Jazz im August: Klangbad am Steinernen Meer

Fast alle Münchner Jazz-Locations gönnen sich derzeit die verdiente Sommerpause. Wer einen unstillbaren Appetit auf Live-Jazz verspürt, dem kann geholfen werden.

Jazzfestival Saalfelden

Die mexikanisch-amerikanische Vibrafonistin Patricia Brennan kommt ins Salzburger Land.

Dutzende Münchner halten sich seit vielen Jahren das letzte August-Drittel frei. Denn da steigt das Jazzfestival Saalfelden in der nahegelegenen Urlaubsregion Pinzgau (Salzburger Land, 21. – 24.8.). Lange war das Festival eines, das vornehmlich den Insidern, den Kennern des eher avancierten Jazz musikalische Angebote unterbreitete. Doch Intendant Mario Steidl hatte irgendwann keine Lust mehr auf eine Veranstaltung, die nur einem Experten-Zirkel vorbehalten blieb. Er wollte das Festival für ein neues, ein junges Publikum öffnen und Menschen durch Gratiskonzerte etwa im Stadtpark auf eine Musik aufmerksam machen, der viele immer noch mit Vorurteilen begegnen.

Das Konzept scheint voll aufgegangen zu sein. Zu den Neuerungen gehörte kurz vor Ausbruch der Pandemie, Saalfelden und seine traumschöne Umgebung stärker mit einzubeziehen und dem Festival einen Event-Charakter zu verleihen: das Pinzgau als Jazz-Erlebnis- Park. So gibt es seit 2018 etwa Flashmobs, Auftritte im Wald, Improvisiertes im Paddelboot auf dem Ritzensee und Hiking-Touren, lassen sich Klangbäder nehmen am Fuße des „Steinernen Meers“ (einem Gebirgsmassiv). Darüber hinaus finden neuerdings Konzerte in intimen Locations wie einer Buchbinderei oder einer Einsiedelei statt und schön Lärmiges in einer Industriehalle. „Wir wollten dazu einladen, dass die Menschen durch unsere Stadt flanieren“, sagt Mario Steidl, als ich ihn in einem Lokal in der Salzburger Getreidegasse spreche.

Besonders wichtig sind ihm heuer die „Orte des Gedenkens“ – das sind Hörstationen, die an das Aufbegehren gegen den Nationalsozialismus er- innern. Rund um diese Orte improvisieren verschiedene Duos zur Originalstimme Karl Reinthalers, eines Saalfel- dener Eisenbahners und Sozialdemokraten, der den Widerstand organisierte. Mario Steidl: „Jazz hat ja immer etwas sehr Widerständisches gehabt und in Zeiten wie diesen, wo nicht nur Europa politisch nach rechts rückt, ist es wichtig diesem Widerständischen eine Bühne zu geben.“

Seine Kernkompetenz – den Jazz in bislang ungehörten und unerhörten Formen abzubilden und musikalische Trends aufzuspüren – vernachlässigt die hochmotivierte Crew des Jazzfestivals bei allen neuen Verästelungen des Programms keineswegs. Sie lädt Visionäre ein, die sich über die ganze Dauer des Festivals von verschiedenen Seiten zeigen dürfen, darunter etwa die mexikanisch-amerikanische Vibrafonistin Patricia Brennan, der dänische Gitarrist Teis Semey, die englische Trompeterin Laura Jurd.

Das Haupt-Programm lockt mit vielen Attraktionen: Skorupa 5, Weird of Mouth, das Bezau Beatz Orchestra of Good Hope, Tomoki Sanders, An- cient To The Future, The Bad Plus feat. Chris Potter und Craig Taborn, Max Andrzejewski & Ensemble Modern.

Jazz-Tipps:

Theatron Musiksommer

Im August ist immer mächtig was los im Olympiapark. Zum Rummel gehört neben Riesenrad, Fahrgeschäften oder Fressständen auch Live-Musik. Wie wär’s nach einer Runde Skooter mit einem Gratis-Konzert? Auf einer Amphitheater-Bühne im Olympiasee geht es zwischen dem 1. und 24.8. querbeet durch alle Genres – auch Jazz darf während des „Theatron Musiksommers“ natürlich nicht fehlen. Diesmal spielen gleich zwei Shooting- Stars der deutschen Szene auf. Wer weiß, vielleicht können die Zwei den einen oder die andere neugierig machen auf eine Musik, mit der sie bislang nicht vertraut waren. Am 4. August stellt zunächst das Trio des Bassisten Nils Kugelmann sein zweites Album „Life Score“ vor (19 Uhr). Danach gönnt die Sängerin Alma Naidu dem Publikum Kostproben aus ihrem Werk „Redefine“ (20:30 Uhr).

Alma Naidu präsentiert im Theatron Kostproben aus ihrem Werk „Redefine“.

Unterfahrt im Kulturzentrum Einstein

Da sich der Einbau der neuen Belüftungsanlage für die Unterfahrt noch zieht, weicht der Club für einzelne Konzerte in andere Räumlichkeiten des Kulturzentrums Einstein aus. Im MUG ist am 7. August ein Trompeter zu Gast, der so manchen internationalen Wettbewerb für sich entscheiden konnte. Wer seinen unnachahmlichen Ton hört, ahnt sofort warum. Im Timbre des Hermon Mehari schwingt manches Kapitel Jazzgeschichte mit und auch seine Herkunft. Mehari wurde zwar in den USA geboren, seine Eltern aber stammen aus Eritrea. Die Eigenheiten, Rhythmen, Melodien aus der ostafrikanischen Heimatregion seiner Ahnen sind immer präsent und machen seine Musik ungemein reizvoll.