Sommerzeit ist Festivalzeit. Gleich mehrere Großveranstaltungen zeigen im Juli die Vielfalt des Jazz.
Augsburger Jazzsommer
Die Anfahrt ist kurz, die Location einmalig. Auch heuer lockt der Augsburger Jazzsommer wieder in die verwunschen schöne Anlage des Botanischen Gartens. Inmitten von Rabatten und Arrangements exotischer Pflanzen dient ein großzügiger Pavillon als Konzert-Bühne für ein Programm, das den Spagat hinbekommt niemanden zu überfordern und doch immer sehr anspruchsvoll zu sein.
„Die Leute kommen natürlich auch, weil´s so schön ist. Die Atmosphäre ist wirklich magisch“, sagt der Schlagzeuger Tilman Herpichböhm, der ausgerechnet im verflixten Corona-Jahr 2020 die künstlerische Leitung des Jazzsommers übernahm. „Nicht nur durch den benachbarten Zoo, sondern auch durch die Enten und Frösche im Park sind dauernd Tiergeräusche wahrzunehmen. Und manchmal passiert dann etwas Unvergessliches. Als der Saxofonist James Carter vor einigen Jahren bei uns gespielt hat, quakten die Enten im Botanischen Garten und Carter ist tatsächlich während seines Solos mit ihnen in einen Dialog getreten.“
Wer weiß, vielleicht kommt es zwischen dem 2. Juli und 6. August wieder zum regen Austausch zwischen den Kreaturen der Fauna und tierisch guten Jazzern. Tilman Herpichböhm hat Aaron Park´s Little Big (2.7.), John Scofield´s Long Days Quartet (9.7.), die Sängerin Camille Bertault (16.7.), das Christian McBride Trio (23.7.), die Nils Petter Molvær Group (30.7.) und Anat Cohen´s Quartetinho (6.8.) in den Park eingeladen. Auch die Nebenreihe des Programms im schönen Brunnenhof des Zeughauses Augsburg sollte nicht vergessen werden. Dort treten unter anderem Jelena Kulić & Fundamental Interactions (12.7.) oder die Insomnia Brass Band (19.7.) auf.
Jazzweekend Unterföhring
Der Bassist Harald Scharf, der seit Jahren die Programmierung beim Jazzweekend Unterföhring übernimmt, hat ein ähnliches Anliegen wie Herpichböhm. Auch er möchte ein Publikum gewinnen, das einerseits vielleicht noch nicht besonders jazzaffin ist, andererseits auch aus Kennern der Szene besteht. Seine Acts stehen „im besten Falle für Tiefgang, für Musik, die berührt und etwas zu sagen hat.“ Auch ist ihm wichtig, dass Künstlerinnen und Künstler im Bürgerhaus Unterföhring auftreten „die nicht unbedingt in München oder auch bei den umliegenden Festivals zu hören sind.“ Engagiert hat er die Sängerin und Harfenistin Sophye Soliveau (18.7.), die eindringlich zwischen Soul, Gospel, R & B und Jazz zu vermitteln weiß, dann mit Michael Mayo (19.7.) einen der charismatischsten jungen Sänger des Jazz (19.7.) und schließlich den Trompeter Ambrose Akinmusire (20.7.), der trotz seines Alters längst eine Legende ist und im Bürgerhaus ein Jazz-Ensemble mit Streichquartett und Rapper präsentiert.
