Tanz das Weltenende. Franz Furtner über „The Life of Chuck“ von Mike Flanagan in unserem Filmtipp des Monats. Ab 24.7. im Kino.
Das Ende der Welt hat Konjunktur. On- und Offscreen. Dass bald alles vorbei sein wird, macht der Film „The Life of Chuck“ gleich zu Beginn klar. Das gesamte Universum steht vor dem Untergang. Auf der Erde manifestiert sich das durch seltsame Vorboten. Das Internet verschwindet, in Deutschland bricht ein Vulkan aus, an den Küsten -liest man- steigt die Flut und… überall tauchen Werbetafeln für einen Buchhalter namens Chuck Krantz auf?! Im Angesicht dieser Schreckensmeldungen begleiten wir ein paar Figuren bei ihren letzten Momenten, einen Lehrer (Chiwetel Eijofor), dessen Ex-Frau, ein Rollschuhfahrendes Mädchen, einen Bestatter. Alle haben eigene Zugänge zu ihrem bevorstehenden Ende gefunden und teilen diese in Gesprächen miteinander. Mal mehr, mal weniger tiefschürfend.
(Etwas ärgerlich: Wenn das gesamte Universum untergeht, braucht es keinen didaktischen Dialog, der mir als Zuschauer erklärt, dass das nichts mit dem von uns Menschen gemachten Klimawandel zu tun hat.) Das Gedicht „Song of Myself“ von Walt Whitman mit dem zentralen Vers „I contain multitudes“ (deutsch etwa: In mir ist Vieles) wird zitiert. Schließlich lernen wir, dass ebenjener Chuck von den Werbetafeln (Tom Hiddleston) gerade parallel zum Weltenende im Krankenhaus an einem Hirntumor stirbt. Ende des ersten Aktes. In den folgenden zwei Akten wird das Leben von Chuck in groben Zügen rückwärts bis in die Kindheit erzählt. Ein Kniff, wie er typisch ist für Regisseur Mike Flanagan, der sich auch für diesen Film im reichen Geschichtenschatz von Stephen King bedient hat. Wenn auch diesmal ohne Grusel.
Und wieder: Carpe diem!
Flanagan ist bekannt für grundsolide Mainstreamfilme und -Miniserien, die nicht unbedingt fordern, aber eben auch nicht unterfordern. Neben Kubrick oder DePalma ist er quasi sowas wie der Stephen King der Stephen-King-Adaptierenden. So auch hier: Das Rückwärtserzählen – manchmal sinnvoll, manchmal eher ein Gimmick. Die Dialoge – teils wirkungsvoll, teils etwas arg kalenderspruchartig. Und gerade dafür, dass der Satz „I contain multitudes“ so oft wiederholt wird, wirken manche schablonenhaften Figuren so, als wär in ihnen eher wenig los. Angesichts der Feelgood-Botschaft, die der Film vermitteln will, kann man das verzeihen, dennoch würde diese viel mehr einschlagen, wenn wahrlich profundes im Angesicht der (eigenen) Apokalypse verhandelt werden würde. Trotzdem: Das Bewusstseinsspiel (Was passiert wirklich und was nur im Kopf Chucks?) und die überraschend vielen Tanzszenen lohnen es definitiv nach dem Freibad mal ins Kino zu springen. Und wenn man im Biergarten beim Nachtarocken feststellen wird, dass in der Logik des Films nicht alles ganz aufging, bestellt man sich eben noch ein Erfrischungsgetränk und lebt die „Carpe Diem“-Moral des Films direkt am eigenen Leib.