IN München Review: So war’s bei… The Notwist

IN München Review: So war’s bei… The Notwist

In Windeseile waren sie ausverkauft die Karten für das vorweihnachtliche Konzert von The Notwist in der Minimalbesetzung. Als Notwist Pocketband rissen sie im gesteckt vollen Ampere das Publikum zu Jubelstürmen hin.

Es ist fast schon ein Klassentreffen: Lange nicht gesehene Freunde liegen sich in den Armen, man erinnert sich an vergangene Tage und Partys in verschwitzten Underground-Kellern. Doch bevor die Nostalgie zu sehr überhandnimmt, klopft erst einmal in Gestalt von Palanca die Zukunft an. Das Duo, bestehend aus Drummerin Constanza Melendez und Daniel Door am elektronischen Maschinenpark, lässt es gut gelaunt brezeln, scheppern und knarzen, und das ein oder andere Rockriff lässt einen vielleicht an Elektroacts wie Alter Ego denken, die in den Nullern Genregrenzen sprengten. Doch Palanca sind eigenständig und widerborstig genug, um kaum Vergleiche aufkommen zu lassen. Nach einer halben Stunde Noisegewitter werden die Verstärker noch ein wenig weiter aufgedreht. Hatte Markus Acher tatsächlich noch die Pause genutzt, um ein paar Lieblingsplatten aufzulegen, wird sich jetzt routiniert der Gitarrengurt umgehängt, und schon geht die Zeitreise los.

Mit „Is It Fear?“, dem Opener ihres Debüts von 1990, setzen Notwist gleich zu Beginn den Ton – es geht in familiärer Atmosphäre erst einmal zurück zu den Anfängen. Auch der zweite Song „Bored“ ist noch Zeugnis der „Teenage Angst“ in der Weilheimer Tristesse der späten achtziger Jahre. Irgendwo zwischen den Koordinaten Punk, Metal und Hardcore, befeuert durch Platten von Bands wie Dinosaur Jr. und Hüsker Dü, beginnen die Brüder Acher, damals noch mit Mecki Messerschmidt am Schlagzeug, Musik zu machen. Bereits damals lebten ihre Songs von dem lebhaften Kontrast zwischen kompromisslos hart bollernden Metal-Riffs und dem verhaltenen Gesang von Markus Acher – und auch 2025 können sie damit immer noch begeistern. Auch ein Großteil des Publikums ist schon einen weiten Weg mit der Band gegangen und so stehen hier schon zwei Generationen vor der Bühne. Ist die beeindruckende Vorband Palanca noch mit einem Schlagzeug und einem ganzen Gerätepark an Synthies und Effektgeräten bestückt, ist bei der Notwist Pocketband dagegen Minimalismus Trumpf.

(c) Tobias Wullert

Wie befreit vom Ballast ihrer letzten eklektischen Produktionen legen Markus und Micha Acher, kongenial unterstützt am Schlagzeug von Andi Haber, eine Spielfreude an den Tag, die auch die Zuschauer*innen im Ampere immer mehr mitreißt. Perfekt aufeinander eingespielt, überraschen sie immer wieder mit präzise gesetzten Breaks. Doch wer nur schwelgerische Nostalgie erwartet hat, kennt Notwist aber schlecht, die immer für eine Überraschung gut sind und sich mit „Kong“, einem für ihre Verhältnisse straighten Uptempo-Indierock-Hit, wieder ins Jahr 2014 katapultieren. Um gleich darauf beim Frühwerk „Puzzle“ aus dem dritten Album „12“ zu landen, das damals schon die ersten zarten Fühler Richtung feinziselierten Pop-Eklektizismus ausstreckte. Hier darf auch das feste Notwist-Mitglied Cico Beck an der zweiten Gitarre und am Keyboard dem Sound einige Sprengsel hinzufügen.

(c) Tobias Wullert

„One Wasted“ lässt mit scharfkantigen Riffs und atemberaubenden Tempowechseln die Metal- und Punk-Vergangenheit noch einmal durchscheinen, während „One Dark Love Poem“ vom zweiten Album auch mal kurz Luft zum Verschnaufen lässt. Es ist wahrlich ein Rundumschlag, den die Band ihren Fans hier bietet. Auch das Erfolgsalbum „Neon Golden“ wird nicht ausgespart und wird mit „This Room“ und „One with The Freaks“ in angenehm rauen und reduzierten Versionen präsentiert. Dass die beiden Brüder nicht in der Vergangenheit hängengeblieben sind, beweisen sie dann wiederum bei der Vorabsingle zum demnächst erscheinenden Album „News from Planet Zombie“, „X-Ray“, das mit seinen Noisepassagen auch zu ihrem 1995er Album „12“ gepasst hätte, dessen Titelsong dann wie zum Beweis den Abschluss bildet. Nach knapp 70 Minuten, in denen Notwist auch an ihr eigenes Energielevel gegangen sind, ist diesmal schon Schluss, und mit einer Bescheidenheit, die fast schon schmerzt, stellt sich Markus Acher ans DJ-Pult und legt, als ob nichts geschehen wäre, weiter auf.