Stop making sense! Franz Furtner über „Tanz der Titanen“ von Guy Maddin, Evan & Galen Johnson in unserem Filmtipp des Monats. Ab 15.5. im Kino.
Lange wurde es verschoben, jetzt ist es endlich da: das absurde Machwerk „Rumours“, oder eben im deutschen Verleihtitel „Kampf der Titanen“, des kanadischen Kultregisseurs Guy Maddin und der beiden Brüder Evan und Galen Johnson. War der Film doch bereits im Programm des letztjährigen Münchner Filmfests zu sehen, wo er manchen im Saal Fragezeichen auf die Stirn zauberte, andere schallend lachen ließ, um nach Ende schließlich von fast allen umjubelt zu werden.
Chaos beim G7-Gipfel
Aber um was geht’s überhaupt? Die sieben Staats- und Regierungschefs der reichsten Demokratien sind zum jährlichen G7-Gipfel in Deutschland auf der Burg Dankerode zusammengekommen. (Die deutsche Kanzlerin wird dabei von Cate Blanchett verkörpert, heißt hier Hilda Ortmann, kleidet sich zwar in verdächtig vertraut wirkenden Blazern, soll aber, genau wie alle anderen Staatsoberhäupter im Film, nicht konkret als Platzhalter für eine bestimmte Person der Weltpolitik stehen. Besonders lustig tritt das durch das Casting des unverhohlen deeply british sprechenden Charles Dance als US-Präsident Edison Wolcott zu tage.) Beim erstaunlich gelösten Dinner im Schlosspark glauben die Präsident*innen zu vernehmen, dass in der Burg etwas Unvorhergesehenes geschieht. Kurz darauf haben sie keinen Handy-Empfang mehr und die Menüfolge scheint ebenfalls auf Eis gelegt. Vorhang auf für die skurrilste Eskalation eines vermeintlichen Abendessens seit Dinner For One (1963)… ok, The Menu (2022), aber immerhin! Wie unterschiedlich die Spitzenpolitiker*innen nun agieren, wie die Handlung zwischen trockener Dialogkomik, groteskem Comedy-Horror und absurden Kunstfilmsalven, in denen große Gehirne und, ja, Masturbation eine Rolle spielen, changiert, ist wahrlich wahnwitzig. Mit Betonung auf „witzig“. Weit interpretationsoffenes Kunstkino und absolut unprätentiöse Komödie zugleich.
Das Ende der Satire?
Viel liest man aktuell vom Ende der Satire; davon, dass Trump und Co. erratischer agieren würden, als es Satiriker*innen je durch Übertreibungskunst vorführen könnten. Doch: In Zeiten, in denen weltpolitisch in solch einer Rasanz so viel Grausam-Dämliches geschieht, was am nächsten Tag gleich durch etwas anderes Verrückt-Menschenverachtendes ersetzt oder ergänzt wird, und man vor aller Unvorhersehbarkeit fast damit rechnet, dass aus reinem Zufallsprinzip für eine kurze Zeit sogar vernünftige Entscheidungen getroffen werden könnten, die aber dann auch direkt wieder annulliert werden würden, beugt sich der Film dem nicht, sondern setzt ihm verwegen noch größeren Unsinn entgegen. Und ‚Nonsense is better than no sense at all‘, meine Lieben.
Wir Zuschauer*innen überblenden Film und Realität noch ausreichend, um zu merken, wie durch den Film eine Distanz zum realen politischen Tagesgeschehen geschaffen wird, was uns schlichtweg erlaubt mal wieder über Politik(er*innen) zu lachen und zugleich den Blick dafür schärft, dass es nicht normal sein darf und ist, was da vielerorts in den Regierungssitzen gerade so passiert.
Zum Ende eine Anekdote vom Filmfest: Gefragt, warum der Film denn „Rumours“ heiße, zuckte Produzentin Liz Jarvis kurz die Achseln und sagte: „Weil ‚Rumours‘ von Fleetwood Mac eines der erfolgreichsten Rockalben aller Zeiten ist!“ Na dann, ab ins Kino!