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„Eisbachwelle“ in der Schauburg

Ein rätselhaftes Verschwinden
Ein rätselhaftes Verschwinden © Judith Buss

Ein verschwundenes Mädchen und viele Fragen und Gefühle: die Schauburg bringt die Uraufführung des ersten Jugendstücks von Florian Wacker

Es ist Sommer, Ferien, sie treffen sich am Eisbach, fläzen am Boden rum, bisschen mit den Smartphone spielen, quatschen. Ronja, Paula und Rafik liegen in der Mitte der Holztribünenarena, die die Schauburg wohl aus der alten Eisenherz-Produktion reaktiviert hat, über den Rängen läuft das Wasser, auf Videos. Der Eisbach.

Die Schauburg hat bei Florian Wacker, dem Frankfurter Autor Jahrgang 1980, ein Stück in Auftrag gegeben. Über jugendliches Leben in der Stadt München. Über Freundschaft und Fremdheit. Und Wacker umschifft in seinem Text geschickt jeden Zeigefinger, den er als Älterer den Jungen, womöglich noch pädagogisch wertvoll, zeigen könnte. „Eisbachwelle“ ist ein Stück mit vielen Fragen, ohne allwissende Antworten, ein immer wieder rätselhaftes Hineinspüren und Zeigen pubertären Strudelns, konkrete Situationen wechseln mit Erinnerungen, Geständnissen, Ausflügen ins Philosophische.

Eines Tages ist Ronja weg ist, und irritiert merken die Freunde, wie wenig sie eigentlich von ihr wissen, nicht mal, wo sie wohnt, nicht mal den Nachnamen. Und so folgen wir der Suche in den 90 Minuten, eine Suche, die Regisseur Johannes Schmid einfühlsam und spannend gestaltet, ohne dass daraus ein echter Krimi würde. Lucia Schierenbeck, Helene Schmitt und Janosch Fries in den drei zentralen Rollen lassen uns nach und nach in ihre Figuren hineinschauen: von Flucht und Ankommen, von der kranken Mutter, von Sehnsüchten, und Liebe und Eifersucht kommt der Freundschaft auch in die Quere. Einblicke, die schnell auch wieder weg sind – dann bricht wieder die Lebenslust durch und sie toben sich im imaginierten Eisbach frei, zusammen mit den anderen – Simone Oswald, Hardy Punzel, Michael Schröder, David Benito Garcia, die neben Freunden auch Eltern, Nachbarn, Taxifahrer spielen. Oder Polizisten: dann müssen hoppelnde Amtsträger die Sorge um das Verschwinden von Ronja kleinreden und veralbern – ein arg dümmlicher Ausrutscher.

Wackers Stück mag in München verortet sein – die Realität nachbilden will es nicht. Sonst müsste irgendwann, nebenbei bemerkt, der Müll mal Thema sein, an dem gerade die Wiese an der Eisbachwelle allsommerlich erstickt. Oder die Sprache wäre anders: so geschätzte 214 mal könnte das Wort „Digger“ dann schon fallen ... Der Beifall: lang und deutlich für das Team der Schauburg und auch für den Autor – für ein berührendes, kunstvolles, nicht zu Ende erklärtes Stück, über das nicht nur die Zielgruppe (12 – 16 Jahre) trefflich diskutieren kann.

Autor: Peter Eidenberger