Queerer Rapper und Aktivist: Maurice Conrad

Electro & Beatz im April: Ein Hoch auf die Vielfalt

Schlagertrance, royaler Minimal Techno, orientalische Psychedelik, ein schwuler Rapper und sonnenwarmer Synthie-Pop

Die vielleicht wichtigste Fähigkeit eines oder einer versierten DJ besteht bekanntlich darin, ein Gleichgewicht zwischen Vielfalt und Homogenität zu finden. Die ganze Sache muss schließlich organisch ineinanderfließen, sonst führt auch der bunteste Mix die Tanzenden in die Überforderung. So gesehen kommt mit Carlita aus Istanbul am 5. April eine wahre Meisterin ihres Fachs in den Blitz Club. Ausgebildet an Cello, Drums, Bass und Gitarre, bringt die türkisch-italienische DJ ein Musikverständnis mit, das auch ihren ebenso strahlend hellen wie satt ins Tanzbein pumpenden House-Tracks jederzeit anzumerken ist. Die Art und Weise, wie sie sich in ihren Sets stets irgendwo zwischen anatolischer Psychedelik, Disco, Minimal oder lateinamerikanischen Grooves austobt und diesen kunterbunten Eklektizismus dennoch zu stringenten Sets verbindet, das macht ihr so schnell keiner nach.

Bunt wird es sicher auch am 10. April in der Roten Sonne, wenn dort die queere Clubreihe „Garry Klein“, die auch nach dem Ende des Harry Klein fortbesteht, nun mit „Garry Klein queerconcerts“ eine Konzertreihe als Pendant startet. Los geht’s mit dem engagierten Klimaschutzaktivisten und Grünen-Politiker Maurice Conrad, der mittlerweile als offen schwuler Rapper eine geradezu revolutionäre Ausnahmestellung im deutschen Hip-Hop einnimmt. „Ihr redet über Männlichkeit / und dass ihre echte Männer seid / Ich rede über Sex mit Männern / weil ich finde Männer geil“, rappt er etwa im Track „Männersex“. Eine selbstbewusste Offenherzigkeit, vor der man angesichts der schwulenfeindlichen Abgründe im Gangsta-Rap nur den Hut ziehen kann.

Royal wird es am 12. April, denn da besucht mit der famosen polnischen DJ Magda die zur „Queen of Minimal“ gekrönte Virtuosin des Minimal Techno den Blitz Club. Fand die in jungen Jahren mit ihren Eltern nach Detroit ausgewanderte Künstlerin zu Beginn ihrer Karriere in Richie Hawtin einen wichtigen Mentor und musikalischen Seelenverwandten, hat die heute 49-Jährige mit ihrer Beteiligung am Label „Items & Things“ längst ihr eigenes Ding am Laufen. Den feinteiligen Futurismus des Minimal Techno bekommt man indes seit jeher von kaum jemandem so elegant serviert wie von ihr.

Ein ausgeprägtes Faible für Pferde, Trance und die Leichtigkeit des Trashs pflegt wiederum der selbsternannte „Horse Trance Ambassador“ Luis Ake. Auf dem Cover seiner neuen EP „Horse Trance: Melodien der Freiheit“ posiert er mit Pilotenbrille und Panflöte, und so in etwa klingt das dann auch. Zwischen der günstig produzierten Trance-Transzendenz der Neunziger, robotischem Autotune-Geleier und melodischer Schlagerseligkeit hebt Ake hier in Richtung eines Planeten ab, auf dem nichts als die Liebe regiert. Dürfte eine wunderbar eskapistische Sause werden am 17. April im Import/Export.

Nicht weniger eigen, aber vielmehr entgrenzend als trashig kommt derweil der „Electro-Dynamic-Psych-Folk“ daher, den das Münchner Quartett Lucile And The Rakibuam im Rahmen des Release-Konzerts ihrer via Trikont veröffentlichten EP „Neyzen“ am 20. April im Optimal Recordstore spielen wird. Als Freunde des unregelmäßigen Takts speist sich ihr Repertoire dabei aus alten Volksliedern, tradierten Schlagern und dem psychedelischen Sound der türkischen Rockszene der Sechziger und Siebziger à la Altin Gün. Kurzum also aus dem musikalischen Archiv Anatoliens und des Nahen Ostens, dem sie mit Synthie-Sequenzen und Instrumenten wie der elektrischen Variante der türkischen Saz neues Leben einhauchen.

Ebenfalls aus München stammt die schnurrbärtige Indie-Pop-Band King Pigeon, die nach einer Reihe formidabler Singles am 30. April ihre Debüt-EP im Strom vorstellt. Ebenso akkurat getrimmt wie die Barttracht fällt bei den nach einer Yoga-Position benannten vier auch ihr entschlackt verflauschter Sound aus, der in Songs wie „Heatwaves“ zwischen fein geschliffener Synthie-Pop-Süße und melodischer IndiePop-Griffigkeit stets unaufhaltsam sonnenwärts strebt.

Apropos Sonne: Der Preis für den besten DJ-Namen geht in dieser Ausgabe zum Abschluss eindeutig an DJ Sonnenbrand. Der hat mit „Came For The Fun Stayed For The Sun“ bereits Mitte März seine Debüt-EP abgeliefert und lässt darauf ebenso wie Luis Ake seiner Freude am Trance der Neunziger freien Lauf – nur eben ohne Schlagerseligkeit und Pferde wie man am 26. April in der Roten Sonne nachhören kann. Demnächst wird ihm dann wohl DJ Hundefriedhof (19. Mai, Rote Sonne) den Preis wieder abluchsen, aber dazu ein andermal mehr.