Wenn Wut auf Hirn trifft: „Post von Karlheinz“ im Metropoltheater

Verlautbarungen der speziellen Art im Metropol und im Viel Lärm um nichts

„Post von Karlheinz“ im Metropol, „Briefe an Bäume und Wolken“ im Viel Lärm um nichts

Hasnain Kazim ist Journalist und schreibt für große Zeitungen. Das bedeutet Aufmerksamkeit und Rückmeldungen, gerne auch per Mail oder Chats. So weit, so normal. Hat man aber pakistanisch-indische Wurzeln, kriegt man, obwohl in Oldenburg geboren und aufgewachsen, etliche nicht normale Mails. Sehr spezielle Mails. Hassmails. Kazim hat sich irgendwann entschlossen, diese nicht einfach zu ignorieren und zu löschen – er antwortet. Und hat daraus das Buch „Post von Karlheinz – wütende Mails von richtigen Deutschen“ gemacht.

Von der Spiegel-Bestsellerliste holt sich jetzt Jochen Schölch diesen Text direkt ins Metropoltheater und macht einen Abend zum Lachen daraus. Und man muss lachen (auch wenn es eigentlich im Hals stecken bleiben müsste), weil bei der ganzen bodenlos dummen, feindlichen, antisemitischen, antimuslimischen, rassistischen etc. Scheiße, die man da zu hören kriegt, das Kopfschütteln nicht mehr reicht.

„Kamelficker!“ „Drecksmuslim!“ – so setzt diese szenische Lesung von Beginn an den Ton, der Kazim begegnet. Solche Worte passen so gar nicht zu dem Edlen, das die Dame und die zwei Herren auf der Bühne in ihrem feinen schwarzen Zwirn chic repräsentieren. Lucca Züchner, Thorsten Krohn und Thomas Schweiberer mögen feierlich hinter ihren Pulten stehen: gleich stanzt sich der Hass ins Gesicht, fährt eruptiv in die Körper, und bringt so die Mail-Verfasser zum Leben − die Regie geht da zornig bis in die Karikatur. Das schafft maximale Distanz zur gewitzten Gelassenheit, mit der Bijan Zamani die Reaktion von Kazim zeigt, ein Witz, der in absurdeste Argumentationsgirlanden führt, in den Sarkasmus, oder sachlich umschwenkt und sehr bestimmt, grundsätzlich, menschlich wird. Großartiger Text, umjubelte Aufführung. Ein Abend mit Haltung. Und für die Haltung.

Es ist das große Verdienst des Theaters Viel Lärm um nichts, immer wieder Vergessenes auszugraben oder Unbekanntes zu entdecken. Letzteres ist wieder mal der Fall, denn Matéï Visniec kennt man hier eher nicht. Der rumänische Autor (geb. 1956) ging nach Frankreich ins Asyl, seine Stücke waren in der sozialistischen Heimat verboten. Inzwischen werden sie dort viel gespielt, was überrascht, denn leichte Kost ist das nicht. Dada, surreal, absurd, tragikomisch: so kommt auch „Briefe an Bäume und Wolken“ daher.

Von der Decke hängen Holzlatten, Bretter stehen an der Wand, Nebelschwaden, Naturgeräusche, „Wer hat dich, du schöner Wald“ erklingt – dann sind wir aber schon bei dem leeren Mann, dem keiner helfen kann. Oder dem Klavier, das reinrollt und keinem gehört. Eine bunte, clowneske Truppe in eigenwilligen Klamotten (Markus Beisl, Denis Fink, Anja Neukamm) schnappt sich Hölzer, Bretter, Klötze, spielt damit, klackert, irrt herum. Textloses Spiel wechselt mit Kurzszenen, Monologen. Regisseur Arno Friedrich hat für diese deutschsprachige Erstaufführung Visniec’ Miniaturen aus aus dem Alltag noch ergänzt, im Zentrum aber sind drei Briefe an den Baum, die Wolken und den Vogel. Briefe von Kindern an die Natur, die Doris Länglacher mit herrlicher Aufgeregtheit präsentiert: Sehnsuchtsmomente, Suche von Ansprache, Flucht aus dem Gewerkel auf der Bühne, der (Lebens-) Baustelle samt Flatterband-Absperrung. Kein Theaterabend mit der einen Geschichte, der einen Moral, sondern Bildsprachassoziationskunstwerk – mit dem wunderbaren Sound von Multi-Instrumentalist Ardhi Engl – zur menschlichen Existenz.