Electro & Beatz im Mai: Blühende Klanglandschaften

Im Pacha tritt mit Claptone ein maskierter Hit-Produzent auf, und im Ampere gibt sich mit Stimming ein Meister der atmosphärischen Electronica die Ehre.

Unexpected Music Festival in der Roten Sonne

Wenn in der Roten Sonne vom 1. bis zum 3. Mai ein Festival namens Unexpected Music über die Bühne geht, stellt sich natürlich die Frage, was für eine unerwartete Musik man dort erwarten kann. Die Auflösung kann man im Grunde bereits der Unterzeile entnehmen, die ein „international festival for experimental music“ verspricht. Und so will Booker und Organisator Peter Wacha aka Upstart denn auch eine Plattform für Acts zwischen den Genregrenzen schaffen, die sonst kaum oder nur wenig Platz im Münchner Konzertgeschehen finden. Eher schwierig bis unfair, da bei 18 Künstlerinnen und Künstlern zwischen Ambient und Noise, Queer Pop und Glitch, Field Recordings und abstrakteren Formen der Tanzmusik jemanden herauszuheben. Allen Interessierten sei daher schon mal die hilfreiche Website unexpected-music.com empfohlen und vorab gesagt: Es lohnt sich. Sehr sogar.

Eurotrance im Bahnwärter Thiel

Stilistisch weniger weit gestreut geht es indes am 1. Mai im Bahnwärter Thiel zu. Bitten dort doch 15 DJs mit herrlichen Namen wie DJ Räucherlaks über eine Distanz von 15 Stunden (14 bis 5 Uhr) drinnen und draußen zu einer großen Sause im Zeichen des Eurotrance. Der existiert als Genre zwar nicht wirklich, verspricht in der Grauzone zwischen dem Eurodance der Neunziger und den ebenso atmosphärischen wie trashigen Klangteppichen des wieder erblühten Trance ein nostalgisches Tanzerlebnis der kurzweiligen Art.

Claptone im Pacha

Und damit zu einem, der in der gar nicht mal so unterbesetzten Kategorie „maskierter Künstler“ noch mal eine Sonderstellung einnimmt. Denn tatsächlich ist bis heute ungeklärt, wer hinter der goldenen Schnabelmaske steckt, die der House-DJ und -Produzent Claptone seit jeher trägt. Bei seinem Set im Pacha am 9. Mai wird dieses Geheimnis gewiss auch nicht gelüftet. Und warum auch? Für diesen Unbekannten, der mit dem wunderbar melancholisch pumpenden Track „No Eyes“ einen Hit landete, der knappe 139 Millionen Aufrufe auf Spotify verzeichnet, scheint sich die Sache mit der Anonymität ja durchaus auszuzahlen.

Half Alive in der Theaterfabrik

In ganz andere musikalische Dimensionen geht es wiederum mit der kalifornischen Indiepop-Band Half Alive, die am 16. Mai in der Theaterfabrik zu Gast ist. Liegt deren Profession doch in einer Beweglichkeit zwischen den Stilen, die einem als Hörer schon erst einmal ein bisschen abverlangt. Lässt man sich jedoch auf den etwas überdrehten Charakter dieses Trios ein, so wird man mit einer Musik beschenkt, die zwischen electropoppigen Glasuren, einem gerüttelten Maß an Funkyness und der Geschmeidigkeit des Indiepop eine Vitalität entfaltet, die ganz im Widerspruch zum Namen der Band steht.

Kazy Lambist im Strom

Weniger sprunghaft, dafür aber in seiner sanften Melancholie très chic kommt der schwebende Electro-Pop des Franzosen Kazy Lambist daher. So ist besonders sein jüngstes Album „Moda“, das in Zusammenarbeit mit einer ganzen Riege an Gastsängerinnen entstand, eine harmonische Demonstration des Zusammenklangs zart getupfter Klänge und linder Stimmen. Zwischen feinen Verästelungen Richtung Disco und House greift hier alles auf sachte und betörend süße Weise ineinander, ohne dabei jemals in der Seichtigkeit zu versanden. Ein Spagat, den man so erst mal hinbekommen muss, und auf dessen Live-Umsetzung am 22. Mai im Strom man ziemlich gespannt sein darf.

Modeselektor im Blitz

Das kraftstrotzende Pendant dazu ist dann tags darauf im Blitz Club zu erleben, wenn Gernot Bronsert und Sebastian Szary dort am 23. Mai als Modeselektor hinter den Decks stehen. Füllen die beiden Berliner in ihrer dezent poppifizierten Inkarnation als Moderat (mit Sascha Ring aka Aparat) auch größere Konzerthallen, so sind sie nun wieder vermehrt mit ihrer plastisch bollernden Fusion von Techno, Electro und Hip-Hop-Anteilen unterwegs. Ein Sound, so energetisch und eigen, dass etwa auch Radiohead-Frontmann Thom Yorke mit ihnen kollaborierte, was dann doch für sich spricht.

Stimming im Ampere

Bleibt mit Stimming noch einer, der als Produzent und Live-Act zu den innovativsten Figuren der deutschen Elektronik-Szene zählt. Zu tun hat das auch damit, dass der Wahlhamburger seine fein gewobene Electronica bevorzugt mit einer Fülle an Field Recordings ausstattet, die er selbst per Tonbandgerät festhält. Kaffeemaschinen, Kinderspielzeuge, klimperndes Kleingeld – in Stimmings atmosphärischen Tracks wird auch der Alltag zum Sound. Im Ampere präsentiert er nun am 27. Mai sein neues Album „Friedrich“. Und geht man von der elegant verwaberten und verzirpten Polyrhythmik der Single „Lucky Me“ aus, dürfte das ein ganz und gar zauberhafter Abend werden.