Thirty Seconds To Mars

Konzerte im Mai: Hausmusik für Fortgeschrittene

Großes Aufgebot bei A Million Mercies, Irish-Speed-Folk von Fiddlers Green, Jesse Ahern mit Songs für die Arbeiterklasse und Faye Webster verzaubert nicht nur Barack Obama

In guter alter No Future-Manier lieferten Bärchen & die Milchbubis zu Beginn der 80er Jahre mit „Jung kaputt spart Altersheime“ DEN Punk-Slogan der Zeit. Doch ihre Relevanz reicht weit über den Punk hinaus, verfügte die Band doch stets auch über reichlich Pop-Appeal und agierte folglich an der Schnittstelle zur NDW. „Ich will nicht älter werden“, hieß es noch auf ihrem Debütalbum 1981. Tja, scheiße gelaufen, möchte man da etwas hämisch anbringen, denn älter geworden sind sie nun also doch, milde jedoch noch lange nicht, denn Anlass zum Wütendsein gibt es immer noch reichlich. Und so folgt nun über 40 Jahre später ihr zweites Album mit dem pragmatischen Titel: „Die Rückkehr des Bumm!“. Hörenswerter NoWave-Support kommt von G.Rag/Zelig Implosion Deluxxe. (2.5. Rote Sonne)

Seit mittlerweile auch über 30 Jahren zählen Fiddler’s Green nun schon zu den beliebtesten und erfolgreichsten Formationen der europäischen Folk-Rock-Szene und haben das gesamte Genre mit ihrem mitreißenden HighEnergy-Sound geprägt. 25 Alben und vier DVDs unterstreichen den Erfolg der Band, die dem etwas inflationär angewandten Ausdruck des „Sich-Neu-Erfindens“ eine ganz neue Dimension verleihen. Irish Speed-Folk vom Allerfeinsten! Special Guest: The Feelgood McLouds. (3.5. Backstage Halle)

Wenn hartgesottene Rocker wie Reach nach „Mama Mama“ schreien, dann weiß man wie es um diese Welt bestellt ist. Nicht gut… Aber klar, im Angesicht des nahenden Exodus möchte man am liebsten wieder zurück in Muttis Schoß, Rocker hin, Rocker her. Andererseits macht es das schwedische Trio auch schon wieder sympathisch, mindestens genauso wie ihre explosiven und unvergesslichen Liveshows, die, getragen von musikalischem Talent, improvisatorischer Verspieltheit und der Liebe zum Detail, wirklich wärmstens zu empfehlen sind. (6.5. Backstage Club)

Ein guter Junge, der Julian Pförtner. 23 Jahre alt, vom Straßenmusiker (2018) zum „zweiten Sieger“ im Team-Peter Maffay bei The Voice Of Germany (2022). Was bei seinen Aufnahmen oft zu „poppig“ klingt, hat live mehr von Country und Folk, was dann wieder zu einem Festival-Slot passt, auf dem wohl auch Passenger und die Mighty Oaks gespielt haben. Nebenbei studiert er Anglistik und Sport auf Gymnasiallehramt an der Uni Heidelberg. Is halt einfach ’n guter Junge … (6.5. Feierwerk Orangehouse)

A Million Mercies, die Band von Hausmusik-Gründer Wolfgang Petters, ist definitiv eine der innovativsten Keimzellen des Kult-Labels, bei dem u.a. auch schon die frühen Calexico ihre Alben veröffentlichten. Eigentlich als Solo-Projekt gedacht, kam es dann bei den Aufnahmen und Konzerten immer wieder zu wechselnden Konstellationen und zur Zusammenarbeit mit Musikerinnen und Musikern aus den unterschiedlichsten Ecken des Popmusikuniversums – die Genres reichen deshalb auch von Akustik-Folk, über House, zu Noise, HipHop, Trash, Weltmusik, Kammermusik und Jazz. Für die Präsentation des Albums „Electrictric” wächst das Projekt nun zu einem 13-köpfigen Orchester an mit Mitgliedern aus den Bands Moulinettes, Sound Of Money, Tied and Tickled Trio, Hochzeitskapelle, Carlo Fashion, Fred Is Dead u.a. Einer der absoluten Highlights im Mai. (11.5. Kammerspiele)

