Tanzt die Leute schwindlig: Der große Gatsby

Theater und Kabarett im Februar: Mitgerissen von Magie

Mit diesen Stücken geht’s in eisige Bergwelten, auf den Meeresgrund und aufs glühende Tanzparkett

Höhenluft erfrischt, kann aber auch gefährlich die Sinne verwirren: So jedenfalls geht es dem schüchternen Edward. Sein Auftrag: er soll die Bestsellerautorin Patricia Highsmith, die sich ins hinterste Switzerland zurückgezogen hat, dazu überreden, doch noch einen dieser talentierten Tom-Ripley-Krimis zu schreiben. Kein leichtes Unterfangen, weil die Krimi-Queen immer mehr in die Abgründe ihrer eigenen Geschichten rutscht. (Hofspielhaus, ab 1.2.)

Ebenfalls hoch oben in den Bergen tobt sich die mehrfach preisgekrönte Revueoper Drei Männer im Schnee aus. Erzählt wird von einem armen Schlucker, der bei einem Preisausschreiben Winterferien in einem noblen Grandhotel gewinnt. Vor Ort wird er jedoch verwechselt: Man hält ihn für einen angeblich unter falschem Namen angereisten Millionär. Chansonier und Musikkabarettist Thomas Pigor hat den schnurrigen Roman von Erich Kästner in eine klirrend komische Winterrevue verwandelt. (Gärnerplatztheater, ab 1.2.)

Noch weiter weg geht’s in Alfredo Zinolas Performance Things am Ende der Welt. Soll heißen: Zwei Künstler stellen das Universum auf den Kopf und erschaffen es mit Hilfe einiger Bühnenutensilien dann gleich noch mal neu. So schnell kann’s gehen. (HochX, 1. bis 4.2.)

Mit Männlichkeiten in all ihren Alltäglichkeiten und Besonderheiten befasst sich der originelle Mix Frau kann Mann, in dem Performance und Drag-Show zusammenfließen. Ruby Tuesday und Eric Big Clit erkunden die Vielfalt. (Pathos Theater, 2./3.2.)

Was, wenn das einzig Sichere heutzutage die Transformation, der Übergang, die Unsicherheit und die Unordnung ist? Für das rauschhafte Ensemble-Tanzstück In Ordnung konfrontiert Choreografin Doris Ulich ihre Mitstreiter mit der Ungewissheit. Ein Algorithmus arrangiert nach dem Zufallsprinzip jeweils das Bühnenbild neu. Und alle geben sich der Energie der Veränderung hin. (Kammerspiele, 3.2.)

Den Code knacken und alle Geheimnisse aufdecken, möchte der Protagonist Hermann in Alexander Puschkins Schauererzählung Pique Dame. Er verfällt dem Sog des Unbekannten und der gefährlichen Magie der drei Karten. Es ist ein Schlund, in den Regisseur Benedict Andrews in der Neuinszenierung des düsteren russischen Opernklassikers von Tschaikowski Akteure und Publikum unerbittlich hineinzieht. Gruselig große Premieren-Vorfreude! (Nationaltheater, ab 4.2.)

Erden kann man sich dann zum Glück wieder bei Tommy Jaud. Er hat ein weites Herz und viel Verständnis für all die Verblendeten, die sich (offenbar wie er) für die weltbesten Spülmaschineneinräumer halten. Satirisches aus dem Alltag, vom Bestseller-Autor mit viel guter Laune serviert. (Schlachthof, 4.2.)

Nachdenklich wird man dagegen, wenn man Frank Fischer auf seinen Beobachtungsreisen durchs permanent aufgeregte Land folgt. Sein neues Solo „Meschugge“ wirft die nicht ganz unberechtigte Frage auf, ob wirklich alle Menschen um uns herum verrückt sind und ob man noch darauf vertrauen kann, selbst ganz „normal“ zu sein. Hmm! (Schlachthof, 7.2.)

