Dieser Jazz-Monat wird musikalisch so bunt wie das Herbstlaub.
Wer diese ungeheuer freundliche, angenehm scheue und zurückhaltende Frau trifft, könnte sie für eine Studentin halten. Dabei hat sie schon viele Jahre den Rang einer Professorin inne – obwohl sie gerade erst 35 ist. Am Londoner „Trinity Laban Conservatory For Music And Dance“ unterrichtet die englische Trompeterin Laura Jurd Komposition. Mit der aus Hampshire stammenden Musikerin sicherte sich die Lehranstalt die Dienste einer Frau, die im Bereich Jazz und Crossover zu den größten Tonsetzer-Talenten des Kontinents zählt. Auf erfrischende und immer höchst spannende Weise setzt Laura Jurd Texturen und Strukturen ein. Sie spielt höchst gekonnt mit Formen, Instrumentierungen, Versatzstücken. Und sie scheut sich nicht, Regeln zu brechen und Prinzipien zu umgehen. Was sie alles kann, zeigte sie bereits mit ihren Bands „Dinosaur“ oder „Stepping Back, Jumping In“ oder im Duo mit ihrem Mann, dem Pianisten Elliot Galvin. Ihr neuestes Werk Projekt Rites & Revelations, das sie am 18. November in
der Unterfahrt vorstellt, ist eine Rückbesinnung auf die britischen Volkslieder, mit denen sie einst aufwuchs. Doch ihre Erinnerung durchläuft diesen ganz speziellen Jurd-Filter. Herangegangen ist sie an die Musik wie an jede andere in ihrem Oeuvre: „Für mich ist es, als wenn ich ein Tier aufgezogen habe, um es dann wieder in die Wildnis zu entlassen. Wenn ein Stück Musik erst einmal dokumentiert wurde, wird es länger leben als ich. Es entwickelt eine eigene Identität. Auf sehr schöne Weise gehört deine Komposition dir nicht mehr. Außerdem sind individuelle Hörerfahrungen so unterschiedlich, dass jeder Song von jedem Menschen anders wahrgenommen wird.“
Jazz-Tipps
In der Unterfahrt zeigen die Pianistin Aki Takase und der Tenorist Daniel Erdmann, dass sie ein ähnliches Humor- und Jazzgeschichtsbewusstsein haben (4.11.).
Im „Import Export“ inszeniert Schlagzeuger Simon Popp die 14. Ausgabe von Percussive Maintenance (5.11.). /// Der legendäre Bassist Dave Holland hat ein neues Trio am Start: mit Altist Jaleel Shaw und Drummer Nasheet Waits (Unterfahrt, 6.11.) In der Seidlvilla möchte das Trio Flut Christopher Kunz, Isabel Rößler und Samuel Hall die Gehörgänge des Publikums in der Reihe „Jazz+“ fluten (11.11.) Hoch die Tassen: Bassist Wolfgang Schmid feiert seinen 77. Geburtstag mit einer entsprechenden Sause in der Unterfahrt (11.11.). Die „Swing Manouche-Reihe“ im Einstein schmückt sich mit einem Konzert des Gitarristen Giovanni Weiss (12.11.). Solange die Schranne renoviert wird, haben die Jazz e.V. Dachau-Konzerte mit den Kunstwerken ein schönes Ausweichquartier gefunden. Dort gastiert im November etwa das Trio Brom (14.11.). Eine JB-Horns-Legende hält Audienz im Nightclub: Posaunist Fred Wesley (18.11.).
Das umwerfende Kölner Fuchsthone Orchestra füllt mit Star-Gast Evi Filippou (Vibrafon) die Unterfahrt-Bühne (21.11.). Dieses Duo ist einfach herzzerreißend: die Sängerin Norma Winstone und der Pianist Kit Downes schaffen umwerfende Intimität (22.11., Unterfahrt). /// Kürzlich erst begeisterte Triology, ein Dreier des Schlagzeugers E.J. Strickland in München. Jetzt legt der Drummer ein Konzert nach: im Nightclub (25.11).
Im Veranstaltungsforum Fürstenfeldbruck verbündet sich das Pablo Held Trio mit dem brasilianischen Gitarristen Nelson Veras (25.11.). /// Ein amerikanischer Tenorgigant ist im Schloss Seefeld (Kreis Starnberg) aktiv: Joel Frahm (26.11.). /// Ein skandinavisches Allstar-Quartett na- mens Arcanum ist dem Geheimnis nordischer Mythen auf der Spur (26.11., Unterfahrt).
Temperamentsausbrüche dürfen Besucher eines Konzerts erwarten, das der kubanische Pianist Alfredo Rodriguez im Prinzregententheater gibt (27.11.). Für herrlich differenzierten Radau steht Ches Smith’s Clone Row (27.11.,Unterfahrt). Von den vier äußerst spannenden Impro-Konzerten der Initiative „Offene Ohren“ (bitte nachschauen: offeneohren.org) möchte ich eines hervorheben: Die Pianistin Marta Warelis zeigt derzeit in gamz unterschiedlichen Kontexten eine Gestaltungsfantasie, dass einem der Mund offen stehen bleibt. Im MUG (Einstein) schließt sie sich am 28.11. mit dem Schweizer Gitarristen Florian Stoffner und dem österreichischen Schlagzeuger Rudi Fischerlehner zusammen.