Wenn das spannende Münchner Label Squama zwei seiner Acts präsentiert, sollte man dem durchaus mal etwas Aufmerksamkeit schenken: Die 31-jährige mongolische Sängerin Enji verbindet Einflüsse aus Jazz, Folk und traditioneller mongolischer Musik mit ihrer einzigartigen Stimme, die auf dem neuen Album „Ulaan“ neue Höhen erklimmt. Den zweiten Part übernimmt dann die hochgelobte Münchner Formation Fazer, die ebenfalls von unterschiedlichen Einflüssen geprägt ist, und zwar von experimenteller Popmusik á la Talk Talk über den Afrobeat eines Fela Kuti, den Krautrock von Can bis hin zum Dub-Techno von Rhythm & Sound. (12.5. Ampere)

Wenn Jesse Ahern die Bühne entert, sieht er aus wie ein ganz normaler Typ – wenn auch einer mit einer schicken Gretsch-Gitarre und einem Anker-Tattoo unter seinem rechten Auge. Während er sich durch sein Set spielt und das Publikum mit Leichtigkeit dazu bringt, ihm seine Refrains ins Gesicht zu schreien, ist klar, dass Jesse jedermanns Freund sein könnte. Ahern, der aus bescheidenen Verhältnissen in Quincy, Massachusetts, stammt, hält in seinen Liedern die geballten Fäuste der Arbeiterklasse hoch. Andere zeigen das rohe, offene Herz eines Mannes, der sich der Liebe verschrieben hat und genug Verluste erlebt hat, um das zu schätzen, was er hat. (12.5. Milla)

Kreischende Gitarren und eine schreiende Sängerin sind so die ersten Merkmale, die einem bei Coach Party auffallen. Aber auch Bass und Schlagzeug tragen ihren Teil dazu bei, dass man sich relativ schnell verliebt in diesen Mix aus Speed-Punk, Shoegaze-Pop und Indierock. Die Mitglieder wuchsen alle auf der Isle of Wight auf, und da es laut Sängerin Jess Eastwood „nur eine Frage der Zeit ist, bis man so ziemlich jeden auf der Insel trifft“, kreuzten sich ganz naturgemäß letztendlich die Wege der vier. Was für ein Glück für alle, die es mit ehrlicher, melodiöser und hin und wieder auch herrlich krachender Gitarrenmucke halten. (13.5. Milla)

Wenn sich der Flamenco-Stargitarrist Tomatito mit dem Latin-Jazz-Star Michel Camilo zusammentut, dann schnalzen Musikliebhabende schon mal genüsslich mit der Zunge. Denn, die beiden wurden bereits mit Grammys überhäuft, weswegen man sich jetzt auf eine atemberaubende Kombination aus Flamenco Nuevo und reichhaltigen Jazzharmonien mit den karibischen Aromen und Rhythmen der Dominikanischen Republik einstellen darf. Jazz trifft Klassik trifft Flamenco trifft Swing – ein großes Hörvergnügen! (15.5. Prinzregententheater)

Und von Flamenco geht’s direkt zum Salsa: Papucho Y Manana Club zählt zu den erfolgreichsten Gruppen dieser Musikrichtung auf Kuba. Ihre Lieder sind ein Muss auf allen Partys, Festivals und Tanzschulen der Insel, Pedro Lazaro Ordoñez alias „Papucho“, der bekannt ist für seine virtuosen Violin-Soli, erzeugt mit seiner Formation eine spannende Melange aus Salsa und Timba mit Jazz- und Funk-Einflüssen. (17.5. Freiheitshalle)

Alles, was Mr Tout Le Monde erschafft, ist offen für jegliche Interpretation. Sein Debütalbum „HER“ wurde 2020 veröffentlicht und erhielt von Streaming-Plattformen, Blogs und dem Radio viel Lob. Als autodidaktischer Multiinstrumentalist, Produzent und Singer-Songwriter besitzt Mr Tout Le Monde die Gabe, gefühlvolle Musik zu kreieren, die sich mit sensiblen und introspektiven Themen wie Identität, psychischer Gesundheit und Liebe auseinandersetzt. (17.5. Technikum)

