„Ich wollte ein Album über die Natur schreiben. Und dann kam mir das Menschsein dazwischen.“
Es gibt ein sehr stimmungsvolles Foto von Sandra Gern aka Polar Noir. Aufgewachsen in Bad Tölz, für egoFM in München arbeitend – Sandra moderiert die Sendung „Chelsea Hotel“ – derzeit aber in Berlin wohnhaft: Sie sitzt da vor einem winterlichen Panorama, im Hintergrund eine eisige Schneelandschaft, sanfte Hügel, ein sachte plätschernder Fjord, der Himmel hellgrau bis leicht stahlblau bewölkt. Davor leicht erhöht auf einem sehr dicken Kissen im Schneidersitz, das lange schwarze Haar über die Schultern fallend, Mikrofon und Effektgeräte im muggeligen Homerecordingstudio aufgebaut, die Sängerin, Musikerin und Komponistin daselbst.
„Post Punk und Perlmutt-Pop“ beschreibt das Info Polar Noirs Musik. Und damit ist schon wirklich sehr viel (gutes) gesagt. Wobei das helle und tendenziell eher freundlich anmutende Perlmutt-Weißgrau gerne auch mal in ein dunkel-düsteres No Wave-Grau changiert. Polar Noir holt sich ihre Inspiration aus der Natur, vor allem aus dem Wasser. Jetzt erschien Ende Januar mit „Coming Up For Breath“ das Debütalbum der Musikerin, das von großen Sehnsüchten aber auch von eklatanten Versäumnissen einer von sich und der Umwelt entkoppelten Gesellschaft erzählt.
„Wir sind Natur und was wir fühlen, spiegelt sich in der Natur wider und an- dersrum” sagt Sandra Gern über die Es- senz ihres beeindruckenden Debüt- albums. Was aber eigentlich ein Sam- melsurium an Lieder über die Natur werden sollte, entpuppte sich schnell als unbequeme Auseinandersetzung mit dem Platz des Menschen in dieser unserer Welt. Dazu Sandra: „Wenn ich jetzt auf die Songs blicke, können sie immer auf mehreren Ebenen interpretiert werden: einer zwischenmenschlichen, einer gesellschaftlichen und der existentiellen Makroebene, auf der ein Mensch versucht, sich zwischen Natur und dem Menschsein selbst zu finden.”
„Coming Up For Breath“ verbindet die skandinavische Melancholie von Lykke Li und Mø mit dem Post-Synth-Pop und New Wave von The Cure oder Coc- teau Twins oder dem schattenhaften Indie-Rock von Slowdive, dem Post Punk von Wet Leg oder auch mal dem Bedroom-Shoegaze von Beach House. Am 5.7. präsentiert Polar Noir nun ihre Platte beim „Muffat FEST“, wo sie sich mit den schon etwas bekannteren Kolleginnen und Kollegen von Sweed, Gar- dens und vor allem Say Yes Dog die Bühne teilen wird.
Q & A – Drei Fragen an Polar Noir
1. Was inspiriert dich?
Natur, Wasser, Tiere, Ungerechtigkeiten, wenn Menschen Veränderungen zulas- sen und sich selbst neu erfinden, skurrile Alltagsmomente und Empathie.
2. Dein absoluter Geheimtipp für München?
Hoffentlich kein Geheimtipp mehr, aber das „Zirka“. Ein interdisziplinärer Melting Pot für Künstlerinnen und Künstler mit sehr coolen Veranstaltungen.
3. Wo siehst du dich in zehn Jahren?
Am Meer wohnen und täglich mit Walen tauchen. Falls das nicht klappen sollte, würde mir schon reichen zeitweise mehr am Meer zu leben und weiterhin kreativ arbeiten zu können. Was genau und wo ist dabei wahnsinnig angenehm offen.
4. Was ge-/missfällt dir in/an München?
Egal in welcher Stadt ich bin, ich vermisse die Isar. Dass man mitten in der Stadt in einem Fluss schwimmen gehen kann, mag ich sehr. Genauso wie die musikalische Historie von München, Musicland Studios, Moroder, Mercury… ich hätte die Stadt gerne in den 70/80ern kennengelernt. Was ich nicht mag ist die Schickeria und die hohen Lebenshaltungskosten, die den Artists die Luft zum Atmen nehmen.
5. Welchen (Münchner) Prominenten würdest du gerne zum Kaffee/Bier treffen?
Uschi Obermeier. Wobei ich dazu wohl mittlerweile nach Portugal fahren müsste. Aber vielleicht treffe ich sie ja dann mal zufällig. Wenn ich in Portugal mit Walen tauche…
6. München ist für mich wie …
… Familie, die man sehr lieb hat, aber gegen die man auch manchmal etwas rebellieren muss. Und die ihren Garten einen Ticken wilder wachsen lassen könnte.