Mode ist mehr als Marken – findet Annette Weber. In ihrem neuen Buch „Stil beginnt im Kopf“ zeigt die ehemalige InStyle-Chefredakteurin, dass wahre Eleganz nicht im Preisschild steckt, sondern in Haltung, Ausstrahlung und Persönlichkeit. Mit feinen Anekdoten und klaren Tipps verbindet sie Basics, Signature-Pieces, Körpersprache und moderne Etikette zu einem Kompass für alle, die Stil als Lebenshaltung begreifen wollen.
Wir haben mit einer der bekanntesten Modejournalistinnen und erfolgreichen Influencerin über Münchens Stil-DNA, einen geschmackvollen Wiesn-Auftritt und den schönsten Platz für zwei Bier und Blasmusik gesprochen.


IN München: Empfinden Sie unsere Stadt modisch manchmal als langweilig – der Vorwurf hält sich ja hartnäckig?
Annette Weber: Überhaupt nicht! Ganz im Gegenteil. Münchnerinnen – und übrigens auch die Münchner Männer – sind viel internationaler und geschmackssicherer unterwegs, als man ihnen oft nachsagt. Die Stadt ist reich, kosmopolitisch und offen für Neues. Dieses Selbstbewusstsein spiegelt sich auch im Stil wider. Und ganz ehrlich: Wer mal in Düsseldorf unterwegs war, weiß, wovon ich spreche. München wirkt dagegen sehr zeitgemäß.
In welchen Stadtteilen begegnen Ihnen die stilvollsten Menschen?
Jeder Stadtteil hat seinen ganz eigenen Stil. In Schwabing sehe ich viele entspannte Jeans-und-Blusen-Looks, gerade am Wochenende im Englischen Garten. In Bogenhausen wiederum ist das Bild viel eleganter: Chanel-Taschen, edle Jeans, ein gepflegtes Auftreten – gern rund um den Kufsteiner Platz. Und natürlich die Maximilianstraße: Da bringe ich internationale Freunde hin, weil dort die Dichte an schicken Frauen und Männern wirklich beeindruckend ist. München ist also sehr viel facettenreicher, als man denkt.
Shopping abseits der großen Luxuslabels – wo lohnt es sich in München?
Ich gestehe, ich bestelle viel direkt bei den Labels. Aber wenn ich in München einkaufe, dann sehr gern bei Lodenfrey. Der Laden ist ein Klassiker und er hat eine besondere Stärke: die Beratung. Gerade, weil dort auch Verkäufer:innen arbeiten, die jahrzehntelange Erfahrung haben. Eine 70-jährige Verkäuferin berät eine gleichaltrige Kundin eben ganz anders – auf Augenhöhe. Dieses Wissen, dieses Gespür für das Richtige, das ist für mich wahrer Stil. Das Gleiche gilt für die Herrenabteilung: Da weiß man sofort, welches Unterhemd zu welchem Hemd passt. Solche Details machen am Ende den Unterschied.

Ihr liebster Inspirationsort in München?
Definitiv der Chinesische Turm. Das ist mein Home Turf. Am Wochenende sitze ich dort im Jogginganzug mit einem Bier – oder auch zwei – und genieße die Blasmusik. Ich liebe, wie demokratisch dieser Ort ist: Punker neben Pelzträgerinnen, Adelige neben Studierenden, Alt und Jung an einem Tisch. Diese Mischung, diese Leichtigkeit – das ist für mich München pur.
Support your locals: Ein Münchner Label oder eine Designerin, die Sie empfehlen?
Besonders mag ich die Schmucklabels SéVigné und Cada – beide stehen für Eleganz, Handwerkskunst und modernes Design. Ich finde, gerade Schmuck zeigt oft besser als Mode, wie individuell Stil sein kann. Wer hier in München nach Besonderem sucht, wird dort fündig.
Wiesn steht vor der Tür – Ihr ultimativer Trachten-Tipp, damit der Auftritt stilvoll bleibt?
Ich liebe die Dirndl von Kinga Mathe – sie sind couturig, stilvoll und haben moderne Farbkombinationen, die trotzdem zur Tradition passen. Bordeaux, Grün oder Braun sind wunderschön und mal etwas anderes als die Klassiker. Wer es frecher mag, kann zu einer Lausbuben-Lederhose mit coolem T-Shirt greifen – das ist nicht nur bequem, sondern auch ein prima Gesprächsöffner. Und Blumen im Haar sind immer ein Highlight. Am schönsten sind frische Kränze – wie gerade bei Heidi Klum zu sehen war – auch wenn sie leider nicht lange halten. Aber für ein, zwei Abende auf der Wiesn sind sie unschlagbar.


Über Stil – jenseits von Münchens Postleitzahlen
Ihr Buch heißt „Stil beginnt im Kopf“. Heißt das: Stil braucht keine dicke Geldbörse?
Genau. Stil hat mit Geld nichts zu tun. Man kann mit wenig Geld sehr stilvoll sein. Viele verwechseln Mode mit Stil – aber Stil ist mehr. Es ist, wie man lebt, wie man mit anderen umgeht, wie man sich hält. Gerade Frauen in der Lebensmitte verstehen das oft sehr gut, weil sie wissen, dass das Leben nicht immer nur geradeaus verläuft. In diesen Momenten zeigt sich, ob jemand wirklich Stil hat.
Hat Stil etwas mit Alter zu tun?
Ich glaube schon. Wenn man jung ist, hat man eher „Style“ – man probiert sich aus, macht Fehler, trägt auch mal Verrücktes. Das ist wichtig und richtig. Aber mit der Erfahrung kommt das Gespür. Ich habe unzählige Shows und Kollektionen gesehen. Das schärft den Blick. Je älter ich werde, desto sicherer weiß ich: Das passt, und das eben nicht.



Sie schreiben „Eine vornehme Frau ist leise“ – passt das mit den aktuellen Feminismus-Debatten zusammen?
Absolut. Ich halte mich selbst für eine sehr feministische Frau. Aber für mich bedeutet das nicht, laut oder aggressiv sein zu müssen. Man kann seine Meinung klar äußern, ohne hasserfüllt oder beleidigend zu werden. Genau das ist stilvoller Feminismus.
In politisch angespannten Zeiten – warum gerade jetzt ein Buch über Stil?
Gerade jetzt ist es wichtig. Draußen ist so viel Hass, so viel Lärm. Mein Buch ist ein kleiner Eskapismus: eine Einladung, innezuhalten, zu atmen, sich mit schönen Dingen zu beschäftigen. Ob bei einer Tasse Tee, einem Cappuccino oder einem Glas Champagner – es geht um Momente, die guttun. Und die brauchen wir in Zeiten wie diesen besonders.