Noch viel verstörender ist das Szenario, das die Kinderoper der dänischen Regisseurin Marianne K. Klausen zusammen mit dem Ensemble Der Gelbe Klang entwirft: Ein Junge, der im Stück nur „Klein“ heißt, liebt seine Eltern. Doch wenn sein Vater wütend wird, dann haut er zu und wird zum Bösemann. Klein möchte das nicht länger ertragen. Er schreibt einen Brief an den König. „Papa haut. Ist es meine Schuld?“, heißt es da. (Schwere Reiter, 8. bis 11.2.)

Von der Klimakrise: Eine junge Biologin hat einen Hof geerbt und will dort Lösungen für die Ernährung der Zukunft vorantreiben. Doch dann fordert sie das Land heraus. Die Zeitebenen verschränken sich. Plötzlich erlebt man den Hof auf dem Höhepunkt der Ölkrise, dann während der bitteren Dürrejahre, als nach dem Ausbruch des Vulkans Tambora im Jahr 1815 in Indonesien auch im fernen Europa zwei Jahre lang die Sommer ausblieben. Es geht ums Überleben. (Kammerspiele, ab 9.2.)

Rasante Wordakrobatik und wundersamer Sound vom Piano, zur Gitarre, dem Banjo, über elektronisches Gameboy-Piepen bis hin zum Trommeln auf alten Koffern: Das mehrfach preisgekrönte Duo Mackefisch nimmt im neuen Programm „Harmoniedergang“ die hitzige Gefühlslage der Gesellschaft ins Visier. (Kleines Theater Haar, 11.2.)

Als Yannik Sellmann noch zur Schule ging, geriet er in die Mühlen der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Nun stellte sich der beliebte Poetry Slammer – zweifacher Bayerischer Meister und bereits ebenfalls zwei Mal München-Meister – in seinem ersten Solo „Ein guter Tag“ dem latenten Wahnsinn in seinem Kopf und dem alltäglichen Wahnsinn eines in München lebenden Künstlers. (Vereinsheim, 12./13.2.)

Ist Wohlstand Fluch oder Segen? Der ernsten Frage nähert sich das aktivistische Duo Brexit Colada mit erfrischendem Unernst an. Sie mischen für ihr Neo-Musical Das Erbe lyrische Hoch- mit Popkultur – mit Musikeinflüssen aus Klassik, Punk, Rap, Elektronik und Songwriting. (Schwere Reiter, 15.2.)

In ihrem dritten Solo-Programm widmet sich die Münchnerin Claudia Pichler mit der „frechen Goschn und dem frischen Geist“ ihrer liebsten Tageszeit: dem Feierabend. Politische Gier, neidvolle Nachbarn, die großen Fragen der Liebe in Zeiten von Online-Dating bis zu den kleinen Sorgen der Salmonelle in einer durchdesinfizierten Welt – Claudia stellt sich unerschrocken und stets selbstironisch auch den Themen unserer Zeit. (Vorpremiere, Fraunhofer, 17.2.)

Zum Date mit einem charmanten Comedy-Musikus lädt Julius Fischer ein. Allerdings: Er ist auf Zuspruch aus. „Fischer for Compliments“ eben. (Lustspielhaus, 22.2.)

Mit der albernen Angst vor dem Fremden setzt sich schön clownesk die neue Jugendtheaterproduktion Robinson & Crusoe auseinander. Uraufgeführt einst 1985 in Italien hat das Stück einen Siegeszug über Europas Bühnen hingelegt. Es geht um eine Begegnung im Nirgendwo. Könnte schief gehen und blutig werden. Doch sobald sich die beiden Männer aufeinander einlassen, merken sie schnell: Ihre Unterschiede sind gar nicht so groß. (Schauburg, ab 23.2.)

