Die beste Kultur auf der Wiesn: Herzkasperlzelt

Oide Wiesn 2024: Boandlkramer statt Herzkasperl

Jetzt steht es fest: Das beliebte Herzkasperlzelt wird heuer nicht auf der Oidn Wiesn vertreten sein – nächstes Jahr könnten die Karten aufgrund neuer Bewertungskriterien neu gemischt werden.

Dass der Boandlkramer eine legendäre Volksfigur ist, wissen die meisten Theater- und Filmfreunde seit den legendären Darstellungen der bayrischen Variante des Gevatter Tod durch Toni Berger und jüngst Bully Herbig. Dass nun ein Zelt namens Boandl Kramerei das Aus für das beliebte Herzkasperlzelt auf der Oidn Wiesn 2024 wird, grenzt an Ironie des Schicksals. Obwohl nicht ganz: Das Schicksal fußt hier auf einem Vorsprung von 28 Punkten bei der Bewertung der Bewerber für ein Zelt auf der Oidn Wiesn in 13 Kategorien, die Peter Schöniger von der Festhalle Bayernland, der hinter der dem neuen Zelt steht, gegenüber dem Dauerbrenner Herzkasperlzelt von Fraunhoferwirt Josef „Beppi“ Bachmaier und Programmchef Martin Jonas für sich entscheiden konnte. 

Beliebt bei den Münchnerinnen und Münchnern
(c) Herzkasperlzelt

Beliebt bei den Münchnerinnen und Münchnern: Das Herzkasperl Festzelt

Seit ein paar Wochen rauscht es im Münchner Presseblätterwald angesichts einer drohenden Absage für das bei den Münchnerinnen und Münchnern beliebte Zelt – eine Facebook-Gruppe wurde für den Erhalt gegründet, eine Petition haben bereits rund 12 000 Menschen unterschrieben. Eine endgültige Stadtrat-Entscheidung wurde auf den 7. Mai vertagt, das Kulturreferat sollte noch eine Einschätzung abgeben, da das Kulturprogramm in der bisherigen Punktebewertung praktisch keine Rolle gespielt hat und damit eine zentrale Kernkompetenz des Herzkasperlzelts nicht zur Berücksichtigung kam. Obwohl dann doch ein paar „Kulturpunkte“ (11 für Bachmaier, 7 für Schöniger) in die Bewertungskriterien, deren Transparenz oft kritisiert wird, eingeflossen sind – es hat für das Herzkasperlzelt dieses Jahr nicht gereicht.

Dass die Kriterien für die Oide Wiesn, die ja praktisch bewusst als Gegenentwurf zur „normalen“ kommerziellen Wiesn (auch auf aufgrund einer Unterschriftensammlung im Herzkasperlzelt im Jubiläumsjahr 2010) einen ab- und eingegrenzten Platz am Rande des größten Volksfestes der Welt fand, nicht schon vor Jahren geändert wurden, halten auch Ex-Stadtrat Helmut Pfundstein (CSU) oder Oide Wiesn-Miterfinder Karl-Heinz Knoll (Festring e.V., Festzelt Tradition) für ein schwerwiegendes Versäumnis, das nun zu Ungunsten des Herzkasperlzelts zum Tragen kommt. 

Im Zeichen des Kasperls
(c) Herzkasperlzelt

Im Zeichen des Kasperls

Dass der amtierende Wiesnchef und Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) laut SZ nicht unbedingt mit Sympathien für Bachmaiers Zelt glänzt und eher in dem Beitrag durch Schulvergleiche (?) und einem angedeuteten Zweifel an den Fähigkeiten des Fraunhofer-Wirts (der dort dieses Jahr sein 50zigstes Jubiläum feiert!) auffällt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die aktuelle Punkte-Lage eindeutig ist. Und dass man nach dem Abgabeschluss nicht die Kriterien ändern kann, versteht sich von selbst – wobei wir wieder bei den angesprochenen Versäumnissen wären. Ein Umschwenken des Stadtrats zugunsten Bachmaiers könnte juristische Konsequenzen nach sich ziehen, befürchtet nicht nur Baumgärtner – der studierte Jurist hat aber sicherheitshalber schon mal im Vorfeld zwei Rechtsgutachten einholen lassen, laut denen Schöninger gegen die Stadt klagen könnte, wenn er keine Zulassung bekäme. 

