Ortsgespräch: Maxi Schafroth

Das Aus beim Derbleckn hat MAXI SCHAFROTH verdaut. In der neuen Film-Komödie „Zweistelle“ kommt für ihn Klassentreffen-Stimmung auf.

Herr Schafroth, wie sehr hat Sie das Arbeiten in einer Jenseits-Behörde in Ihrem neuen Kinofilm „Zweigstelle“ an die alte Ausbildungszeit bei der örtlichen Bank im Allgäu erinnert?

Ich wollte ja schon etwas weiter oben anfangen als bei der Sparkasse oder der Raiffeisenbank. Raiffeisen, das war bei uns die sogenannte „Kartoffelbank“. Ich wollte unbedingt zur Commerzbank, die fand ich damals ein bisschen schicker.

Und?

Es hat sich schnell der Eindruck verdichtet: Je größer ein Unternehmen wird, desto absurder werden die Strukturen, desto gefangener sind die Leute in ihnen. Sie hinterfragen dann auch gar nicht mehr, wie sie Dinge bezeichnen. Als Außenstehender versteht man gar nicht mehr so leicht, wovon die Rede ist. Bei der Commerzbank hieß es damals immer: Herr Schafroth, geben Sie es dem Comadi frei.

Soll heißen?

Comadi steht für Commerzbank maschinelles Dispositionssystem. Wenn damals eine Abbuchung kam, die über dem Kreditrahmen lag, musste ich sie im System händisch freischalten. Es war wirklich so kompliziert wie im Film. Es gab Anwendungen, die hättest du auf einem 386er-Rechner nicht mehr zum Laufen gekriegt. Ich habe, nachdem ich von der Bank weg war, mal eine alte Kollegin danach gefragt. Sie sagte nur: Wir wollen das System seit 20 Jahren abschalten, aber wir haben Angst, dass die Bank zusammenkracht, wenn wir es versuchen.

Es war ja zu hören, dass zuletzt Atomkraftwerke mit Floppy-Disks gesteuert wurden.

Glaube ich gern. Ich bin selbst jemand, der noch bis vor fünf Jahren ein Fax-Gerät zuhause gehabt hat. Ich liebe Fax.

Und wie steht’s um die Liebe zum Ablagesystem – zum Abheften, den Ordnern mit Trennblätter und Merkzetteln?

Ich erinnere mich gern an meine erste Ferienarbeit bei einer Firma für Waschanlagen-Technik in Memmingen. Ich musste immer aus dem Hochregal, das ein verwinkeltes System mit Leitern und Treppen sowie so schmalen Durchgängen war, dass man nur als 14-Jähriger durchkommt, Teile holen. Immer wenn ich heute in eine Waschanlage fahre, sehe ich noch diese Bürsten, die ich damals als Ersatzteile verschickt habe. Ich habe immer noch die Laufzettel vor mir, die man mir in die Hand gedrückt hatte und mit denen ich auf die Suche ging.

Maxi Schafroth (c) Susie Knoll

Klingt nach Kabarett – oder nach einem lustigen Film.

Ich bin froh, dass ich vor der Schauspielausbildung das Büroleben kennengelernt habe – auch fürs Kabarett. Wenn es aus der Realität geschöpft ist, merken die Leute das. Was man sich einmal aus dem eigenen Umfeld einverleibt hat, ist der beste Nährboden für Komödie.

Das trifft sicher auch auf Ihr Spezialwissen vom Aufwachsen auf dem Bauernhof zu.

Wenn ich einen Beitrag zum Thema Landwirtschaft mache, für „Extra 3“, dann rufe ich meinen Papa an. Dann sagt er ehrlicherweise: Weißt du, Bua, ich bin jetzt auch schon fünf Jahre nicht mehr Bauer, ruf doch unseren Pächter an. Wenn ich etwas Echtes habe, muss ich das einbauen. Den Leuten liegen diese Dinge auf der Zunge und die warten nur darauf, bis sie durch den Kakao gezogen werden.

Wie genau hat man Sie eigentlich für die Komödie gewonnen: Was hat Sie besonders angesprochen, der Regisseur war Ihnen ja schon länger bekannt.

