Oide Wiesn 2025: Wieder kein Herzkasperlzelt

Ein Punkt… und ein Kulturzelt verschwindet: Das Aus für das Herzkasperlzelt ist ein fatales Signal für die Oide Wiesnein Kommentar

Es war zunächst nur ein Gerücht, das bereits vor gut zwei Wochen in tz und Merkur die Runde machte. Doch nun ist es Gewissheit: Das Herzkasperlzelt von Fraunhofer-Wirt Beppi Bachmaier und seinem Programmdirektor Martin Jonas bekommt auch in diesem Jahr keinen Zuschlag für die Oide Wiesn. Laut Informationen aus dem Stadtrat soll ihre Bewerbung um einen (!) einzigen Punkt hinter der des Konkurrenten Peter Schöniger zurückgelegen haben – jenem, der bereits im Vorjahr mit seiner „Boandlkramerei“ zum Zuge kam.

Beppi Bachmaier erklärt auf Nachfrage, dass man das Ergebnis natürlich akzeptieren müsse. Und kündigt an, dass er sich nächstes Jahr wieder bewerben wird. So leicht gebe er nicht auf, leid tue es ihm auch wegen der zahlreichen Mitarbeiter*innen (ca. 100) und Musiker*innen (rund 60 Gruppen), die nun im zweiten Jahr in Folge nicht arbeiten und auftreten können.

Das Logo des Herzkasperlzelts (c) Rainer Germann

Kleiner Rückblick: Zahlreiche Musikgruppen, die Schöniger in seiner Bewerbung 2024 als künftige Acts aufführte, wussten offenbar gar nichts von ihrem „Engagement“ – sie wurden weder gefragt noch informiert. Bachmaier klagte gegen das Ergebnis – ohne Erfolg. Die Begründung: Es komme nicht auf konkrete Künstler*innen, sondern nur auf die grobe Programmrichtung an. Theoretisch, so scheint es, könnte man also auch die wiedervereinigte Biermösl Blosn mit Gaststar Paul McCartney ankündigen – und hätte keine schlechteren Chancen. Geht’s noch?

Die Kriterien, nach denen die Punkte vergeben werden, bleiben für Außenstehende schwer nachvollziehbar. Bewertet werden unter anderem Eigentum (Zelt), Erfahrung bei Volksfesten, Ausstattung, Angebots-Tradition usw. Das System wurde nach dem Ergebnis von 2024 in Teilen geändert. Das Kulturprogramm, wichtigster Teil der Bewerbung des Herzkasperlzelts auch in diesem Jahr, wurde höher gewertet als bisher. Das schlägt sich im Punkt „Anziehungskraft“ nieder, der diesmal mit dem Faktor fünf multipliziert wurde (bisher galt Faktor vier). Bachmaier lag dort vor dem Konkurrenten Schöniger (wenn auch nicht deutlich genug), aber in der Endsumme reichte der Vorsprung nicht. Beide erlangten knapp 260 Punkte, wie die SZ bereits am Montag berichtete; ein einziger davon hat dann den Ausschlag für die „Boandlkramerei“ gegeben.

Tradition im Zeichen des Herzkasperls (c) Veranstalter

Bachmaier hatte sich im Vorfeld auf zentrale Kritikpunkte eingestellt – sogar ein eigenes Zelt gekauft. Doch auch das half nichts. Der rot-grüne Stadtrat schloss sich der Empfehlung des Wirtschaftsreferats an und vergab den Zuschlag erneut an Schöniger. Die Entscheidung hinterlässt einen schalen und bitteren Nachgeschmack. Musiker Hans Well äußerte sich in der AZ deutlich: „Dass interessierte Kungelkreise die Presse schon vorab mit einer Entscheidung versorgten, die längst gefallen war, bevor der Stadtrat abstimmte, wirft ein trübes Licht auf die Verantwortlichen der Stadt – inklusive Wirtschafts- und Wiesnreferat.“ Ja, da kann man schon mal ins Grübeln kommen.

Zum Beispiel, wie es sein kann, dass ein Punkt die Zulassung eines Zeltes verhindern kann, das bei vielen Münchnerinnen als einzige Alternative zum allgemeinen Wiesn-Wahnsinn-Ballermann gilt – wie eine Petition letztes Jahr mit über 12.000 Unterschriften bewiesen hat. Ein Zelt, das in zehn Jahren nicht durch Alkoholleichen, Polizeieinsätze und Raufereien auffiel, sondern durch ein hervorragendes Musikprogramm zwischen Tradition und Moderne mit anspruchsvollsten Gruppen und Künstlerinnen wie zum Beispiel Kofelgschroa, G.Rag & Die Landlergschwister, Well Buam, Hochzeitskapelle, Loisach Marci, der umfangreichsten vegetarischen und veganen Speisekarte mit ausschließlich Bio-Produkten von regionalen Erzeuger*innen und einem hervorragenden, kostenlosen Kinderprogramm am Nachmittag, das viele Familien anzog.

Hauskapelle G.Rag & Die Landlergeschwister (c) Veranstalter

Dass ein solches Angebot im Stadtrat keine Mehrheit mehr findet, ist mehr als bedauerlich – es ist ein kulturpolitisches Armutszeugnis. Offenbar hat auch dieser (noch) Rot-Grüne-Stadtrat kein echtes Interesse mehr an der Idee einer „Oidn Wiesn“ als Gegenentwurf zur kommerziellen Großveranstaltung namens Oktoberfest auf der Theresienwiese. Dabei war das genau das ursprüngliche Konzept, als die Oide Wiesn zur Jubiläumsfeier 2010 ins Leben gerufen wurde: ein Ort für Atmosphäre, Kultur, Einkehr und nachhaltige Gastronomie. Genau dafür stand zehn Jahre lang das Herzkasperlzelt, das nach einer Bühnenfigur des großen Schauspieler und Kabarettisten Jörg Hube benannt war.

Doch diese Unterscheidung scheint nicht mehr erwünscht. Punkt hin oder her. Und so wirkt es nur noch wie eine Frage der Zeit, bis man den Zaun abbaut – und die Oide Wiesn endgültig ins Oktoberfest integriert. Kaum zu glauben. Aber so schaut’s aus.

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