19:30 Uhr
Residenztheater, Max-Joseph-Platz 1, 80539
München
Theater
Kasimir und Karoline
von Ödön von Horváth
Mit Simon Zagermann (Kasimir), Anna Drexler (Karoline), Oliver Stokowski (Rauch), Robert Dölle (Speer), Max Rothbart (Der Merkl Franz), Juliane Köhler (Dem Merkl Franz seine Erna) u.a.
Premiere am 26. September 2025
„Der Mensch ist halt ein Produkt seiner Umgebung.“
Das Oktoberfest mit seinen Fahrgeschäften, Ringelspielen, Bierzelten, einem Kuriositätenkabinett und Hippodrom ist auch zur Zeit der Weltwirtschaftskrise Anfang der 1930er Jahre ein Ort des Amüsements und der willkommenen Ablenkung. Die Liebe von Kasimir, einem entlassenen Chauffeur, und Karoline, einer Büroangestellten, wird hier jedoch auf die Probe gestellt. Karoline, die ihrem Alltag für einen Moment entkommen möchte, trennt sich von Kasimir, lernt «bessere Herren» kennen und trägt in der Hoffnung auf sozialen Aufstieg doch nur sich selbst zu Markte. In Zeiten explosionsartig steigender Arbeitslosigkeit ist auch die Liebe ein (Tausch-)Geschäft, denn «Zukunft ist eine Beziehungsfrage».
Im Milieu des Kleinbürgers, der – so der österreichische Schriftsteller Franz Werfel – «von Horváth weniger als Angehöriger einer Klasse als der dem Geiste widerstrebende, der schlechthin verstockte Mensch geschildert wird», sucht man mit fortschreitender Stunde Trost in Alkoholexzessen und blickt in zwischenmenschliche Abgründe. Horváths Figurenkaleidoskop, dessen Ungeheuerlichkeit im Banalen liegt, zeigt Menschen ihrer Zeit und ihrer ökonomischen Bedingtheiten. Der österreichische Literaturwissenschaftler Alfred Doppler erkannte treffend, dass «Horváths Volksstücke Stücke über das Volk sind, wie es sich selbst nicht sieht und nicht sehen will».
Ödön von Horváth selbst beschrieb sein Volksstück als «Ballade vom arbeitslosen Chauffeur Kasimir und seiner Braut mit der Ambition, eine Ballade voll stiller Trauer, gemildert durch Humor, das heißt durch die alltägliche Erkenntnis: ‹Sterben müssen wir alle!›».
Neben Ödön von Horváth stehen mit Irmgard Keun, Heinrich Mann oder Anna Gmeyner Literat*innen auf dem Spielplan, die als Seismograf*innen frühzeitig die gesellschaftspolitischen Umbrüche zu Beginn des 20. Jahrhunderts reflektierten.
Künstlerische Leitung:
Inszenierung: Barbara Frey
Bühne: Martin Zehetgruber
Mitarbeit Bühne: Stephanie Wagner
Kostüme: Esther Geremus
Musik: Barbara Frey, Josh Sneesby
Licht: Gerrit Jurda
Dramaturgie: Constanze Kargl
Besetzung
Kasimir: Simon Zagermann
Karoline: Anna Drexler
Rauch: Oliver Stokowski
Speer: Robert Dölle
Schürzinger: Thomas Lettow
Der Merkl Franz: Max Rothbart
Dem Merkl Franz seine Erna: Juliane Köhler
Elli: Evelyne Gugolz
Maria: Niklas Mitteregger
Die Besprechung unseres Theaterexperten Peter Eidenberger:
Zur Wiesn ein Oktoberfest-Stück: das Residenztheater bringt Ödön von Horváths Kleinbürgerparabel „Kasimir und Karoline“.Vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise (1932 uraufgeführt) dreht sich diese „Ballade von stiller Trauer, gemildert durch Humor“ (Horváth) um Liebe, Existenzangst und die Sehnsucht nach dem besseren Leben. Der Autor wollte keine Parodie, keine Satire, auch keinen Naturalismus – und Barbara Frey hält sich in ihrer stilisierten Inszenierung daran. Keine Volksfeststimmung, die Wiesn weht ab und an als Geräusch vorbei, Biergartenstühle, zwei Riesenmaßkrüge stehen, ein weiterer liegt, Herbstlaub, drumherum dunkel: kein Ort zum Feiern, eher Abstellort für Übriggebliebenes, kalt.
Kasimir, der Chauffeur, hat seinen Job verloren, doch Karoline, die Büroangestellte, will sich davon nicht unterkriegen lassen, ihre Träume fliegen weiter hoch, wie der Zeppelin am Anfang. Anna Drexlers Karoline ist zart und kraftvoll zugleich, empfindsame Kämpferin, auch nach Rückschlägen, der Schürzinger (Thomas Lettow) hat Interesse an ihr, aber sein Chef (Oliver Stokowski) hat selbst angetrunken erst mal bessere Karten: der Großkopferte hat ein „Kabriolett“. Simon Zagermanns Kasimir ist ein Mannsbild, den es zwischen Eifersucht, Wut und Selbstmitleid zerreibt. Er wird sich trösten mit der emanzipierten Erna (Juliane Köhler), die schnell für Ersatz offen ist, als ihr kleinkrimineller Franz (Max Rothbart) verhaftet wird.
Die Bewegungen sind bedächtig in diesem Totentanz, immer wieder auch Stille, die Musik wühlt düster in der Volksmusik, der Einstieg in Moll: In München steht ein Hofbräuhaus, gesungen von zwei Trachten-Gespenstern. Ein leiser, intensiver Schauspielabend (100 Minuten), mit präziser Typenführung und maximalem Ohr für Horváths reduzierte Sprache. Der Beifall ist groß.
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Veranstaltungsort / Karte
Residenztheater
Adresse: Max-Joseph-Platz 1,
80539 München
