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Cannabis-Unternehmer Ivan Garev: „Dynamo Kiew ist weiß-blau – wie die Löwen!“

Unternehmer Ivan Garev
Rät zur Geduld bis zur vollständigen Legalisierung von Cannabis: Ivan Garev © Drapalin

Unternehmer, Fußball-Fan und TSV-1860-Unterstützer: Ivan Garev hat einen Cannabis-Importeur in München mitgegründet – für die medizinische Nutzung.

Herr Garev, die Cannabis-Legalisierung für private Nutzer ist von der Bundesregierung zumindest schon lange angekündigt. Wenn es so weit ist, muss man dann am besten Ihre Nummer ganz oben im Handy gespeichert haben?
(lacht) Na ja, ganz so schnell wird’s wohl doch nicht gehen. Ich glaube, es gibt zu dieser Frage von vielen Seiten falsche Erwartungen. Bis es zur vollständigen Legalisierung kommt, muss sich noch viel bewegen. Was wir machen, ist aber schon auf dem Markt. Wir importieren Cannabis und beliefern damit Apotheken für die medizinische Nutzung.

Wie kommt man denn eigentlich auf so ein Geschäftsfeld?
Da muss man ein wenig ausholen. Ich stamme aus der Ukraine. Zusammen mit meinem Bruder, meiner Oma und meinen Eltern sind wir 1998 hierhergekommen. Ich habe jüdische Vorfahren, deswegen sind wir nach Deutschland ausgewandert. Nach der Schule und Ausbildung habe ich 13 Jahre lang als Vermesser gearbeitet und mit den Stadtwerken München oder der Telekom Gasspeicher und Werke gebaut. Große Projekte.

Aber nicht unbedingt der direkte Weg zum Cannabis.
2017 wurde medizinisches Cannabis in Deutschland dann, wie es im Fachbegriff heißt, „erstattungsfähig“. Zuvor gab es zwar schon ein Verschreibungsverfahren, aber nur für wenige Patienten – und es war unglaublich kompliziert. 2017 erfolgte mit der Erstattungsfähigkeit von Cannabis dann ein wichtiger Schritt.

Was heißt das konkret?
Um Cannabis für medizinische Zwecke zu beziehen, gibt es zwei Möglichkeiten: entweder verschreibt es der Arzt auf einem Privatrezept oder man stellt einen Antrag auf Kostenübernahme bei einer Krankenkasse. Im Falle einer Verschreibung auf Privatrezept trägt der Patient zwar selbst die Kosten, erspart sich aber dadurch die sonst erforderliche Prüfung durch die Krankenkasse. Andernfalls unterliegt eine Verschreibung einem Genehmigungsvorbehalt. Dies bedeutet, dass eine Erstattung der Arzneimittelkosten erst dann erfolgt, wenn eine Prüfung durch die Krankenkasse stattgefunden hat.

Wo kommt dann Drapalin ins Spiel?
2017 haben wir unsere Firma gegründet. Und wie man sich vorstellen kann, war das hier in Bayern ein langer, steiniger Weg, bis unser Unternehmen die Erlaubnis für den Import von medizinischem Cannabis bekommen hat. Aber letztendlich konnten wir die Regierung von Oberbayern von unserer Professionalität und hundertprozentiger Zuverlässigkeit überzeugen. Anfang 2019 erteilte man uns die entsprechenden Erlaubnisse zum Import. Theoretisch hätten wir dann schon mit dem Handel anfangen können.

 „Laut offiziellen Schätzungen der Bundesregierung wird der Konsum der Deutschen zirka 400 Tonnen Cannabis pro Jahr betragen. Kleiner Seitenblick: Die inoffiziellen Schätzungen gehen eher von 2000 Tonnen aus. Aber selbst sehr groß angelegte Anbau-Facilities auf deutschem Grund können pro Jahr jeweils lediglich rund sechs Tonnen produzieren. Da kann man sich ja ausrechnen, wie viele Anlagen dieser Art man benötigen würde, um den erwarteten Bedarf der deutschen Konsumenten zu decken.“

Ivan Garev

Aber?
Wir brauchten dann noch mal fast eineinhalb Jahre, um die richtigen Produzenten zu finden. Das ist in unserer Branche das Allerschwierigste. Wir waren in Kanada, Spanien und allen möglichen Ländern. Nach langer Suche haben wir unseren Produzenten dann endlich in Lesotho gefunden.

In Südafrika?
Genau – „The Kingdom in the Sky “. Die kleine unabhängige Enklave mitten in Südafrika – mit einem eigenen König. Ehrlich gesagt, hatte ich damals von dem winzigen Land so gut wie noch nie etwas gehört. Doch wie sich herausstellte, findet der Anbau dort auf höchstem pharmazeutischem Niveau statt. Wir haben die Prozesse gemeinsam mit der Regierung von Oberbayern qualifiziert und zertifiziert. Seit August 2021 führen wir die Produkte aus Lesotho ein und vertreiben sie hier über die deutschen Apotheken an die Patienten.

Im Fernsehen hat man ja zuletzt immer wieder Pläne für High-Tech-Hochregal-Produktionsstätten gesehen – auch im eigenen Land. Wie lange setzen Sie auf den Handel?
Es gibt bislang nur sehr wenige Firmen, die bei uns anbauen dürfen. Die nächsten Ausschreibungen für solche Lizenzen könnten in diesem Jahr stattfinden. Es ist aber leider so, dass das Geschäft mit dem Anbau in Deutschland derzeit überhaupt nicht rentabel ist.

