Platten aus nah und fern für den August

Neue Scheiben von und mit: Amy Macdonald, We Are Scientists, Folk Bitch Trio, Dropkick Murphys, Kae Tempest, Billie Marten, Alma Naidu, Los Poppos und Mateo Navarro

Amy Macdonald – Is This What You’ve Been Waiting For?

Der Titelsong aus Amy Macdonalds neuem Album war also „der offizielle Track der ARD Frauen-Fußball-EM Berichterstattung“. Negativ konnotiert ist er deshalb auf keinen Fall, eher im Gegenteil, kann ich doch dem vermeintlich bodenständigerem, womöglich auch nahbarerem Frauenfußball mittlerweile (fast schon) mehr abgewinnen als dem völlig überzüchteten, turbokapitalistischen Männerfußball. Und ja, so gehört war es genau das, worauf ich gewartet habe… Abgesehen davon ist „Is This What You’ve Been Waiting For?“ ein starker Powerpop-Song nicht nur für Fußballfans. Besonders gut geworden ist auch „Trapper“, ein Uptempo-Poprock-Stampfer, der wie für diesen Sommer geschaffen zu sein scheint. Super Mainstream-Titel, toller Hook, treibender Basisgroove und ein paar wohltemperiert Gitarren zwischen breiten Akkorden und feinem Arpeggio. Apropos: Schön auch die breit geschlagene, akustische Lagerfeuer-Gitarre von „I’m Done“. Auch hier ein zackiger Beat, der sich wunderbar im Freibad oder am Baggersee hören lässt. „The Hope“ beginnt als Piano-Ballade, entwickelt sich aber zum zwingenden Midtempo-Stomper und zeigt Amy Macdonald als Schwester im Geiste von Rocklegenden wie Bryan Adams oder auch Tom Petty. Textlich bohrt die Schottin die ganz dicken Befindlichkeits- und Beziehungsbretter: Es geht um toxische Freundschaften und um Beklemmungen, gleichzeitig aber auch immer um den Mut, bewusst mit Erwartungshaltungen zu brechen und Konventionen abzuschütteln. So gesehen also auch ein musikalischer Ratgeber, sich niemals geschlagen zu geben, weiterzumachen, zu überleben und trotz widrigster Umstände immer auch irgendwie ums Vorwärtskommen. BTW: Das zackig-flotte „Forward“ ist dann logischerweise auch gleich mal mein Lieblingssong… (8.2. Zenith) _ Und hier geht’s zur IN-Ticketverlosung.

We Are Scientists – Qualifying Miles

Keith Murray und Chris Cain kehren zu ihren Wurzeln zurück: „We chose these songs primarily because they had a certain 90s guitar-rock sensibility.” Und damals ging ja schließlich alles los, wohlgemerkt 2000. Aber die beiden New Yorker wurden halt mit dem 90er-Jahre-Alternative-Rock musikalisch sozialisiert und auch textlich klingt das auf ihrem aktuellen Album eher retrospektiv: „I realized a lot of the lyrics kept circling back to nostalgia, loss, and the bittersweet ache of the past.” Das Wunderschöne bei We Are Scientists ist zum einen ihre Beständigkeit und zum anderen ihre Zuverlässigkeit. Und sie geben sie sich nicht nur der US-Variante hin sondern lassen immer wieder auch hymnischen, geradezu leichtfüßigen UK-Pop in ihre druckvoll dargebotenen Indie-Rock-Epen, und das obwohl Ex-Razorlight-Schlagzeuger Andy Barrows – wer erinnert sich nicht gerne an das 2010er Album „Barbara“, die Band längst wieder verlassen hat. „Qualifying Miles“ ist jetzt nicht das große Meisterwerk oder der Monolith an dem niemand im Sommer 2025 vorbeikommt, aber es hat alles, was ein kerniges Indie-Rock-Album braucht und auch live wieder für gute Unterhaltung sorgen wird. (4.11. Strom)

Folk Bitch Trio – Now Would Be A Good Time

Ich bin ja schon der Meinung, dass die etwas vor sich hindümpelnde Folk-Gemeinde ein Trio wie das hier gut vertragen kann. Die drei jungen Frauen schweben mit ihren schönen – oft auch gleichzeitig gesungenen – Stimmen über einer Basis aus luftigem Americana, angedeutetem Rock und hingebungsvollen Balladen. Meist sind die Songs akustisch dargeboten, klingen dabei dennoch aber modern, jugendlich und ein kleinwenig unangepasst.

Dropkick Murphys – For The People

Schwer auf Zack sind auf ihrem neuen Album auch wieder die Dropkick Murphys. Folk-Punk mit Haltung als „Ausdruck der Menschlichkeit in einer Zeit der unerbittlichen Entmenschlichung.“ Und so treten Gründungsmitglied Ken Casey an Bass und Backing-Vocals und Sänger Al Barr und ihre Meute an um an die „Solidarität in einem Zeitalter der Uneinigkeit“ zu erinnern und begehren auf gegen „Scharlatane und Demagogen, die uns für ihre eigene Macht und ihren Profit spalten wollen.“ Word!

