In München gibt es im Oktober musikalische Reaktionen auf politisch unruhige Zeiten
Eine solche Institution sucht man hier vergebens. Seit 1995 gibt es im New Yorker Flatiron District die „Jazz Gallery“, einen Non Profit-Club, der pro Saison drei gut dotierte Auftragskompositionen zu vergeben hat. Der Schlagzeuger Johnathan Blake erhielt eine der begehrten Offerten und bedankte sich mit dem Werk „My Life Matters“ für das Vertrauen, das ihm das Team um die Künstlerische Leiterin Rio Sakairi entgegen brachte. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, um die Anspielung im Titel zu verstehen. Heute versuchen ein oranger Möchtegern-König und seine Vasallen die Errungenschaften der „Black Lives Matter“-Bewegung zurückzudrehen, kleinzureden oder ganz aus dem Bewusstsein der Öffentlich- keit zu verdrängen. Funktioniert natürlich nicht. Johnathan Blakes Musik ist ein Schlag in die Fresse all jener, die der Kultur und Anders- denkenden an den Kragen wollen – ein Hieb mit Substanz allerdings.
Wir sind gespannt, was dieser aus der Drummer-Hochburg Philly stammende Trommel- und Beckenmeister bei seinem Münchner Konzert zum Programm seines Albums zu erzählen hat. Vorab ließ er schon mal verlauten: „Leute, wehrt Euch gegen Ungerechtigkeiten aller Art. Lasst Euch nicht unterdrücken. Lasst Euch nichts gefallen, bleibt standhaft!“ Bam!
Vielleicht werden die Stücke aus „My Life Matters“ ja zu Hymnen einer neuen Bürgerrechtsbewegung. Mit einer Weltklasse-Besetzung wird Blake die potentiellen Protestklassiker aufführen. Sein Quintett besteht aus dem Saxofonisten John Ellis, dem Vibrafonisten Jalen Baker, dem Pianisten Fabian Almazan und dem Bassisten Ben Street (Unterfahrt, 16.10.).
Über den Tellerrand: NUEJAZZ

Peter Gall spielt mit seinem Quintett beim NUEJAZZ
Es steckt viel München im Programm des genreübergreifenden Festivals NUEJAZZ, das vom 17.10. – 4.11. in Nürnberg stattfindet.
So reisen Pianistin Shuteen Erdebaatar und Schlagzeuger Simon Popp mit Solo-Programmen ins Fränkische, stellt die Sängerin Enji ihr aktuelles Wirken vor, könnte Sängerin/ Schauspielerin Jelena Kulić mit ihren Fundamental Interactions feat. Olga Reznichenko für Furore sorgen. Und die Münchner Kultformation Embryo unternimmt einen Streifzug durch so manche Region unserer Welt und blickt musikalisch wie schon immer wieder über den Tellerrand europäischer Musik hinaus. Ebenfalls schon mal vormerken sollte man sich auch den Auftritt der österreichischen Slow Beat-Pioniere Kruder & Dorfmeister, die ihr berühmtes K&D Sessions-Album mit einer fantastischen Liveformation auf die Bühne bringen. Sonst im Programm: Bilal, das Bill Laurence Trio, Nebbia/ Downes/ Lisle, das Andromeda Mega Express Orchestra, das Peter Gall Quintett, Jazzanova feat. Wayne Snow u.v.m.
Kommt mit Drummer Simon Popp nach Nürnberg: Shuteen Erdebaatar
Jazz Tipps:
Nach langer Durststrecke ist in Sachen Jazz wieder reichlich was los in München. Die Kunst des Piano Trios pflegt Fare bei den „Westend Vibes“ in der Auferstehungskirche (9.10.). * Das Duo Sylvie Courvoisier (Piano) & Patricia Brennan (Vibes) steht für einen Mix aus kompositorischer Strenge und subtilem Witz (Unterfahrt, 14.10.).

Parallel bietet die Seidlvilla in der Reihe „Jazz+“ Kaiser Pommes an, die der umwerfende dänische Trompeter und Kornettist Kasper Tranberg serviert (14.10.).
Lust auf Ausflüge? Obwohl das Salzburger Festival Jazz & The City arg eingedampft wurde und es sich unter neuer Intendanz inhaltlich mitunter deutlich vom namensgebenden Genre entfernt, lohnt sich das Flanieren entlang der Salzach von Gig zu Gig allemal. Reizvolle Locations, die sich über die gesamte Altstadt verteilen, locken mit Gratis-Konzerten von James Brandon Lewis. Patricia Brennan / Sylvie Courvoisier, David Helbocks Random Control feat. Filippa Gojo, Ben LaMar Gay, Adam Ben Ezra, Christoph Pepe Auers White Noise oder Georg Vogel (16. – 19.10.).

Jazz & The City in diesem Jahr unter anderem mit Ben LaMar Gay.
Schweizer Pianistin Marie Kruttli gilt als Geheim-Tipp. Lässt sich vielleicht nachvollziehen, wenn man ihr Konzert im Bergson erlebt hat (17.10.).
Seiner unwirklichen Energie muss man gewachsen sein am: 17.10. gastiert der Saxofon-Gott Immanuel Wilkins in der Unterfahrt (17.10.). * Piano-Ass Sullivan Fortner will im Nightclub seine ganze Klasse zeigen (21.10.). * In der Unterfahrt zelebriert der Komponist Christian Muthspiel mit seinem Orjazztra Vienna ein gehaltvolles Werk, das Tondokumente des österreichischen Sprachkünstlers Ernst Jandl integriert. Schade übrigens, dass sich Muthspiel bald zurückziehen will (24.10., Unterfahrt). * In den Kunst- werken Dachau tritt am 25.10. ein handverlesenes Quartett namens Stax um den Schlagzeuger Max Stadtfeld auf (25.10.). * Wer auf wilden modalen Jazz der späten 60er Jahre steht, ist beim Konzert des Saxofonisten Lawrence Clark bestens aufgehoben (Unterfahrt, 28.10.).