Warum?
Es wird zwar deutsches Cannabis hergestellt. Aber die Kosten sind bislang so hoch, dass die Produzenten ihre Investitionskosten unter den derzeit geltenden Gesetzen so gut wie nicht amortisieren können.

Liegt das auch an den hohen Energiekosten?
Es sind ja Bunker, in denen Cannabis produziert werden darf. Das liegt an den sehr hohen, strengen Vorgaben, die dort erfüllt werden müssen – etwa mit dicken Stahlbetonwänden. Angesichts der hohen Kosten ist das kein Geschäft. Das Vorhaben der deutschen Regierung bei der Cannabis-Legalisierung wirkt – vorsichtig gesprochen – was die Erwartungen angeht, etwas abenteuerlich.

Inwiefern?
Laut offiziellen Schätzungen der Bundesregierung wird der Konsum der Deutschen zirka 400 Tonnen Cannabis pro Jahr betragen. Kleiner Seitenblick: Die inoffiziellen Schätzungen gehen eher von 2000 Tonnen aus. Aber selbst sehr groß angelegte Anbau-Facilitys auf deutschem Grund können pro Jahr jeweils lediglich rund sechs Tonnen produzieren. Da kann man sich ja ausrechnen, wie viele Anlagen dieser Art man benötigen würde, um den erwarteten Bedarf der deutschen Konsumenten zu decken. Bislang gibt es nur drei solche Produktionsstätten in Deutschland. Und auch bei diesen Anlagen vergingen vom ersten Tag des fertig gestellten Baus bis zur Auslieferung des fertigen Produkts teilweise über drei Jahre. Da wird es schwer, die hoch angesetzten Erwartungen zu erfüllen. Man muss realistisch bleiben.

Was ist denn Ihre Vision? Ab wann wird aus Drapalin ein Unternehmen, das bei entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen auch direkt für Konsumenten interessant werden könnte?
Bei allen Unternehmen auf unserem Markt – Großhändlern und Cannabis-Importeuren, die seit 2017 entstanden sind, war die Hauptidee immer, eines Tages in den Freizeitmarkt für Cannabis-Konsumenten zu gehen. Allerdings: Schon kurz nachdem wir anfingen, uns mit Cannabis zu beschäftigen, wurde uns klar, dass das eine wertvolle Medizin ist. Aber ich hatte damals noch nicht geahnt, was für eine enorme positive Auswirkung Cannabis als Medizin auf das menschliche Leben haben kann.

Woher nehmen Sie diese Zuversicht?
Als Pharmaunternehmen dürfen wir keinen direkten Kontakt mit Patienten haben. Aber natürlich melden sich auch Verbände oder die Patienten selbst bei uns und erzählen uns ihre Geschichten. Was Cannabis bei der Steigerung der Lebensqualität bei diesen Menschen bewirkt hat, ist einfach nur außergewöhnlich! Deswegen: Ja, wir schauen auf den weiteren Weg der Legalisierung – zur Entwicklung in Richtung zum Freizeitkonsum. Aber zum jetzigen Zeitpunkt ist unser Thema Nummer eins: Erleichterung des Zugangs für den Patienten zu seinem Medikament.

Warum das?
Die bürokratischen Hürden für den Erwerb von medizinischem Cannabis, etwa bei schweren Erkrankungen, sind weiterhin sehr hoch. Dies gilt sowohl für die Patienten als auch für Ärzte. Und auch den Aufwand für die Apotheken darf man nicht unterschätzen. Selbstverständlich muss es diese strikten Regeln geben, wir befinden uns im Pharma-Geschäft. Die Sicherheit des Patienten muss gewährleistet sein. Aber es kann doch nicht sein, dass ein sterbenskranker Palliativ-Patient, der vielleicht nur noch einen Monat zu leben hat, einen Antrag bei der Krankenkasse stellen muss – und deren Antwort liegt erst eineinhalb Monate später vor. Das sind wirklich keine Einzelfälle – leider!

Suchen Sie auch deswegen die Öffentlichkeit? Wie kommt es denn zu der Unterstützung Ihrer Firma Drapalin für den TSV 1860?
(lacht) Das war uns immer eine Herzensangelegenheit. Natürlich geht es beim Sport um Gesundheitsthemen. Wir unterstützen aber auch aus Überzeugung die sozialen Projekte des Vereins. Ich bin Fußballfan, seit ich ein kleiner Junge war. Mein ursprünglicher Verein war Dynamo Kiew. Der ist auch weiß-blau – wie die Löwen! Mein Vater, der ebenfalls schon immer glühender Fan war und einst für wichtige Spiele kreuz und quer durch die damalige Sowjetunion reiste, hatte uns schon früh erklärt: In München gibt es nur einen Verein, der wichtig ist: Und der heißt 1860!

Interview: Rupert Sommer

Über Ivan Garev

Power-Konstellation Kiew-München-Lesotho: Ivan Garev, eigentlich ein gelernter Vermesser und nun Vertriebsleiter von Drapalin, hat das Münchner Großhandels- und Importunternehmen für medizinisches Cannabis zusammen mit seinem ebenfalls ursprünglich aus der Ukraine stammenden Bruder Ilya Garev sowie mit Lana Korneva, Anne-Sophie Cavar und Konstantin Lubsky gegründet. Das Start-up, das auch Sponsor der Löwen ist, hat noch viel vor. www.drapalin.de