Der Filmtipp: „Wenn der Herbst naht“ von François Ozon

Liebe Deine Nächsten. Herrmann Barth über „Wenn der Herbst naht“ von François Ozon in unserem Filmtipp des Monats. Ab 28.8. im Kino.

Gar nicht so leicht für Michelle, immer alles auf die Reihe zu kriegen. Im Garten gäbe es genug zu tun,
ihre beste Freundin Marie-Claude braucht ihre Unterstützung, ihre gestresste Tochter Valérie hat sich angekündigt, will Sohn Lucas für die Herbstferien bei der Oma lassen. Michelles Telefon klingelt oft im ungünstigsten Moment – kurz, Valérie landet mit einer Pilzvergiftung im Krankenhaus, unterstellt ihrer Mutter Mordabsichten, verbietet ihr den Umgang mit dem geliebten Enkelsohn. Michelle stürzt in eine tiefe Depression. Immerhin: Marie-Claudes Sohn Vincent, gerade aus dem Gefängnis entlassen, kann der besten Freundin seiner Mutter erstmal unter die Arme greifen.

Der Trailer

Das ist nur der Anfang eines Films, der ein wenig wie ein Thriller daherkommt, in dem es auch einige Tote zu beklagen gilt – der seine Spannung (und sein komödiantisches Vergnügen) aber daraus bezieht, wie es den meisten Beteiligten immer wieder gelingt, mit Gesten, Worten, Taten mitmenschlich zu handeln, und manche kleine oder größere Katastrophe zum Guten zu wenden – einschließlich einer Polizistin, die es aus guten Gründen unterlässt, ihrem Zweifel in einem nicht einwandfrei geklärten Todesfall weiter nachzugehen.

Manche gute Absicht hat ganz unverschuldet böse Folgen. Und manche Handlungsweisen sind nur in den Augen derer, die sich gern über andere erheben, „unmoralisch“.

Die Darsteller*innen

Spätestens seit „8 Frauen“ (2002) weiß die Welt, wie gekonnt und mit welch großem Vergnügen François Ozon seine Hauptdarstellerinnen inszeniert. Ludivine Sagnier, die einst, in „Swimming Pool“ (2003) gemeinsam mit Charlotte Rampling einen Mord vertuschte, spielt hier die mit dem früheren Leben ihrer Mutter hadernde Tochter. Pierre Lottin, der schon in „Gelobt sei Gott“ (2019) einen Auftritt hatte, ist Vincent, gut aussehend, charmant, unterschwellig gefährlich, der „mal Scheiß gebaut hat“ und jederzeit wieder aus der Bahn geraten kann. Josiane Balasko, im Film die bodenständig-joviale Marie-Claude, fühlt eine Mitschuld an den Problemen ihres Sohnes, und wird darüber krank. Michelle dagegen, dargestellt von der fulminanten Hélène Vincent, ist da sehr viel robuster, pragmatisch, hat immer wieder ein sicheres Gespür dafür, das Richtige zu tun. Im Rückblick: ein gelungenes Leben.

Ganz zu Beginn, als wir Michelle beim sonntäglichen Kirchgang begleiten, erinnert Ozon daran, dass es mit „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ allein nicht getan ist. Da liest der Pfarrer aus dem Lukas-Evangelium: Über die Sünderin, die mit ihren Tränen Jesu Füße wusch, sie mit ihrem Haar trocknete, sie küsste und salbte – und deren Sünden vergeben waren, „weil sie so viel Liebe gezeigt hat“.