Münchner Autor, Schauspieler und Regisseur: Moses Wolff

Zweifler – Nachschlag von Moses Wolff

„Nachschlag“ – Die Kolumne von Moses Wolff aus der Printausgabe Februar 2024 der IN München

Der weise Charles Bukowski hat einmal gesagt: „Das Problem dieser Welt ist, dass die intelligenten Menschen voller Zweifel und die Dummen voller Selbstvertrauen sind.“ Das hieße ja, dass nur schlaue Leute fähig sind, zu zweifeln. Da es aber nur selten jemanden gibt, der zugeben würde, dumm zu sein, würden in diesem Fall alle sagen: „Auch ich bin eine zweifelnde Person!“ „Aha“, wäre dann die listige Schlussfolgerung eines Interviewers, „dann sind Sie also ein Pessimist?“ „Aber nein! Ich hinterfrage einfach gern! Ich bin Zweifler der positiven Art! Neugierig wie ein Kind, das die Welt erforscht. Ich nehme nicht alles, was man mir erzählt, für bare Münze, schaue mir die Sachen aus verschiedenen Blickwinkeln an, möchte auch die Kehrseite der Medaille kennenlernen, den Gaul unter Umständen von hinten aufzäumen! Ich lasse mir kein X für ein U vormachen. Ich bin mit einem gesunden Maß an Skepsis ausgestattet, erlaube mir den Luxus, wissbegierig und zeitgleich misstrauisch zu bleiben.“

© Julia Hollweck

Es gibt Menschen, die kein Wort von dem glauben, was in Zeitungen steht oder in den Nachrichten gesagt wird. Theoretisch ist es ja auch möglich, dass sämtliche Meldungen erfunden oder manipuliert sind. Aber woher soll man als Zweifler dann Informationen beziehen? Aus dem Internet? Das glauben, was irgendwelche Dödel ins Netz reingeschrieben haben, jedoch Botschaften im „heute journal“ misstrauen? Ein beliebter Satz an dieser Stelle: „Du musst halt auf die richtigen Seiten gehen.“ Aha, und woher weiß ich, welche Seiten das sind? Muss ich in die Suchmaschine eingeben: „Die ultimative Wahrheit“ und werde auf einem versierten Pfad zur wahrhaftig erkenntnisreichsten Website der Welt geleitet? Jedoch: wer überprüft denn, ob alles, was dort steht, stimmt? Kontrollieren sich diese Leute gegenseitig?

Daher ist es relativ unwahrscheinlich, dass Joe Biden, Kim Jong-un und Ursula von der Leyen sich zusammensetzen und eine Weltverschwörung aushecken, mit der alle leben können.

Moses Wolff

Es gibt dank Internet zu jedem x-beliebigen Thema 100.000 verschiedene Meinungen, Gerüchte und Zahlen. Doch wie schnell gilt man als Verschwörungstheoretiker? Andere als Schwurbler bezeichnen, geht schnell und ist ein sehr unfaires Diskussionsinstrument. Die eine Seite ist bescheuert oder verblendet, die andere besonnen und ehrbar. Einfach mal der Gegenseite das Wort im Mund umdrehen, schon hat man die besseren Karten. Markus Lanz lässt grüßen. Freilich ist die „große Weltverschwörung“ ein ausgemachter Schmarrn. Man stelle sich eine Geschäftsführerin, einen Personalchef und einen Betriebsratsvorsitzenden vor, die über die Pausenregelung im Unternehmen entscheiden wollen. Sie werden vermutlich nicht hundertprozentig zu einem einheitlichen Konsens kommen, eher gibt es Kompromisse. Daher ist es relativ unwahrscheinlich, dass Joe Biden, Kim Jong-un und Ursula von der Leyen sich zusammensetzen und eine Weltverschwörung aushecken, mit der alle leben können.

Hinz und Kunz posaunt in heutiger Zeit die eigene Meinung in den Äther. Wer einen Toaster im Netz bestellt, wird sich selbst beim Auspacken des Gerätes filmen, um diesen Beitrag irgendwo hochzuladen. Im Anschluss gibt es eine ausführliche Bewertung sowohl des Paketboten als auch des Produktes. Ein bis fünf Sterne. Kurze, handfeste Kritik. Fertig. Vor dreißig Jahren wäre dieses Verhalten ein äußerst zeitaufwändiger und umständlicher Aufwand gewesen. Nach der REALEN Beratung und dem REALEN Kauf im Fachgeschäft hätte der Käufer/die Käuferin, daheim angekommen, zunächst eine Super-8-Kamera mit Stativ aufstellen und sich selbst beim Auspacken filmen müssen. Dann wäre der Toaster getestet worden. Abends hätte man ein leeres DinA-4-Blatt in die Schreibmaschine eingespannt und unter Zuhilfenahme der Sternchentaste eine Bewertung geschrieben, die am nächsten Tag in ein Kuvert gesteckt und mit Briefmarke versehen an eine Boulevardzeitung als Leserbrief verschickt worden wäre. Zu guter Letzt hätte man noch den Film entwickeln lassen und ein paar gute Freunde einladen müssen, damit sie sich zu Knabbergebäck und Kaltgetränken den Film mit dem Titel: „Wie ich mich selbst kürzlich beim Auspacken eines neuen Toasters gefilmt habe“ ansehen können. Nein, da haben wir es heutzutage bedeutend besser!