The Notwist begeistern in der Muffathalle

IN-München-Review: So wars … bei The Notwist

Who the Fuck is Radiohead?: The Notwist beweisen in der ausverkauften Muffathalle, dass sie zu den besten Indietronic-Bands weltweit gehören

Vincent ist neun und wohl der jüngste Besucher in der saunaheißen Halle. Sein Vater sagt, der Besuch des Konzerts wäre ein Schulanfangs-Geschenk am 12. September. Respekt und danke dafür – frühe Heranführung an guten Musikgeschmack kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Bei der Störsender-Demo gegen die Kulturprogrammkürzungen im BR2, gestand The Notwist-Sänger Markus Acher, der vor Ort zusammen mit seinem Bruder Micha mit dem Nebenprojekt Hochzeitskapelle die Veranstaltung begleitet hatte, dem Autor, dass die Band vor ihrem Konzert in der ausverkauften Muffathalle nicht direkt eingespielt war, man wäre schließlich gerade aus dem Urlaub gekommen.

Spannend würde es werden, versprach er, und oft wären das die besten Konzerte. Deshalb war dann der großartige Auftritt dieser bereits letztes Jahr im Circus Krone brillant aufspielenden Formation, auch an diesem Abend nicht so verwunderlich: Anscheinend kann nichts mehr schief gehen bei der bayerischen Kultband, die es wohl als einzige ihrer Art über den Tellerrand hinaus in die große weite Welt geschafft hat. Mit einer Mischung aus Kraut- und Indierock verstehen es die Acher-Brüder, verstärkt durch Cico Beck (Elektronik, Percussion, Gitarre), Max Punktezahl (Keyboards und Gitarre), Karl Ivar Refseth (Vibraphon), Theresa Loibl und Mathias Götz (Blasinstrumente) sowie Andi Haberl am Schlagzeug gleich mit ihren ersten Songs „Another Planet“ vom Album „Shrink“, „One With The Freaks“ und „Pick Up The Phone“ von „Neon Golden“ sowie „Kong“ von „Close To The Glass“ ihr begeistertes Publikum in Bann und Retrospektive zu ziehen – in rauschenden „extended“ Versionen ihrer sich immer noch neu und frisch anhörenden Musik, fühlen sich alte (überwiegend) wie auch neue (s. Anfang) Fans perfekt aufgehoben und dem Beifall nach zu urteilen, auch sichtlich wohl.

Der Sound in der Halle ist richtig gut, wie immer hätte man sich Markus Achers Gesang etwas lauter gewünscht, aber der Mann ist einfach ein eher leiser Typ, der seine Zuhörer auf angenehme und subtile Weise erreicht, zum Beispiel mit dem wunderbaren „Where You Find Me“ vom aktuellen Album „Vertigo Days“. Auch „Ship“ von diesem Werk konnte durch seinen repetitiven Groove und durch die Unterstützung der japanischen Support-Band WaqWaq Kingdom überzeugen. „Langweilig“, schreit einer laut bei dem formidablen „Who We Used To Be“ von der 7e.p. (definitiv ein Highlight zur Mitte dieses Konzerts) und liefert den Beweis, dass auch die besten Bands taube Idioten im Publikum haben können. Zum Glück unbeeindruckt starten The Notwist danach erst richtig durch und bieten mit Songs wie „Trashing Days“ und „Gloomy Planet“ eine schöne Rückschau in die 00er Jahre, Songs wie „Puzzle“ liefern gar eine Zeitreise zurück in die Hardcore-Zeiten der Band, als sie in den Neunzigern in der Kulturstation in Oberföhring auftraten.

Als Zugabe dann einer der Hits vom Album „Neon Golden“ – „Pilot“, anfangs in einer fast Reggae-mäßigen Anmutung: klar, der Sommer ist vorbei; das Stück mutiert plötzlich zum House-Club-Monster, bevor es in der Original-Version zu Ende geführt wird: Bravo. Wie es die Band schafft, auch Free Jazz meets Weltmusik-Impros in wüste Post-Hardcore-Klänge hinüber gleiten zu lassen, die Lautstärke zurückzufahren, um dann mit einer akustischen Explosion das Publikum zu überraschen, ist bis heute verblüffend – und schon ziemlich einzigartig.

Autor: Rainer Germann