, der schon federführend Bruce Springsteen und Pearl Jam in den US-Olymp mischte. Mit Sicherheit das kommerziellste Album von My Morning Jacket. Ich mag’s trotzdem.

Bryan Ferry & Amelia Barratt – Loose Talk

Die Aufregung und Freude war groß, kündigte Bryan Ferry doch nach elf Jahren mal wieder neue Musik an. Und so kam es dann auch, aber eben auch nur neue Musik. Und so „neu“ dann wohl auch wieder nicht. Wie sie beim Guardian recherchierten, handele es sich bei den hier abgebildeten Soundscapes um „Demoaufnahmen“ aus Ferrys Skizzen-Fundus, die hier zusammen geschnitten und fertig produziert wurden. Im Prinzip ist der „Star“ die bildende Performance-Künstlerin, Schriftstellerin und Malerin Amelia Barratt. Ferry hat sie wohl auf einer Galerieeröffnung kennengelernt, genau sein Jagdrevier. Am Ende ist „Loose Talk“ eine ambitionierte und in Teilen auch beeindruckende Spoken-Word-Performance. Der Guardian schreibt in seiner Review abschließend: „Barratts Texte sind so eindrucksvoll, dass man sich nicht nach einer Instrumentalversion sehnt.“ Das nicht, nein, aber nach Bryan Ferrys Singstimme.

Mumford & Sons – Rushmere

Kraftvoll starten (Marcus) Mumford & Sons (Ben Lovett und Ted Dwane) mit dem Opener „Malibu“ in ihr erstes Album seit sieben Jahren. Mich hat’s gleich mal wieder an Nathaniel Rateliff, nicht den Soul-Sänger sondern den Folk-Singer/Songwriter erinnert. Mumford ist da relativ nah dran, wenngleich ihm – meiner Meinung – sowohl stimmlich wie auch kompositorisch etwas die Tiefe und der Ausdruck fehlt. Egal, hörenswert ist das allemal, wie das Londoner Trio hier den Level – zu früheren Erfolgen – hält. Wirklich gut gemachter, stürmischer, mithin gar mitreißender und durchweg hymnischer UK-Mainstream-Folk, der zu begeistern vermag. Besonders schön finde ich persönlich aber die besinnlichen Momente, wie etwa das zurückgenommene „Monochrome“ oder auch das wunderschön zärtliche „Where It Belongs“.

Tamino – Every Dawn’s A Mountain

Wer schon mal dabei war, weiß es: Ein Konzert von Tamino ist etwas ganz Besonderes. Der Frauenanteil enorm, die Stimmung andächtig. Aber auch elektrisierend. Tamino sieht nicht nur exzellent aus, das tun andere auch. Tamino ist vor allem ein brillanter Songwriter, ein großartiger Musiker und ein noch besserer Sänger. Auf seinem Album kümmert er sich geradezu aufopferungsvoll um die weitgehend bekannten Befindlichkeiten der Gebeutelten, Verzagten, Gescheiterten, Verlassenen: Verlust, Verdrängung, Trennung und Loslassen. Nicht jedoch ohne am Ende etwas Licht in deren Seelenheil zu fluten. Wie etwa im Song „Willow“, in dem er Befreiung und Erneuerung verheißt: „Das Paradoxe an der Weide ist, dass, wenn sie stirbt und all ihre Ranken verliert, ihr Stamm die Sonne sieht. Mit anderen Worten, ihr Herz bekommt ein neues Leben. Der Baum weint nicht mehr und findet schließlich Trost im Schein der Sonne.“ Schmacht!