Es ist in München halt eine überschaubare Szene. Und es sind jetzt auch schon rund 20 Jahre, dass ich auf der Bühne bin und Filme mache. Jedes Jahr ist mir mehr und mehr klar geworden, dass ich am liebsten mit Leuten arbeiten will, die ich gern mag. Das ist ein Privileg. Ich sage mal ganz diplomatisch: Der Kulturbetrieb kann ein Nährboden sein für Egos, die etwas anstrengend sind, und Julius Grimm steht für das angenehme Gegenmodell. Bei Projekten wie seinem Film ist ja immer auch gefragt, sich einzubringen und sich für kreativen Input zu öffnen.

Wie muss man das verstehen?

Er gibt Raum für Impro – man muss nicht ganz brav am Text bleiben, wie er im Drehbuch steht. Diese Art von Arbeit braucht Vertrauen. So etwas kann man gar nicht so schnell herstellen – es sei denn, man kennt und schätzt die Leute.

Regisseur Julius Grimm ist ja noch recht jung, „Zweigstelle“ ist ein Debüt. Haben Sie in ihm etwas wiedererkannt, was vielleicht an die frühe Marcus-Rosenmüller-Energie herankommt?

Ich denke schon. Rosenmüller und auch Julia Grimm bleiben immer ihren kreativen Welten treu, haben wenig Lust, sich zu verbiegen. Das macht Spaß, so zu arbeiten.

War das ein bisschen wie bei einem Klassentreffen oder einem Schulausflug, wenn Johanna Bittenbinder, Luise Kinseher, Rick Kavanian, Rainer Bock oder Simon Pearce mit dabei sind?

Das hat wirklich eine Gemütlichkeit und eine Geborgenheit. Wenn wir von meiner Zeit bei der Bank reden, fällt mir schon auf, was mir ab und an fehlt: Es ist dieses Kollegenumfeld. Man arbeitet miteinander, man kennt sich – und wenn du nicht weiterkommst, dann gehst du halt mal kurz für eine Latte-Macchiato-Pause in die Kantine zum Ratschen. Genau so fühlte sich das beim Arbeiten mit Johanna, Luise, Simon und Rick Kavanian an. Und mit Florian Brückner!

Ihr „Meister Eder“.

Mit Florian habe ich letztes Jahr sechs Monate lang fast jeden Tag verbracht. Ich bin ja auch beim Drehen für die RTL-Serie als Pumuckl-Stimme jeden Tag am Set. Das macht richtig Spaß. Als Kabarettist ist man manchmal ein einsamer Wolf. Beim Film agiert man als Team, da war es wieder so ein Klima, bei dem man sich einfach viel traut. Ich weiß, wie die Leute ticken.

Es stehen ja neue Kabarett-Abende an, auch ein Programm an den Kammerspielen. Wie wichtig ist es für Sie, dass da vielleicht doch auch ein bisschen was abgefallen ist nach diesem ganz großen Wirbel nach Ihrem Aus beim Derblecken?

Es gibt Bühnenformen, bei denen die kreative Pflanze ein bisschen mehr „wildwachsen“ darf. Der Nockherberg ist schon ein hartes Geschäft, weil du dich da hinstellen und es durchziehen musst – komme, was wolle.

Wie bekommt man das zu spüren?

Der Zustand in diesem Raum ist zweigeteilt. Es gibt zum einen unfassbar viel Technik, mehrere Kameras, die eigentlich wichtiger sind als der Saal. Trotzdem ist die Reaktion aus dem Saal entscheidend, weil ein gewisser Rhythmus zustande kommen muss. Eine Bühnenperformance ist immer wie ein Ballspiel: Du spielst den Ball – und die Leute spielen den Ball zurück. Wenn Kameras dabei sind, ist das wie ein abgefilmtes Ballspiel. Und da ist es natürlich merkwürdig, wenn manchmal der Ball etwas später zurückkommt als erwartet. Oder auch mal gar nicht.

Schüchtern die große Anspannung und die Befindlichkeiten im Saal ein?