Das Ergebnis würde ihr wehtun, gestand Wiesn-Stadträtin Anja Berger (Grüne) gegenüber der AZ. Es sei aber für dieses Jahr nicht mehr zu ändern. Die Fraktionen Grüne und SPD haben Mitte April, viel zu spät, beantragt, die Bewertungskriterien für die Oide Wiesn zu ändern -greifen wird diese Regelung, so sie denn durchgeht, allerdings erst für das Oktoberfest 2025. 

Petra und Peter Schöninger
(c) H.u.P. Schöniger GmbH, Markus Götzfried

Die Neuen auf der Oidn Wiesn: Petra und Peter Schöniger

Nun gilt es den neuen Betreiber Peter Schöniger laut eines Zitats in einer Pressemitteilung, die bereits einige Minuten vor der Verkündung der Entscheidung die Redaktion erreichte, beim Wort zu nehmen: „Viele bekannte Gesichter der Volksmusikantenszene und junge neue Talente, die einen frischen Geist und Musikstücke mitbringen, werden für schöne Überraschungsmomente sorgen.“ Bleibt zu hoffen, dass sich diese nicht auf einen Auftritt des Festzelt Bayernland-Stars Mickie Krause im Dirndl beschränken. Und sein Kulturbeauftragter Winfried Frey ergänzt auf die Frage, was das Publikum in der Boandl Kramerei erwarten darf: „Ein urbayerisches, generationenübergreifendes Lebensgefühl … zu den gegenwärtigen Klängen und Rhythmen der Volksmusikszene“. Namen von auftretenden Künstlerinnen und Künstlern wurde bisher keine genannt – aber sollten wenigstens ein paar Gruppen und deren Ausrichtung nicht schon in einer Bewerbung stehen, die ja bekanntlich gegen die angeblich „dünne“ Bewerbung Bachmaiers (laut Berger) punkten konnte? In der Pressemitteilung spart Schöniger nicht mit emotionalen Worten, unter anderem mit dem Boandl-Kramerei-Motto: „Genieße dein Leben, solange du es hast und feiere und habe Freude dabei!“ Aha. Ok.

Ein Kommentar

Boandlkramer statt Herzkasperl – Der eigentliche Skandal dieses Münchner Possenspiels ist (nicht nur laut Pfundstein und Knoll) das Versäumnis des Münchner Stadtrats inkl. Oberbürgermeister und Wiesn-Stadträtin, die Bewertungskriterien für die Oide Wiesn seit Jahren nicht geändert zu haben – spätestens seit der Neuvergabe des Zeltes „Zur Schönheitskönigin“ von Gerda Reichert, die punktemäßig gegen Lorenz Stiftls „Schützenlisl“ verloren hat, hätten diese zugunsten einer weit höheren Wertung in Sache Kultur geändert werden müssen. Dass das Referat für Wirtschaft und Arbeit auch in Zukunft für diese besondere Aufgabe auf der Oidn Wiesn federführend zuständig ist, müsste ebenfalls überdacht werden – auch mit neuem Referenten. 

Dem Stadtrat sei hiermit eine ebenso akribische Bewertung des neuen Zeltes bei laufendem Betrieb auch hinsichtlich weiterer Kriterien empfohlen, die das Herzkasperlzelt bei vielen Münchnerinnen und Münchner sehr beliebt gemacht haben: Jeden Nachmittag Kindertheater, ein großer Tanzboden statt Biertischen, die größte vegane, vegetarische Karte der ganzen Wiesn und eben ein Kulturprogramm, das anderswo als eigenes echtes Volksmusik-Festival mit über 60 Gruppen aus Bayern und der Welt durchgehen würde. Übrigens: Dass auch die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher ein Kriterium im Punktekatalog sein sollte, wäre ebenfalls nicht abwegig. Dann würde das Herzkasperlzelt wohl bestens abschneiden, denn in all den Jahren gab es keinen einzigen Polizeieinsatz wegen einer Schlägerei.

Beppi Bachmaier gibt sich übrigens kämpferisch und wird sich nächstes Jahr wieder bewerben. Sein Kultur-Programm dürfte jetzt schon stehen.