CocoRosie – Little Death Wishes

Nehmt das ihr libertären Arschgeigen: „No Need For Money (when you’re dead)“. Haha. Schön, dass die beiden g’schpinnerten Schwestern Bianca und Sierra Cassady mal wieder Zeit fanden um gemeinsam ein bisschen Musik zu machen. Zuletzt beschäftigten sie sich – zumindest seit „Put The Shine On“ 2020 – ja eher mit bildender Kunst und experimenteller Poesie (Bianca) sowie klassischer Musik (Sierra), oder auch mal gemeinsam bei einer Theaterproduktionen (zusammen mit dem Regisseur Robert Wilson). Jetzt aber arbeiteten sie wieder an eigenen Song, bastelten Beats, legten ein paar ulkige Synthies übereinander und pitchten ihre Stimmen zuweilen auf Micky Maus-Niveau. Ein gewohnt (w)irres Avantgarde-Patchwork-Popalbum, dass vor schönen Momenten nur so strotzt. (Tickets für 6.6. Muffathalle)

Münchner Gitarren Trio – Spain

Drei Männer, drei Könner, drei Gitarren: Alexander Leidolph, Thomas Etschmann und Mikhail Antropov sind zusammen das Münchner Gitarren Trio. Auf ihrem brandneuen Album „Spain“, benannt nach Chick Coreas Evergreen, stehen sowohl der Titelsong als auch Antonio Jobims „One Note Samba“ exemplarisch für die Intension dieser drei herausragenden Gitarristen. Die Wurzeln ihres Instrument, welches sie so virtuos beherrschen, liegen bekanntlich ja ebenso in Spanien wie in Mittel- und Südamerika: Flamenco, Bossa Nova, Tango und Chôro sind nur einige Musikstile, untrennbar mit der Gitarre verbunden. Das Münchner Gitarren Trio präsentiert diese Musik nun in Werken von Komponisten der iberischen Halbinsel, Manuel de Falla und Isaac Albéniz, und aus Brasilien, Ernesto Nazareth und Radamés Gnattali. Das Besondere, für mich als Klassik-Laien, ist dabei aber die emotional Hingabe sowie die dezidierte Feinfühligkeit mit der die drei Saitenflitzer zu Werke gehen. Der Sommer kommt, der Soundtrack für den Sonnenuntergang ist schon da!

Kurz & Knapp

Jakob Mühleisen – The Tree

Jede/r, die/der schon mal das Vergnügen hatte mit Jakob Mühleisen ein persönliches Gespräch zu führen, weiß um die Liebenswürdigkeit des selbigen. Liebenswürdig und -wert ist auch sein soeben erschienenes neues Album „The Tree“. Es ist eine im wahrsten Sinne des Wortes klassische Singer/Songwriter-Platte geworden. Folk trifft Pop trifft smarten Indiesound. Mühleisen ist 100 % DIY, komponiert, schreibt Texte, singt diese, spielt alle Instrumente selber und mischte und produzierte das Album also im Alleingang. Letzteres ist deswegen besonders bemerkenswert, weil „The Tree“ wirklich sehr, sehr schön klingt.

Los Babriks – El vuelo del Babrik

Feiern und Tanzen kann man ganz hervorragend zu der neue Scheibe der Münchner Cumbia-Band Los Babriks. Deren Musiker stammen ursprünglich aus allen Teilen Lateinamerikas, fanden sich aber erst in München zusammen um fortan, bewaffnet mit Gaita, Akkordeon, Hammondorgel, E-Gitarre und Percussions psychedelisch-treibende  Latin-Vibes und überhaupt südamerikanische Lebensfreude an der Isar zu zelebrieren.

LaBrassBanda – Polka Party

Apropos: Feiern und Tanzen. Dazu animieren auch seit vielen Jahren die bayerischen Brass-Rebellen um Bandleader Stefan Dettl. Mit ihrer einzigartigen Mischung aus Brass, Pop, Techno und Ska, gepaart mit bayerischem Charme und einer ordentlichen Portion Punk-Attitüde, haben sie die Blasmusik revolutioniert und ein Millionenpublikum begeistert. Dem ist auch auf „Polka Party“ wieder so. (Tickets für 12.9. Truderinger Festplatz)