Meine Kabarettprogramme spiele ich ja oft schon zum hundertsten, wenn nicht sogar zum tausendsten Mal. Beim Nockherberg hast du diesen einen Dart-Pfeil – und der muss in die Mitte. Mal kommt der Wind von links, dann kommt der Wind von rechts. Das macht es ja auch so spannend. Die Banker von meiner Commerzbank früher würden sagen, das Setting ist „gehebelt“. Es geht um gehebeltes Adrenalin, aber auch gehebelte Anspannung. Man muss darauf gefasst sein, dass es Gegenwind gibt, wenn irgendwas nicht so klappt, wie du dir das vorstellst.

Ein bisschen fies ist es natürlich schon auch: Beim Nockherberg wird verlangt, dass man richtig draufhaut, frech und direkt ist. Und wenn man es dann genau so macht, heißt es: Das war jetzt aber bitter.

Das Schöne am Nockherberg ist eigentlich, dass man es niemandem recht machen kann. Die Leute daheim müssen es lustig finden, du musst Erzähl­ebenen finden, bei denen sie mitgehen. Ich habe gerne meine landwirtschaftlichen Themen oder meine Büroerfahrungen eingebracht. Der Raum mit den Prominenten muss aber auch mitgehen, was nicht immer so ganz leicht ist – weil jeder sich beobachtet fühlt. Wenn man eine hohe Reichweite hat, muss man ein gutes, dickes Fell haben.

Ihr Erfolgsrezept, den Druck auszuhalten?

Nach knapp 20 Jahren, die ich jetzt auf der Bühne stehe, berührt es mich nicht mehr so, ob irgendwelche CSUler da vorne mich lustig finden oder nicht. Man steht da und entdeckt die Qualität der freien Rede. Man hat die Chance, den Moment zum Glühen zu bringen – durch eine Rede, die die Leute elektrisiert. Die Sache an sich ist super. Es ist ein Format, bei dem man mir immer mitgegeben hat: Du entscheidest komplett allein, was du sagst. Und solche Freiheit kann man grundsätzlich gar nicht hoch genug schätzen.

Ihre Reden fanden viele ganz stark, gerade wegen ihrer dann doch auch stillen und ernsten Momente, die eine enorme Wucht entfaltet haben.

Das Tolle ist, dass diese Bühne sich sehr gut dafür eignet. Es ist ja ein Ins-Gewissen-Reden. Und diejenigen, die es betrifft, sitzen direkt vor dir. Dadurch bekommt das unglaubliche Kraft. Beim Nockherberg wird der Humor noch einmal gesteigert – durch das Einfangen der Reaktion der Person, über die man redet. Genau so kann man diese Stärke in der Ernsthaftigkeit nutzen. Ich finde, dass es da oben immer beides braucht – Humor und Ernst. Das war mein Ansatz. Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn das jetzt jemand Neues vermutlich komplett anders macht. Das Starke ist, dass die Verantwortlichen auch diesen Raum lassen – bis zu einem gewissen Grad. Zwinker. Zwinker.

Das heißt, Sie müssen Stefan Zinner, Ihren Nachfolger als Nockherberg-Redner, nicht kollegial in den Arm nehmen und ihn warnen.

Ach was, Stefan weiß ganz genau, worauf er sich einlässt. Er hat das ja lang genug im Singspiel erlebt und ist sehr bühnenerfahren. Er kennt die Luft da oben.

Noch mal zum Film „Zweigstelle“: Geht’s eines Tages voraussichtlich direkt ins Paradies oder auch erstmal ins Fegefeuer?

Für mich oder für die CSU?

Für Maxi Schafroth.

Ich komme sicher in einen leichten Schwebezustand, in dem mir dann alles egal ist. Darauf freue ich mich schon.

Mit dem Meister Eder per Du: MAXIMILIAN SCHAFROTH aus Memmingen ist aus der Münchner Kreativszene nicht wegzudenken – als Kabarettist gastiert er aktuell sogar an den Kammerspielen (ab 24. Oktober). Für RTL leiht er dem Pumuckl seine Stimme. Und aktuell sieht man ihn in der schwarzhumorigen Jenseits-Komödie „Zweigstelle“ (ab 9. Oktober).