Anlässlich seines 60sten Geburtstags legte Andreas Dorau im Januar sein neues Album „Im Gebüsch“ vor. Darin lauern 13 Stücke, auf denen Kaleidoskop-artig verschiedene Pop-Realitäten aufblitzen, erstmals auch auf Englisch. Genauer genommen „Touristen-Englisch“, wie es Dorau selbst bezeichnet, und das Album selber sieht er als eine „Sightseeing-Tour des Pop“. Fremdenführerin Stefanie Schrank übernimmt dann auch gleich mal das Vorprogramm. Bitte alles einsteigen! (17.5. Strom)

Apropos: Meret Beckers„Le Grand Ordinaire” ist eine Collage aus musikalischen Bildern und surrealen Liedern, die von Reisenden erzählen. Die Sehnsucht nach dem miteinander Weglaufen, Aufbruch, Flucht – innen wie außen, das niemals Ankommen, die Angst vor dem Fremden und vor dem Fremdsein. Wiederkehrendes Thema ist dabei ein Zirkus, der sich wie eine vage Erinnerung, seinen Weg bahnt. Gemeinsam mit ihrer Band The Tiny Teeth malt sie musikalische Bilder, vergleichbar mit einem Soundtrack zu einem inneren Film. Dieser besteht aus Miniaturen, die wie aus einer Spieldose oder in einer Schneekugel musiziert klingen und mit einem romantisch-bizarren Instrumentarium (Spieluhr, Kinderklavier, Glasharfe, Singende Säge usw.) in Szene gesetzt werden. Sensationelle, akustische Abenteuer. (18.5. Volkstheater)

Jared Leto, Frontmann von Thirty Seconds To Mars, vollbrachte eine historische Leistung, als er am 9. November 2023 als Erster das Empire State Building bestieg. Und zwar von außen, also kletternder Weise… relativierend allerdings muss man hinzufügen, dass sein Aufstieg erst im Observatorium (86. Stock) begann und im 104. Stock endete. Zur Krönung des Gipfelsturms brachte er dann gemeinsam mit – seinem den Aufzug benutzenden – Bruder Shannon den Song „Seasons“ zu Gehör. Seit Kindertagen von dem unglaublichen Wahrzeichen fasziniert, erklärte Jared: „Dieses Gebäude ist ein Beweis für das, was in der Welt möglich ist, wenn wir es nur wollen, was uns auch stark zu unserem aktuellen Album „It’s The End Of The World But It’s A Beautiful Day‘ inspiriert hat.“ (19.5. Olympiahalle)

„Ich habe versucht, Frieden mit dem Tod zu schließen“, erklärt Jacob Allen, jener Singer-Songwriter, Produzent und Dichter also, den interessierte Musiknerds auch als Puma Blue kennen. „Es ist schrecklich und es ist schmerzhaft. Ich würde nie sagen, dass es das nicht ist. Aber gleichzeitig kann der Prozess des Ganzen schön sein.“ So ist sein aktuelles Album „Holy Waters“ weniger eine morbide Studie über die Sterblichkeit, als vielmehr eine Chronik der Güte in jedem sich wiederholenden Kreislauf von Leben, Tod und Wiedergeburt, die am Ende des Albums schließlich zu einer sanften Bestätigung an sich selbst ebenso wie an die Hörenden gelangt, weiterzumachen. Halleluja! (20.5. Milla)

Dass die Musik von Cosmo Sheldrake genauso klingt, wie sie klingt, hat gute Gründe. Sein Vater ist Biologe und Kirchenorganist. Seine Mutter, deren eigene Mutter Konzertpianistin war, lehrt mongolischen Obertongesang und arbeitete mit dem deutschen AvantgardeKomponisten Karlheinz Stockhausen zusammen. Sheldrake wuchs in einer Welt auf voller unkonventioneller Musik zwischen elektronischen und analogen Klängen, zwischen Walgesängen und Vogelstimmen. All das taucht auch heute noch in seinen exzellenten Songs auf, die der Brite in der Regel mit u.a. Gitarre, Banjo, Tin Whistle, Sousafon, Akkordeon bis hin zu Field Recordings instrumentiert. Spannend. (22.5. Theaterfabrik)

