Frischer Wind: CHRISTIANE PFAU und KATHRIN SCHÄFER wollen das neue Bündnis Kultur in den Stadtrat bringen. Es gibt noch viel zu tun.
Frau Pfau, Frau Schäfer, Sie sind ja beide eng vernetzt in der Münchner Kreativszene. Was hat Sie dazu gebracht, von den schönen Themen der Kultur jetzt sich doch dem etwas trockeneren Aktenstaub der Politik zuzuwenden?
Christiane Pfau: Wir bleiben mit unserem Bündnis ja ganz bei den Kulturthemen. Damit es weiterhin Kultur gibt, und zwar in allen Lebensbereichen, die für uns wichtig sind, kann es so, wie es ist, aber nicht weitergehen. Damit sich etwas ändert, muss man hinein ins System.
Kathrin Schäfer: Wir wollen aktiv mitgestalten. Es hat keinen Sinn, immer nur darauf zu hoffen, dass die Leute im Stadtrat hoffentlich einigermaßen gute Entscheidungen treffen. Wir schauen uns das ja schon sehr lange an. Und jetzt ist nach unserer Einschätzung ein sehr guter Moment, wo frischer Wind noch was bewegen kann.
Sie wollen ja ganz konkret bei der nächsten Kommunalwahl antreten: Wie geht es jetzt denn erst mal weiter, bis man Ihre Namen auf den Wahlzetteln finden kann?
CP: Von 9. Dezember bis 19. Januar liegen in verschiedenen Bürgerbüros in der Stadt Unterschriftslisten aus. Darauf müssen bis 19. Januar mindestens 1000 in München wahlberechtigte Personen unterschreiben, dass sie wollen, dass das Bündnis Kultur bei der Kommunalwahl antritt.
KS: Wir haben die erste Hürde bereits geschafft und eine Wahlliste mit 80 Kandidat*innen. So eine schöne Liste hat die Münchner Kommunalwal noch nicht gesehen! Wir hoffen, dass uns im Dezember und Januar viele Münchner*innen trotz Weihnachtswahnsinn, Ferien und Skifahren unterstützen und für uns unterschreiben. Denn erst wenn wir diese 2. Hürde geschafft haben, kommt das Bündnis Kultur überhaupt auf den Wahlzettel am 8. März 2026. Und das ist übrigens der Weltfrauentag. Bislang hat übrigens nur unser Bündnis eine Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl aufgestellt.
Die Münchner Kulturlandschaft ächzt schon heute unter Sparzwängen der öffentlichen Hand, Schlimmeres ist sogar noch zu befürchten. Wie viel Spielraum sehen Sie denn da überhaupt für den Stadtrat?
CP: Alles steht und fällt mit dem politischen Willen. Der Stadtrat ist das mächtigste Gremium in der Stadtpolitik, da ist auf jeden Fall Spielraum vorhanden, der bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist.
KS: Wir wollen mit kreativen Ideen die Kommunalpolitik bereichern. Vieles könnte man noch mal anders und neu denken und diskutieren.
Es ist ja nicht so, dass die Parteien im Rathaus Kulturthemen komplett vernachlässigen. Trotzdem: Was muss aus Ihrer Sicht besser werden?
CP: Die Kultur, und damit meinen wir den Kunstbereich, aber auch den Bildungsbereich und alle sozialen Themenfelder, bekommt viel zu wenig Rückhalt aus der Politik. Wenn man sich anschaut, wieviel Geld in der Kreativwirtschaft generiert wird und was ganzheitlich und interdisziplinär ausgebildete Menschen für die wirtschaftliche Stabilität bringen, kann man sich nur wundern. Es wird zwar immer betont, wie wichtig Kunst, Bildung und Soziales für eine intakte Stadtgesellschaft sind, aber wenn es ernst wird, werden genau diese Felder zuallererst abgemäht.
KS: Natürlich gibt es Personen im Stadtrat, die tolle Ideen haben und sich mit viel Engagement für die Kultur einsetzen. Aber die kommen oft mit ihren guten Ansätzen in ihren Parteien oder Fraktionen nicht durch. Und genau da setzen wir an: Mit der Unterstützung guter, bereits vorhandener Vorschläge und der Entwicklung und Durchsetzung neuer Ideen. Die guten Leute brauchen gute Leute, die sie unterstützen. Keine Bremser.