Kae Tempest – Self Titled

Wenn sich der produzierende Grammy-Gewinner Fraser T Smith (Adele, Stormzy u.a.) einer Sache annimmt, bleibt nur noch wenig dem Zufall überlassen. Kae (ehemals Kate) Tempest wirkt im Video zu „Know Yourself“ geradezu gelöst – und ja – kaum zu glauben: glücklich. Was durchaus an den Aufnahmen zum Album liegen kann, denn dieses klingt geradezu euphorisch und sollte schleunigst in der Rap-Hall-of-Fame aufgenommen werden.

Billie Marten – Dog Eared

Der Widerstand gegen Spotify hält an. Deerhoff und King Gizzard & The Lizard Wizard haben angeblich alles rausgenommen um gegen die Rüstungsinvestitionen des CEO zu protestieren und auch Billie Marten war zuletzt der Meinung, dass die Lizenzgebührenstruktur ungerecht sei und davon in erster Linie Leute wie Taylor Swift profitieren. Also, wer der selben Meinung ist, wechselt einfach zu qobuz.com und hört sich dieses wirklich fantastische, wunderbar verspielte und verträumte und zudem höchst anspruchsvolle (Anti-)Folk-Album da an, wo Billie Marten und all ihre Kolleginnen und Kollegen fünf Mal so viel bekommen wie beim Branchenriesen. Und ja, schon klar, ein bissl doof ist das freilich schon, wenn wir hier trotzdem auf den eben gedissten Streamer verlinken, aber rein technisch ist bislang leider nichts anderes möglich.

Alma Naidu – Redefine

Es dauert nur wenige Sekunden, bis man dem Charme und der Ausdrucksraft von Alma Naidus Stimme verfällt. Drei Jahre nach der Veröffentlichung ihres Debüts liegt nun endlich der lang erwartete Nachfolger der Münchener Sängerin, Pianistin und Komponistin vor. Besonders erwähnenswert scheint in Zusammenhang mit der enorm hohen Klangqualität von „Redefine“, dass Naidu das komplette Album selbst produzierten hat. Darauf 13 ebenso smarte wie eindringliche Kompositionen von bemerkenswerter Intensität, breitgefächerter Stil-Vielfalt und inhaltlicher, emotionaler Tiefe. Die geschmackvolle Instrumentierung reicht dabei von klassischer Bandbesetzung über Streichorchester bis hin zu intimen Solostücken mit Stimme und Klavier. In ihren Texten verhandelt Alma Naidu die ganze Bandbreite der menschlichen Befindlichkeit von  Freundschaft und Liebe bis hin zu innerem Wachstum. Aber auch gesellschaftliche Themen von Gleichberechtigung bis hin zu Rollenbildern, die bei Naidu selbstverständlich kritisch hinterfragt werden. Zum guten Gelingen bekam sie etwas Unterstützung von ebenso hochkarätige wie international renommierten Stargäste wie Mark Lettieri (Snarky Puppy), Raphaela Gromes, Nils Landgren, Jason JT Thomas, Lisa Wulff und Simon Oslender. Jazz’n Pop at its best!

Los Poppos – Hallo Universe

Die Meinung gehen auseinander. Während man schon auch mal lesen kann, dass das mit den Los Poppos bereits 1995 angefangen hätte, als Trio. Beim über alle Zweifel erhabenen Gutfeeling-Label meinen sie allerdings, dass 2025 das 25-Jährige anstehen würde. Sei’s wie’s is’. es gibt in jedem Fall Grund zu feiern und zum wie auch immer runden oder nur halbrunden Jubiläum beschenkt das legendäre Münchner Off-Broadway-Orchester sich und sein Publikum mit einem brandneuen Album: „Hallo Universe!“ vereint neue Songs, Klassiker aus Theaterproduktionen und orchestrale Hymnen. Von der Berlin-Hommage „Back in Town“ bis zum Sirtaki-Showstopper „Surftaki“ – diese Sammlung zeigt das Orchester auf dem Höhepunkt seiner Ausdruckskraft. Und während sich einige Mitwirkende inzwischen längst in alle Himmelsrichtungen verstreut haben, bleiben Los Poppos als Ensemble in ihrer Heimatstadt München tief verwurzelt – mit Feel Good-Konzerten, wohlgemerkt „ausschließlich innerhalb des Mittleren Rings“.

Mateo Navarro – 20/20 in Handsight

Was das für ein Fest war, als Mateo Navarro sein Debütalbum Ende Juni im Cucurucu Schanigarten präsentierte. Festlich ging’s schon los, als sein bester Kumpel und ehemaliger Schülerband-Spezl Jesper Munk den lauen Sommerabend eröffnete. Sofort fühlte man sich nach Berlin versetzt, von wo Munk extra angereist war um seinem Freund – der Munk wiederum auch schon auf Tour als Support begleitete – die Ehre zu erweisen. Dann aber nahm Mateo Navarro mit seiner sechsköpfigen Band sein großartiges Debütalbum „20/20 in Handsight“ in Angriff. Wie damals fühlt man sich nun auch auf dem Album ein bisschen an New York oder L.A. erinnert und an Leute wie Mac Demarco und Pale Jay, deren Inspiration Navarro auf keinen Fall jemals abstreiten würde. Zarte, introspektive Klänge prägen das Szenario während kraftvoll vorgetragene, urbane und psychedelisch anmutenden Neo-Soul-RnB-Tunes aus „20/20 in Handsight“ eines der Heimspiele 2025 machen.