19:30 Uhr
Münchner Volkstheater / Münchner Volkstheater – Bühne 1, Tumblingerstraße 29, 80337
München
Theater
Trauer ist das Ding mit Federn
nach dem Roman von Max Porter / Regie: Mathias Spaan
Ein paar Tage nach dem plötzlichen Tod der Mutter sitzen ein Vater und seine beiden Kinder verloren in der leeren Wohnung herum. Der erste Schwall von Trauergästen und Trostspendenden ist weg, die aufgewärmte Lasagne wird langsam wieder kalt. Wie weitermachen, wenn die geliebte Person nicht mehr da ist? Wohin mit all dem Schmerz, den offenen Fragen und den Selbstvorwürfen? In dieses Gefühlschaos platzt mit einem Mal ungebetener Besuch: Eine riesige, sprechende Krähe flattert in die Trauerwohnung, mit der Absicht, sich dort einzunisten. „Ich gehe erst wieder, wenn du mich nicht mehr brauchst“, schnarrt sie den Vater an. Dieser unvorhergesehene und dreiste Trickster wirbelt durch den Schmerz der Familie, pickt an eben jenen Themen herum, die man am liebsten nie wieder ansprechen würde und verhindert das Einkehren jeglicher Normalität. Eine wilde Mischung aus düsterer Mary Poppins, unverschämtem Trauer-Dämon und makabrer Therapeutin hat die Familie im Schwitzkasten.
Der preisgekrönte Roman des britischen Autors Max Porter fängt auf einzigartige Weise die verschiedenen Formen der Trauer ein, gleichzeitig ist er durchdrungen von einem erstaunlich leichtfüßigen und lebensbejahenden Trost. Porter verwebt darin lyrische Elemente mit Prosa, Realität mit Imagination und die Ernsthaftigkeit eines Abschieds mit absurd-schwarzem Humor.
Regie: Mathias Spaan
Bühne: Anna Armann
Kostüme: Paula de la Haye
Musik: Matthias Schubert, Bendrik Grossterlinden
Dramaturgie: Leon Frisch
Regieassistenz: Dominik Poczta, Rebecca Fischer
Bühnenbildassistenz: Ellen Schäfer
Kostümassistenz: Julie Fritsch
Besetzung
Dad: Silas Breiding
Kinder: Ruth Bohsung, Cedric Stern
Krähe: Julian Gutmann, Maximiliane Haß, Alexandros Koutsoulis, Jonathan Müller, Anton Nürnberg, Baran Sönmez
Hinweise zur Inszenierung: Auf der Bühne kommt es zum Einsatz von Kräuterzigaretten.
Die Besprechung unseres Theaterexperten Peter Eidenberger:
Abschied ist auch das Thema am Volkstheater in „Trauer ist das Ding mit Federn“ nach dem gefeierten Debütroman (2015) des Briten Max Porter. Ein Vater, seine zwei Kinder und der Umgang mit dem plötzlichen Tod der Mutter. Es ist schwer, es wird schwarz – und auf einmal ist alles anders: der Vater, Dad, ist förmlich umfangen von einer riesigen Krähe. Ein ungebetener Gast, mit besten Absichten: „Ich bleibe so lange, bis du mich nicht mehr brauchst.“
Diese Krähe ist Porters geniale Idee, die Trauer allegorisch zu personifizieren, und Regisseur Mathias Spaan (am Volkstheater in bester Erinnerung von seinem „Zerbrochenen Krug“) macht aus dem einen Vogel gleich sechs: eine Truppe, die aussieht, als sei die Blue Man Group in den Dreck gefallen und in einem Horrorfilm gelandet: graue, angestaubte Klamotten, im Haar grauer Batz, die Augen hohlschwarz. Und diese Sechs – grandios, man muss sie alle nennen: Julian Gutmann, Maximiliane Haß, Alexandros Koutsoulis, Jonathan Müller, Anton Nürnberg, Baran Sönmez – nisten sich ein auf der Drehbühne. Die segmentiert ist in vier (fast) identische Kopien eines Raumes, mit dem kalten Charme eines fast leeren Büros: Tisch mit Stühlen, Kartons, Staubsauger. Die Lemuren-Gang, durch deren Körper ab und zu was „Krähisches“ zuckt, verwüstet erst mal alles, lungert im Kühlschrank rum, taucht durch eine Tür auf, durch eine andere wieder weg. Sie gehen ins Publikum, nerven den Vater beim Arbeiten, rauchen mit den Kindern, nur um sie gleich danach dafür zu rügen. Seltsame Trauerarbeiter…
Roman wie Bühnenversion springen wild, von Lyrisch-Poetischem mitten in den schwarzen Humor, mixen Realität und Vorstellung. Ein sphärischer Ton liegt über der oft düsteren Szene, das Wie-weiter-machen, der Schmerz bricht immer wieder durch, bei den Kindern, mögen sie noch so in ihren Pyjamas herumtollen (Ruth Bohsung, Cedric Stern), bei Dad, dem empfindsamen Buchautor (Silas Breiding), der spät erst wieder weinen kann. Spaans empathischer Zugriff kann Tempo und Stille, die Menschen in ihrem Verlust nimmt er ernst, und die dreiste Lust der Trauerkrähen auf ihre Therapieshow auch: denn sie wirkt! Der Besuch einer Raubvogelflugshow (Rummelplatz-Kommentar durch Krähe inklusive) wird zum schönsten Tag seit dem Tod der Mutter. Langer Beifall nach 100 Minuten: selten war Trauer so unterhaltsam – ohne den Schmerz zu verschweigen.
Termine & Tickets
Veranstaltungsort / Karte
Münchner Volkstheater / Münchner Volkstheater – Bühne 1
Adresse: Tumblingerstraße 29,
80337 München