Was sind Ihre konkreten Forderungen?
CP: Wir wollen zum Beispiel endlich die Kulturabgabe. Damit könnte man die Lage sofort extrem entlasten. Es ist in keiner Weise nachvollziehbar, warum eine solche Abgabe in München nicht schon längst eingeführt ist. Es gibt kaum eine Stadt, weder national noch international, in der es eine solche Abgabe nicht gibt. In Bayern gibt es zwar Kurtaxen, aber keine Kulturabgabe. Das ist nicht hinnehmbar.
Wie müsste man sich das konkret vorstellen?
CP: Kleines Beispiel: Wenn es bei der Wiesn 200.000 Übernachtungen gibt, die jeweils pro Nacht und Bett 200 € im Durchschnitt kosten, und das ist sehr niedrig angesetzt, dann sind das bei 16 Wiesntagen 640 Millionen Euro. Wenn davon 5 Prozent für die Kultur dazukämen, wären auf einen Schlag 32 Millionen Euro verfügbar. Das würde keinen einzigen Wiesngast erschüttern. An die Adele-Konzerte 2024 will ich gar nicht denken. Die Summe, die der Kultur da entgangen ist, schmerzt noch länger. Wenn der Freistaat diese Abgabe verhindert, weil er Angst hat, dass dann keine Touristen mehr nach Neuschwanstein fahren, ist das einfach lächerlich. Aber wenn der Freistaat sich verweigert, muss man sich eben überlegen, wie es ohne ihn geht. München muss viel autarker werden. Es macht doch keinen Sinn, dass Verantwortung immer nur von einer Seite auf die andere abgewälzt wird.
KS: Ein anderes Beispiel, wo man schnell was verbessern kann: Wir wollen, dass Inklusion endlich auch im Alltag ernstgenommen wird: Es kann doch beispielsweise nicht sein, dass Rolltreppen und Aufzüge im ÖPNV wochen- und monatelang stillstehen. Wie Menschen sich in der Stadt bewegen, ist auch Kultur! Wie sollen denn die Leute von A nach B oder gar ins Theater kommen, wenn man noch nicht mal bis zum Bahnsteig gelangt? Das ist einfach würdelos.
Unbestritten.
KS: Kultur ist mehr als Unterhaltung. Wir verstehen Kultur als wichtigen Zusammenschluss von Kunst, Bildung und Sozialem. Das ist nicht zu trennen. Man muss das immer zusammen denken und danach handeln. Das alles zusammen ist die Basis der Demokratie.
CP: Grundsätzlich stellen wir das Konzept vom solidarischen Sparen in Frage. Wer an der Kultur, also an Kunst, Bildung und Sozialem spart, spielt genau dem politischen Bereich in die Karten, der die Demokratie bedroht. Wer also an der Kultur aus „solidarischen“ Gründen sägt, bedroht selbst die Demokratie.
In der Corona-Zeit wurde die Forderung zuletzt besonders laut, dass Kultur eine Art menschliches Grundbedürfnis ist. Warum gerät das so schnell im Politikalltag wieder in Vergessenheit?
CP: Das ist nicht in Vergessenheit geraten. Ganz im Gegenteil. Dafür sind die Kunstschaffenden ja zum Glück viel zu laut! Aber damit sie nicht nur gehört, sondern verstanden und ernstgenommen werden, braucht es Unterstützung. Und die bieten wir an.
KS: Die nächsten Krisen stehen doch vor der Tür. Wir wollen hier proaktiv verhindern, dass wieder in der Kultur zuerst gespart wird.
Die Kulturwelt ist nicht frei von Eitelkeiten und Eifersüchteleien: Wie schwer scheint es Ihnen da, tatsächlich übergeordnete Interessen zu bündeln?