Niemand möchte außen vor bleiben. Aber wer will schon so sein wie die anderen? Ich bin Sturm wagt sich in die Region jenseits gesellschaftlicher Konventionen – inspiriert vom rebellischen Selbstbehauptungswillen der englischen Ausnahmeschriftstellerin Emily Brontë. Das Münchner Heldentheater feiert mit der Stückentwicklung sein nun schon zehnjähriges Bestehen. Gratulation! (Einstein Kultur, 22. bis 24.2.)

Auch sie hat eine Stimme, die man hören muss – und Mut beweist: Die schottische Schriftstellerin A.L. Kennedy berichtet in Meine Geschichte unverkitscht von albtraumhaften Zahnarztbesuchen, enttäuschenden Rendezvous und vergeigten Lebenskompositionen. Mit ihrem Dagegenanerzählen wirft sie den Rettungsanker aus. (Teamtheater, ab 22.2.)

On Waves ist der Versuch, Verbindungen herzustellen, den White Noise im Radiorauschen zuzulassen und sich Wellenbewegungen hinzugeben. Sascha Malina Hoffmann führt bei der Abschlussinszenierung der Otto Falckenberg Schule Regie. (Kammerspiele, ab 23.2.)

Die Goldenen Zwanziger röhren: Im Meisterroman Der große Gatsby rund um einen schillernden Millionär und unglücklich Verliebten brachte F. Scott Fitzgerald den Überdruck des Jazz Age auf den Punkt. Enrique Gasa Valga hat daraus ein furioses Tanztheater gemacht, das verwirrt, verführt und sein Publikum schwindlig spielt. (Deutsches Theater, ab 23.2.)

Atemberaubend dürfte auch der Abschluss der „Orestie“ ausfallen, in der sich das blutige Schicksal des Atriden-Geschlechts erfüllt. Der Mutter-Mörder Orest wird von Rachegöttinnen gejagt und sucht Schutz in einem Tempel. Doch nicht Athena soll über ihn urteilen, sondern ein weltliches Gericht. Robert Borgmann schält aus dem archaischen Aischylos-Text der „Eumeniden“ ein Bekenntnis zur Demokratie heraus, die damals so wichtig war wie heute. (Marstall, ab 24.2.)

Auf den sprichwörtlichen „letzten Metern“ befindet sich das betagte Ehepaar Anna und Robert. Sie haben sich in ihrer Villa Volapük in einer ziemlich schwebenden Existenz eingerichtet. Gerd Lohmeier setzt mit Schattens Traum eine kuriose Komödie über Fürsorge, Liebe und das Älterwerden in Szene, mit der die tolle kleine Bühne in Obersendling ihr 25-jähriges Bestehen feiert. (Theater Und so fort, ab 24.2.)

Von einer Lawine des Missverstehens überrollt werden dagegen die zwei Paare im Stück Die Wahrheit, die mit dem jähen Bruch einer langjährigen Freundschaft beginnt. Nach und nach legen die Vier immer neue Anschuldigungen offen. Es geht um Grenzüberschreitungen, Vertrauensverlust – und viel zu langes Schweigen. (Metropoltheater, ab 27.2.)

Eine Reise im verrückten Flugzeug: Betreut vom hochmusikalischen Kabinenpersonal der Extraklasse geht es auf einen exklusiven Trip von München nach Liverpool. Unterwegs kommt es zu Turbulenzen, Druckabfällen und Liebesschwüren. Höchste Zeit, sich an die besten Songs der Beatles zu erinnern – im „Crashical“ Beatles on Board. (Hofspielhaus, ab 27.2.)

Und dann gibt’s zum Schluss erfreulicherweise wieder viel Hoffnung: Auf den Blockbuster „Titanic“ muss natürlich die Fortsetzung Titanic II folgen. Das Performer-Duo Markus & Markus lässt das Stück dort beginnen, wo es zuletzt enden musste: auf dem Meeresgrund. (Schwere Reiter, 28./29.2.)