Krimifestival-Gründerin Sabine Thomas

Krimifestival-Gründerin Sabine Thomas im Interview

20 Jahre Krimifestival: Sabine Thomas, Gründerin, Veranstalterin und Stephen-King-Löwenbändigerin im Kreuzverhör

Frau Thomas, wer sich so leidenschaftlich und professionell mit dem Verbrechen und dessen literarischer Aufarbeitung befasst, muss ja eigentlich Nerven aus Drahtseilen haben und sich nicht so einfach einschüchtern lassen. Trotzdem: Wie oft lugen Sie vor dem Zu-Bett-Gehen durch die Vorhangspalte nach außen oder sehen sicherheitshalber noch einmal unterm Bett nach?
Hochspannung ist mein Lebenselixier! Schon als Kind wollte ich am liebsten Detektivin werden und habe Alfred Hitchcocks „Drei Fragezeichen“ & Co. nachts mit der Taschenlampe unter der Bettdecke verschlungen. Und als leidenschaftliche Krimi-Leserin und Autorin weiß ich natürlich: Das Böse ist immer und überall!

München gilt als vergleichsweise ruhige, verbrechenssichere Großstadt: Wie erklären Sie sich eigentlich die Faszination für den Nervenkitzel, das Mörderische und gelegentlich ziemlich Abgründige der Krimifans?
Agatha Christie hat es mal sehr schön formuliert: „Some people do bad things – and other people like it…“

Wie muss man sich die typische Krimi-Vielleserin eigentlich vorstellen: Wie stark sind die Anzeichen für Suchtgefährdung?
Die Dosis macht das Gift!

Wie dick ist eigentlich Ihr Adress- und Telefonbuch: Wie kriegt man Kaliber wie Stephen King oder Nele Neuhaus, die gar nicht so oft liest, nach München?
Die britische Zeitung The Guardian hat das Krimifestival München vor ein paar Jahren als eines der 10 besten Krimifestivals der Welt bezeichnet, und wir wurden mit dem 1. Lesepreis der „Stiftung Lesen“ in der Kategorie „Individuelles Engagement“ ausgezeichnet. Die Autoren spüren einfach, dass das Festival mit viel Leidenschaft organisiert wird. Das hat sich auch in der internationalen Krimi- und Thriller-Szene herumgesprochen.

Wenn Sie zurückblicken: Was war bislang Ihr denkwürdigstes, skurrilstes, vielleicht sogar latent gruseligstes Krimifestival-Erlebnis?
Das denkwürdigste Erlebnis war natürlich die Kriminacht mit Stephen King im Circus Krone Bau, als ich mit ihm vor seinem Auftritt alleine hinter dem Vorhang stand und über Rock-Musik geplaudert habe, während hinter uns die Tiger und Löwen gebrüllt haben. Er spielt ja selbst in einer Band. Ein absoluter Gänsehaut-Moment, als er auf der Bühne vor rund 3.000 Augenzeugen sagte: „You know what? – This is the f******** most beautiful place I’ve ever been in my whole life!“ – Die Lesung mit Stephen King war sicher die Krönung in der Geschichte des Krimifestivals.

Cool, was poppt noch innerlich auf?
Skurril: Als Sebastian Fitzek uns eine „Überraschung!“ versprach und plötzlich mittendrin seine Lesung unterbrach und für 20 Minuten verschwand, um vor 700 Fitzek-Fans einem Nachwuchs-Autor die Bühne zu überlassen. Da haben wir Blut und Wasser geschwitzt! Lustig: Internationale Autoren haben manchmal kein Buch dabei, weil sie nicht wissen, dass sie wenigstens eine Seite in ihrer Sprache vorlesen dürfen, was immer sehr gut beim Publikum ankommt. Zum Glück gibt es E-Books!

Besonders viel Liebe stecken Sie und einst auch der leider viel zu früh verstorbene Festivalgründer Andreas Hoh in die Auswahl der Locations: Wie gut kommt das bei den Fans an?
Die Krimi-Fans lieben ungewöhnliche „Tatorte“ – vor allen Dingen die Locations, die normalerweise für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Wir möchten Krimis mit allen Sinnen erlebbar machen. Wenn ich durch München fahre, komme ich überall an Krimifestival-Locations vorbei – vom Hofbräuhaus
über die BMW Welt, Justizpalast, Polizeipräsidium bis hin zum Olympiaturm. Die kleinsten Locations bisher waren die Knast-Lesungen oder Lesungen in einem Bungalow im Oly-Dorf; die größte Location ist der Circus Krone Bau. Als wir das zum ersten Mal mit den Kluftinger-Stars Klüpfel & Kobr gewagt haben, wurden wir für verrückt erklärt. Die Lesung war tatsächlich komplett ausverkauft!

Was ist der Spirit, für den Ihre neue Ehrung – der Andreas-Hoh-Preis – stehen soll?
Andreas Hoh war ein wunderbarer Mensch, ohne dessen große Leidenschaft für Kriminalliteratur das Krimifestival München nicht existieren würde. Er war quasi rund um die Uhr für das Festival im Einsatz und hätte eigentlich selbst posthum hierfür einen Preis verdient.

Stimmt absolut.
Mit dem Andreas-Hoh-Preis werden Autorinnen oder Autoren ausgezeichnet, die dem Krimifestival in besonderer Art und Weise nahe stehen oder das Publikum in außergewöhnlicher Art und Weise begeistert haben, wie zum Beispiel der berühmte Mordermittler Josef Wilfling mit seinem unvergleichlichen Humor, die bayerische Queen of Crime Rita Falk mit uneinholbar über 10.000 Augenzeugen bei ihren Events im Circus Krone oder Leichenpräparator und Autor Alfred Riepertinger, der in diesem Jahr die 100. ausverkaufte Lesung aus seinem Buch „Mein Leben mit den Toten“ im Pathologischen Institut knackt. In diesem Jahr wird Friedrich Ani mit dem Preis ausgezeichnet, der das Festival buchstäblich vom ersten Tag an vor allem mit seinen vielfach preisgekrönten Kommissar-Süden-Krimis begleitet und bereichert hat.

Letzte Frage: 20 Jahre sind zu feiern, wie viel Luft bleibt Ihnen und dem Team im Organisationswirbel eigentlich, um auch tatsächlich privat Spaß am großen Ganoven-Gipfeltreffen zu finden – und was ist wohl der Ort, wo sie sich besonders wohlfühlen werden?
Jede Location hat ihren ganz besonderen Reiz, aber wir freuen uns schon sehr auf das große Festival-Finale im Juni mit dem Krimi-Dampfer auf dem Starnberger See. Die Krimi-Kreuzfahrt mit der Dampferfahrt in den Sonnenuntergang ist jedes Mal ein unvergleichliches und sehr schönes Erlebnis.