KS: Wir haben keine Lust länger zuzuschauen, wie Eitelkeit, Machtbesessenheit und Narzissmus verhindern, dass eine gute, einfallsreiche und zukunftsfähige Sachpolitik gemacht wird. Wir wollen, dass Dinge sich ändern, wenn offensichtlich ist, dass sie geändert werden müssen. Nichts muss bleiben wie es ist!
Zuletzt gab es bei der Aufstellungsveranstaltung für Ihr Bündnis viel Rückenwind: Welche Erwartungen werden aus der Münchner Kulturszene neu an Sie herangetragen?
CP: Wir wissen, welchen Erwartungen wir an die Politik haben. Diese decken sich in weiten Teilen mit denen der Kulturschaffenden, der Eltern, der Kinder, der Stadtbewohner*innen. Alles das sind wir ja selber. Wir haben Kinder, wir wollen, dass sie uns nicht irgendwann fragen: Warum habt Ihr nichts dagegen getan?
KS: Wir sehen, wie sehr die Kunst- und Kulturschaffenden um ihre Existenz ringen. Dafür braucht es Sparringpartner in der Politik. Und die können wir sein. Deshalb engagieren wir uns jetzt.
Treiben Sie nicht vielleicht doch einen Keil zwischen die ja an sich löblichen Bemühungen der Rathausparteien, die sich um gute Kulturarbeit in schwierigen Zeiten bemühen?
CP: Keinesfalls. Wir sind keine Gegner. Wir sind die, die fehlen.
Natürlich ist das jetzt noch Zukunftsmusik: Aber können Sie schon abschätzen, mit welchen Stadtratskollegen oder Fraktionen Sie künftig gut zusammenarbeiten könnten – und mit wem gar nicht?
KS: Wir sehen uns als kreative, unverbrauchte, mutige Köpfe.
CP: Wir werden gern mit allen zusammenarbeiten, die unserem demokratischen freiheitlichen diversen menschenfreundlichen Verständnis, wie Gesellschaft funktionieren soll, entsprechen.
Sie sind beide verwurzelt im Kulturgeschehen der Stadt – auch beruflich. Wie knifflig ist es da, einen Spagat hinzubekommen und nicht auch in persönliche Interessenskonflikte zu geraten?
CP: Welche Interessenkonflikte sollten das sein? Wir leben in und mit und für die Kultur. Unser Leben und unsere Arbeit sind eins, und ich finde, das ist etwas sehr Kostbares. Und genau dies gilt es zu schützen: Die Kultur, die unser aller Leben formt und prägt. Deshalb mache ich Kultur-PR, deshalb gebe ich das Münchner Feuilleton heraus, und deshalb engagiere ich mich politisch für die Kultur. Das ist alles miteinander verzahnt.
KS: Alles, was wir seit Jahrzehnten machen, steht im Dienst der Kultur und damit der Gesellschaft. Dass da vieles ineinandergreift, macht die Sache umso dringlicher.
Letzte Frage: Welche Ihrer Münchner Lieblingsbands wird auf der großen Party zum Wahlsieg spielen?
CP: Oh, das ist schwer. Ich hätte gern zwei: Natürlich The Notwist, auch wenn sie aus Weilheim kommen. Und unbedingt die Hochzeitskapelle.
KS: Oh ja! Ich wünsche mir Peter Pichler mit seinem Trautonium. Das wird eine tolle Party – hoffentlich!
Interview: Rupert Sommer
Transparenzhinweis: Der Autor ist mit Christiane Pfau und Kathrin Schäfer – wie so viele in der Münchner Kulturszene – gut bekannt und schreibt auch für die Zeitung „Münchner Feuilleton“, die von Pfau herausgegeben wird. Mitglied im Bündnis Kultur ist Rupert Sommer nicht.
KASTEN: Das Bündnis Kultur mit CHRISTIANE PFAU und KATHRIN SCHÄFER an der Spitze, die beide eine jeweils Agenturen für Kultur-PR führen, möchte bei der Stadtratswahl im März 2026 angetreten. Mitglieder sind unter anderem Stadtrat Thomas Lechner, der Fraunhofer-Wirt Beppi Bachmeier oder die Theaterschauspielerinnen Ruth Geiersberger und Judith Huber. https://kathrin-schaefer.com/buendnis-kultur/
