Toller Albtraum: „Das Schloss” im Residenztheater

Bühnenschau im März: Varianten des Gedenkens

Kafka und Bachmann: „Das Schloss“ am Residenztheater, „Der gute Gott von Manhattan“ am Teamtheater

An ihm kommt dieses Jahr keiner vorbei. Franz Kafka, zum 100. Mal jährt sich sein Todestag, auch die Theater würdigen ihn reihenweise und machen bestenfalls was tolles Eigenes daraus, wie das Residenztheater aus dem Romanfragment „Das Schloss“.

Ein schwarzer Raum, kaltes Licht, ein Aufzug, ein skizziertes Hochhaus: Karin Henkel verortet in ihrer Inszenierung die Geschichte vom Landvermesser K., der ins Schloss bestellt wurde, in das er aber nie kommen wird, in einem futuristisch-expressionistischen Ambiente. Mit Zitaten aus anderen Kafka-Werken (auch der Käfer aus der „Verwandlung“ fehlt nicht) formt sie eine Dystopie, einen soghaften Alptraum einer Gesellschaft im Stillstand, in der Ausweglosigkeit. Obwohl ganz schön viel Bewegung ist auf der Bühne – und die Texte turnen wild dazu! –, die Räume (Tortenstücksegmente auf der Drehbühne) wechseln häufig und sind dann doch irgendwie gleich.

K.s Schicksal – nicht ankommen, nicht wegkommen – ist das Los von allen. Folglich sind auch (fast) alle mal K. – mit einem derart spiellustigen und wandlungsfähigen Ensemble geht das (u.a. mit Linda Blümchen, Vassilissa Reznikoff, Vincent zur Linden, Carolin Conrad, Florian von Manteuffel, Nicola Mastroberardino, Michael Wächter, und nicht zu vergessen die formidable Kinderstatisterie).

Der stimmgewaltig-sphärische Sound von Pollyester (mit und ohne Bass) tut seins dazu, dass aus einer düsteren Gemengelage ein grandioser Abend wird – und überraschend komischer, als sich Kafka gemein liest. Heftiger Beifall.

Ein Ingeborg-Bachmann-Jahr ist gerade vorbei. Am Teamtheater gedenkt man also nachträglich der vor 50 Jahren gestorbenen Klagenfurter Autorin. „Der gute Gott in Manhattan“ gilt als eines der herausragenden Hörspiele des 20. Jahrhunderts (man findet sehr hörenswert noch die Ursendung von 1958 im BR-Hörspielpool), wohl auch, weil es viel über die Bachmann selbst und ihr schwieriges Verhältnis zu den Männern erzählt. Auch wenn die problematischste Beziehung zum Literatur-Star-Kollegen Max Frisch erst in den Jahren danach kommt. Als „permanenter Kriegszustand“ hat Bachmann das Verhältnis der Geschlechter mal beschrieben.

Und genau davor will der gute Gott ein junges Paar beschützen: mit einem Bombenanschlag. Deswegen steht er nun vor Gericht. Regisseur Jacoub Eisa macht daraus ein Kammerspiel mit Rückblenden. Drei große, scheibenlose Vitrinen (mit etwas nervendem Aufwand kann man sie verschieben) sind Gerichtssaal, Aufzug, Hotelzimmer. Hier zieht der gute Gott seine Fäden, Frank Sollmann gibt ihn als Charmeur, Kindskopf, Verführer mit großer Geste. Wer dieser Mann wirklich ist, zeigt das Teufelchen, das am Revers seines Sakkos pinnt.

Das personifizierte Böse also beendet diese kurze New Yorker Liebesgeschichte, zwischen der Studentin Jennifer und dem Europäer Jan, der eigentlich nur auf der Durchreise ist. Schnell wird es heftig zwischen beiden: dann vereinen sich Chiara Penzel und Richard Ciuchendea im erotischen Pas de deux. Rücken an Rücken ein sinnliches Geständnis, Tränen zur wahren Liebe: mit karger Aktion etabliert sich Nähe und Distanz. Bachmanns Sprache neu oder wieder zu entdecken: das ist der große Mehrwert dieses Abends. Die Regie, die weniger in Psychologie als in Bildern denkt, vertraut gerne dieser Sprache. Manchmal mit ein wenig zu viel Respekt, und dann wird manche Pose leer. Dem Zuspruch des Publikums tut das aber nichts an: der ist groß.