Jazz Sommer im Bayerischen Hof
Die Landesmusikräte haben sich geeinigt und die Stimme zum Instrument des Jahres 2025 erkoren. Dieses Votum hat den Journalisten Oliver Hochkeppel inspiriert, „Voices“ als Oberthema über das Jazz Sommer-Programm im Bayerischen Hof zu setzen. Über die jüngste Ausgabe des Festivals, das er seit Jahren kuratiert und das im Festsaal, im Nightclub und im Kino des Münchner Hotels stattfindet, sagt er: „Es versucht die Vielfalt und Bandbreite dieses universellsten und ältesten Instruments im Rahmen von sieben Konzerten abzubilden. Es soll unter dem Motto schon ziemlich bunt zugehen.“
Forsche Jugend trifft auf reichlich Erfahrung beim Jazz Sommer. So kann sich Hochkeppel über die Zusage einer der großen Diven des Jazz-Gesangs freuen: Dee Dee Bridgewater (22.7.). Sie steht als Headliner über einem Programm, das im Bereich Gesang eher dem stolzen Nachwuchs und Künstlerinnen wie Künstlern überlassen wurde, die es noch zu entdecken gilt. So tritt mit Katharina Pfeifer eine Frau an Mikrofon, die kürzlich den „Kurt Maas Jazz Award“ für sich entscheiden konnte (21.7.). Groß gehandelt wird der blutjunge haitianisch-amerikanische Sänger Tyreek McDole, der sich in seinem Konzert (22.7.) etwa vor Pharoah Sanders verneigt. Dann trifft noch Jungstar Alma Naidu auf den Sänger/ Gitarristen Torsten Goods (24.7.). Und die sensationelle Sängerin/ Pianistin Christie Dashiell verdient unbedingt Aufmerksamkeit. Abseits des Festival-Mottos gibt es beim Jazz Sommer Konzerte von Lars Danielsson & Liberetto (23.7.) und dem Jazz Department der Söhne Mannheims (26.7.).

Die Unterfahrt bekommt im Juli eine Belüftungsanlage, die eigentlich schon im letzten Jahr hätte eingebaut werden sollen. Die Installation wird sich bis in die erste Augustwoche ziehen. Damit das Stammpublikum des Clubs bis zur Wiedereröffnung musikalisch nicht ganz auf dem Trockenen sitzt, weicht das Unterfahrt-Team auf andere Räumlichkeiten im Kulturzentrum Einstein aus. So gibt Aaron Parks Kleinformation Little Big ein Konzert mit großem Soundbild (3.7.). Am nächsten Tag (4.7.) stellt Trompeter Dave Douglas sein aktuelles Quartett vor. Der gerade erst mit Deutschen Jazzpreis ausgezeichnete südafrikanische Pianist Nduduzo Makhathini vermittelt dann am 7.7. zwischen inspirierten Heimatklängen und Jazz afroamerikanischer Prägung. Mit einer knackigen Mixtur aus New Orleans-Klängen, Funk und R & B will Pianist Jon Cleary das Einstein zum Kochen bringen (16.7.) und das fast schon legendäre Quartett des Tenoristen Mark Turner zeigt am 19.7. noch, wie schillernd schön Abstraktion sein kann.
Jazz-Tipps
„Jazz+“ in der Seidlvilla
Zwei des Trios Cheel gehören zu denen, die mit lauter großartigen Ideen und Konzepten frischen Wind in die deutsche Szene bringen und sich medial über viel Beachtung freuen dürfen: die Saxofonistin/ Komponistin Luise Volkmann und der Schlagzeuger/ Komponist Max Andrzejewski. Zusammen mit dem Gitarristen Paul Jarret bieten sie uns laut eigenem Bekunden eine Mixtur aus Folksongs und improvisierten Klangcollagen – am 8. Juli bei „Jazz+“ in der Seidlvilla.
Evi Filippou & Robert Lucaciu in der Auferstehungskirche
Da tauschen sich zwei mit fast telepathischer Anmutung musikalisch aus, setzen sich über Grenzen hinweg, erschließen neues Terrain: unbedingt hingehen zum „Westend Vibes“-Konzert der griechischen Vibrafonistin Evi Filippou und des deutsch-rumänischen Bassisten Robert Lucaciu in die Auferstehungskirche (10.7.). M
Mathis Picard
Zur Einstimmung: auf YouTube gehen und das Solo-Konzert des französischen Pianisten Mathis Picard aus dem New Yorker „Yamaha Studio“ anhören. Begeistert? Gute Nachrichten: der Virtuose macht sich im Rahmen der Reihe „Einsteins Piano“ im Einstein über den Steinway her (21.7.).