Platten aus nah und fern für den September

Neuerscheinungen von und mit Mac DeMarco, James Yorkstone, Ron Sexsmith, Superchunk, Big Chief, Cass McCombs, Queenz Of Piano, Bella Wakame und LG Frank

Mac DeMarco – Guitar

Ich geb’s ja zu, bislang tat ich mich immer etwas schwer mit Mac DeMarco. Ein paar Songs (vor allem aus den beiden schon etwas älteren Alben „This Old Dog“ und „Here Comes The Cowboy“) habe ich durchaus für mich erkannt, insgesamt aber war ich mir nicht ganz sicher: Hat sie der noch alle, ist er einfach nur sehr, sehr mutig oder gar genial? Für die beiden ersteren Annahmen sprachen die oftmals nachlässig gestimmten Gitarren die übermodulierten, teils auch scheppsen Keyboards, die auch mal abstrakt wirkenden Songs und überhaupt – als Krönung gewissermaßen – der schwächlich schräge Gesang on top. Voreiliges Fazit, wie ich es aus einigen meiner Schulzeugnissen kannte: Er war stets bemüht. Für Zweiteres fehlte mir bis vor geraumer Zeit noch die Fantasie, weswegen ich einem sehr guten Freund und großem Mac DeMarco-Versteher und -ehrer sehr dankbar bin, der mir Augen und vor allem die Ohren öffnete. Also kam ich zu der logischen Schlussfolgerung: All das ist so gewollt! Alles in DeMarcos Kosmos folgt einem klaren Plan, somit also auch einem klaren Verstand, so wirr er gelegentlich auch manchmal aus der Wäsche schaut – und ist am Ende nicht nur mutig sondern genau das, nämlich: genial. Das fängt schon bei der „Vermarktung“ an. Mac DeMarco macht Selfies als Pressefotos und dreht seine Videos selber. Somit – mit Verlaub – scheißt er auf alle Marktmechanismen und die ganzen Marketing-Klugschwätzer. Die Managerin ist freundlich, die Promoterin ebenfalls, es muss folglich also auch menschlich passen bei Mac DeMarco. Die Songs auf dem neuen Album „Guitar“ sind unaufgeregt und kommen zart, bittersüß, melancholisch, verträumt und ein klein wenig schüchtern und verschämt daher. Dabei ist – allem Minimalismus zum Trotz – einer größer als der andere. Größe im Sinne von Haltung, Eigenständigkeit, Sympathie, Intimität und ganz grundsätzlich auch als wertvolle Erweiterung aller festgefahrenen Hörgewohnheiten. Mac DeMarco hat „Guitar“ ganz und gar im Alleingang gemacht, alles selbst gespielt (zum Teil in seiner Küche aufgenommen) und gemischt. Ein Album wie ein Tranquilizer, ein Ruhepol inmitten all des uns umgebenden Wahnsinns und ganz grundsätzlich eine musikalische Entspannungstherapie, die wirklich jedem ans Herz gelegt sein soll. Dass sie in Mac DeMarcos DIY-Universum, wohl aus Prinzip, all die Aufgeregtheit da draußen und sämtliche gängigen (Musikbiz-)Regeln müde belächeln? Nun, der Erfolg (weltweit ausverkaufte Tourneen, im Streaming unter den 500 erfolgreichsten Acts aller Zeiten usw.usf.) gibt ihnen recht. Solange es Künstler wie Mac DeMarco gibt, gibt es auch Grund zur Hoffnung… und dafür kann man im Grunde nicht dankbar genug sein!

Ron Sexsmith – Hangover Terrace

Auch einer von den ganz großen (nicht nur, aber eben auch kanadischen) Singer/Songwritern im Rock/Pop/Folk-Segment ist Ron Sexsmith. Im Gegensatz zu Landsmann Mac DeMarco geht Sexsmith aber eher klassisch und traditionell seinen Weg und gehört damit leider – man muss es so deutlich formulieren – zu den „most underated artist“ der Welt. Denn wäre diese gerecht, wäre Sexsmith hochverdientermaßen längst schwerreicher Megastar. „Dieses Album handelt von dem Kater, den ich nach den letzten Jahren der Pandemie und den Schicksalsschlägen, die uns getroffen haben, verspüre“, sprach’s und legt eines der schönsten Folk-Pop-Alben des Jahres vor. Klar, kein Schenkelklopfer, dafür aber unvergleichlich gut!

Big Thief – Double Infinity

Mit ihren gerade mal 34 Jahren darf man Adrianne Lenker gerne noch zu den Jungen zählen. Dennoch treiben sie Gedanken vor dem Altern um: „How can beauty that is living be anything but true?“ und weiter „Let gravity be my sculptor…“ singt sie in „Uncomprehensible“, einer Ode an ihre Mutter, Großmutter und Ur-Großmutter und zugleich feiert sie damit das Leben mit all seinen Tücken und Falten… Der Song ist nur ein Opener und zugleich doch so viel mehr, öffnet er doch die Tür zu einem ganz und gar bezaubernden, leicht psychedelisch angehauchte Folk-Album (mit sachten stimmlichen  Reminiszenzen an Stevie Nicks & Fleetwood Mac), das ebenso hörenswert wie zeitlos ist.