Marlo Grosshardt ist bekannt dafür, schön provokant über die Welt zu singen, die ihn umgibt. Der zweiundzwanzigjährige Hamburger packt seine kritischen Texte in ein raues Pop-Gewand und seine kraftvolle Stimme trägt die Wörter durch nostalgische Melodien und mitreißende Rhythmen. Besonders bemerkenswert sein Song, dem er unserem derzeitigen Finanzminister gewidmet hat, in dem er seinen Frust am (Neo-)Liberalismus freien Lauf lässt. Alles in allem dystopischer Indie-Pop, dramatisch inszeniert und doch wunderschön. Support: Magdalena Wawra. (24.5. Milla)

Metallica sammeln während ihrer Welttournee mal wieder kräftig Spenden, denn ein Teil des Ticketerlöses geht an die „All Within My Hands Foundation“ (der Band). Die 2017 gegründete AWMH hat durch ihre Bemühungen fast 13 Millionen US-Dollar gesammelt um Menschen Berufs- undAusbildungsprogramme zu ermöglichen, wahlweise auch zur Bekämpfung von Ernährungsunsicherheit oder für weltweite Katastrophenhilfsmaßnahmen. Ganz abgesehen davon bietet die „M72“-Tour ein neues, kühnes Bühnenkonzept, bei dem der berühmte Metallica Snake Pit in die Mitte der Bühne verlegt wird. Also, nix wie hin! (24. + 26.4. Olympiastadion)

Faye Webster
Faye Webster (c) Veranstalter

Die bezaubernde Faye Webster stammt aus Atlanta und es ist vor allem die HipHop-Szene ihrer Heimatstadt, aus der die von der Kritik hemmungslos – und im Übrigen völlig zurecht – gefeierte Künstlerin ihre Inspiration zieht. Mit ihrem genreübergreifenden Sound – der seinen Ursprung im Americana und Alternative-Folk hat – überrascht Faye Webster immer wieder auch mit einem Twist aus HipHop und RnB. Kein Wunder also, dass sie 2020 sogar auf der Playlist des musikaffinen, ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama landete. Auf der Bühne überzeugt die 26-Jährige mit Charme und flinken Basslinien und lässt zusätzlich gerne auch mal ihre Jo-Jo Skills in die Live-Shows mit einfließen. Support: Behét. (27.5. Technikum)

Den finnische Komponisten und Musiker Kebu kann man getrost als „Synthesizer-Legende“ bezeichnen. Warum auch nicht, macht er ja schließlich selber auch. Daheim ist er demzufolge im instrumentalen immer aber melodischen Electrosound, der maßgeblich von den 70er und 80er Jahren beeinflusst ist. Seine Musik, so bwrcihten es Augen- und Ohrenzeugen, zeichnet sich live nicht nur durch seinen gekonnten Umgang mit analoger Synthese aus, sondern auch durch eine fesselnde Performance. (30.5. Ampere)

Space is the Place: auch auf seinem neuen Album grüßt Angela Aux aus der Astronauten-Perspektive. Diese (weitere) zeitlose Platte verbindet die Fixsterne 70ies Folk, HipHop-Producing und PostPop: als würde John Lennon in einem Computerspiel J-Dilla zum Tee treffen oder Tame Impala ein verlorenes Paul McCartney-Demo remixen. Lyrisch kommentiert der Singer/Songwriter auf dem kommenden, btw: wieder mal herausragenden Album „Spacelarking In The Age Of Spiritual Machines”, die menschliche Sehnsucht den Planeten zu verlassen und sich selbst zu überholen. (30.5. Volkstheater)

Spielerisch und facettenreich vereinen die musikalischen Weltenbummler WellBad retroverliebtes Songwriting mit ungewöhnlichen Klangkompositionen und kreieren damit ihren auch in Nordamerika gefeierten New Blues-Sound. „Dieses Album (‚Bad Habits‘) hat mein Leben gerettet und es gleichzeitig beinahe zerstört“, sagt Singer/Songwriter Daniel Welbat. Wie viele Künstler während Corona ging auch er mental in die Knie. Abgeschottet von der Welt fiel sein Blick ungefiltert auf das, was man gerne schlechte Angewohnheiten nennt. BluesFolk mit Whisky und Zigarre, schmeckt verführerisch gut! (31.5. Feierwerk Kranhalle)