Cass McCombs – Interior Live Oak

Die Rückkehr in die Geborgenheit der Domino-Label-Familie feierte Cass McCombs schon ausgiebig mit „Seed Cake On Leap Year“. Ein Sammelsurium älterer Songs, die nun endlich raus durften. Bei „Interior Live Oak“ aber merkt man nun die Langzeitwirkung dieser Rückkehr. Einer Rückkehr zu sich selbst, eine Rückkehr dahin, wo man in aller Ruhe und Geborgenheit über sich selbst hinauswachsen kann, was Cass McComb hier hörbar tut. Ein starke, sehr ausführliche Anti-Folk-meets-Americana-Platte, die Weite in sich trägt aber eben auch das Gefühl des Angekommenseins. Große Freude.

Superchunk – Songs In The Key Of Yikes

Meine Geschichte mit Superchunk ist eine besondere und dauert schon satte 30 Jahre, ungefähr… Damals nämlich waren sie als Support von Evan Dandos The Lemonheads auf der Bühne der Muffathalle zu sehen und hören und retteten den Abend. Was nicht nur damit zutun hatte, dass Dando aufgrund von Drogen- und Alkoholmissbrauch stark gezeichnet war und sich seine Begleiter dem anpassten. Superchunk wiederum sprühten vor Energie und rissen das Auditorium beschwingt mit. Und so, als sei all dies gestern erst gewesen, wirken Bandleader, Sänger und Gitarrist Mac McCaughan und die seinen auch auf ihrem neuesten von Indie, Punk und – obwohl längst zu alt dafür – College-Rock geprägten Album. Erstaunlich!

James Yorkston – Songs for Nina and Johanna

Wie brutal der September 2025 an der Release-Front ist, zeigt auch dieses frühherbstlich gestimmte Album, welches es in weniger mit großartigen Veröffentlichungen gespickten Monaten (wohl genauso wie all die anderen hier bereits kurz Erwähnten) unser Album des Monats hätte werden können. James Yorkston musiziert hier mit zwei der bekanntesten schwedischen Popsängerinnen aller Zeiten, als da wären Nina Persson (The Cardigans) mit der er zuletzt auch häufig auf Tour war und Johanna Söderberg von First Aid Kit. Ein Manifest der vielfältigen leisen Folk-Töne. Wunderschön auch das.

LG Frank – The Truth

LG Frank könnte auch CS Francesco heißen. Warum? Nun, hinter Frank steckt Francesco, gebürtig in Palermo, wohnhaft in München. Und na ja, CS könnte dann für „Cari…“ oder, etwas gängiger, „Cordiali saluti“ stehen, was soviel wie „Liebe Grüße“ auf italienisch heißt, falls LG überhaupt dafür stehen sollte. Egal, festzuhalten bleibt jedenfalls: Mit „The Truth“ veröffentlicht LG Frank ein Album, das über die Ohren geradewegs in die Tanzbeine marschiert – ehrlich, tief und emotional. Auffällig dabei, dass alle Tracks mehr oder weniger vom 80s-Italo-Pop-Vibe beeinflusst scheinen. Ein Mix aus zeitgemäßem Electro, aktuellen Pop-Einflüssen und einem Hauch von Trap-Attitüde. Mal melancholisch und nachdenklich, mal voller Energie. Ein echtes Spätsommer-Highlight ist der Track „The African Way“ mit dem tansanischen Gastsänger Brayban.

Bella Wakame – dito

Seit 2007 ist Andi Haberl bereits festes Mitglied bei The Notwist, weiterhin arbeitet er immer wieder mit Acts wie Andromeda Mega Express Orchestra, Masha Qrella, Till Brönner, Lisa Bassenge, Konstantin Wecker sowie vielen weiteren lokalen und überregionalen Musikgrößen zusammen. Bei Bella Wakame nun macht der für sein impulsives und stetig voran strebendes Schlagzeug- und Percussionspiel bekannte Tausendsassa nun mit dem ebenfalls in München sozialisierten, seit vielen Jahren aber nach Berlin emigrierten Elektroniker Florian „Flow“ Zimmer (Saroos, Driftmachine u.a.) gemeinsame Sache. Und das überaus hörenswerte Resultat hat es in sich: Unruhig bewegende Tracks sind da zu hören, die sich lässig und urban zwischen Motorik-Club, elektroakustischen Jazz-Experimenten, Ambient-Exkursionen und rasanten Instrumental-Hymnen bewegen. Macht Laune! (Live am 31.10. im Freiraum in Übersee, nur eine gute Stunde mit dem Auto Richtung Salzburg)

Queenz Of Piano – Piano Cosmos

Alice Sara Ott – Münchens herausragende, international gefeierte Klassikpianistin – mag die Bezeichnung „Wunderkind“ nicht besonders gerne. Wohl anzunehmen, dass auch Jennifer Rüth und Pauline Gropp sich eher nicht gerne als Wunderkinder bezeichnen lassen, zumal die beiden, wie auch Ott, längst aus dem Alter raus sind. Was bleibt sind zwei erwachsene Frauen, zwei Pianos – eine Vision: „Classical music for the next generation“. Die Queenz Of Piano verschmelzen die Eleganz klassischer Musik mit der elektrisierenden Energie des Pop und verbinden so mit Leichtigkeit unterschiedliche Epochen und Stilistiken. In ihrer musikalischen Galaxie genauer gesagt ihrem „Piano Cosmos“ begegnen sich Coldplay, Bach, Harry Styles, Lady Gaga, Hans Zimmer und Beethoven. Alles in allem kein Wunder also, dafür aber ein starkes Album mit modernem Tasten-Twist, so grenzenlos wie das Universum.