Musikalische Geschenkidee zu Weihnachten von und mit Buckingham Nicks, The Notwist, Rufus Wainwright, Kylie Minogue, Pavement, Midlake und Joasihno
Buckingham Nicks – dito
Ja is’ denn scho Weihnachten? Auf alle Fälle, also bald zumindest! Deswegen wollen wir das „Angespielt“-Geschenkideenspezial mit einem Album krönen, das ursprünglich 1973 erstmals erschien und seit Jahrzehnten nicht mehr erhältlich war, aber ja eigentlich schon Ende September wieder veröffentlich wurde, was aber wiederum für 70s-Nostalgiker die Geschenkidee zum Fest sein könnte. Puh! Umständliche Erklärung dafür, dass ich mal wieder sowas von nicht up to date bin… Egal, denn hinzukommt, dass ich gerade „Daisy Jones & The Six“ von Taylor Jenkins Reid gelesen habe. Wurde überall sehr gelobt, auch die dazugehörige TV-Serie. Die Musik für die fiktive Band stammt von Blake Mills (feat. Marcus Mumford, Phoebe Bridgers u.a.) – gesanglich dargeboten von den beiden Hauptdarstellern – und landete sowohl in den USA als auch in einigen europäischen Ländern in den Charts. Ich halte es eher für konventionelle Rock-Pop-Literatur, also den Roman, wenngleich freilich unterhaltsame. Um auf den Punkt zu kommen: Die Biografien von Stevie Nicks und Lindsay Buckingham waren es nämlich, die Taylor Jenkins Reid maßgeblich zu ihrem weltweiten Bestsellerroman inspirierten. Kern desselbigen ist die (toxische) Beziehung zwischen der ebenso bildhübschen wie unverkennbar großartig singenden Daisy Jones (Stevie Nicks) und dem unnachahmlichen Gitarristen und Sänger Billy Dunne (Lindsay Buckingham). Dass beide – also auch die realen Vorbilder – zusammen komponierten, wie im Roman dargestellt, kann man hier nun erfreulicher Weise sehr lebendig nachhören. Denn hier nehmen Buckingham Nicks vieles vorweg, was ab 1974 Fleetwood Mac zu Weltruhm verhelfen sollte. Schlagzeuger und Bandleader Michael „Mick“ John Kells Fleetwood, wurde – so will es zumindest die Legende – von Buckingham-Nicks-Produzent Keith Olsen auf die beiden aufmerksam gemacht, als er einst in Los Angeles ein geeignetes Studio für neue Aufnahmen suchte. Dieser Olsen wiederum spielte ihm also zuvorderst das epische „Frozen Love“ vor. Daheim dürfte sich Fleetwood dann wohl noch das kraftvoll folkige „Crystal”, das sonnig-beschwingte „Don’t Let Me Down Again” und das poppige, mit gehörigem Westcoast-Vibe ausgestattete „Crying In The Night“ und all die anderen Songs angehört haben, woraufhin er sich wohl in erster Linie in Buckinghams Gitarrenspiel und Stimme verliebt haben muss. Notgedrungen möchte man hinzufügen, da ihm gerade sein Gitarrist Bob Elch ausgestiegen war. Buckingham aber hing so sehr an seiner Muse und Songwriting-Partnerin Nicks, dass er Mick Fleetwood unmissverständlich klar machte, dass es die beiden (also Nicks und ihn) nur im Doppelpack gab. Und so kam es wie es kommen musste: Mick Fleetwood engagierte beide 1974 für seine Band Fleetwood Mac, was in unvergessenen Popmonumenten für die Ewigkeit wie „Rumours“ (1977) und „Tusk“ (1979) endete. Nach seiner Veröffentlichung am 5. September 1973 verschwand „Buckingham Nicks“ recht schnell wieder aus den Charts, blieb jedoch stets ein Thema in der Kulturlandschaft und das wird auch nach dem Re-Release 2025 wieder so sein. Nichts weniger als Musikgeschichte, deswegen: gerne auf Vinyl kaufen und den Liebsten daheim auf den Gabentisch legen.
Rufus Wainwright – I’m a Stranger Here Myself – Wainwright Does Weill
Im weihnachtlich anmutenden Orchester-Sound kommt dieser Tage auch der große, ach was: grandiose Rufus Wainwright daher. Zusammen mit dem Pacific Jazz Orchestra schweift er hemmungslos nostalgisch durch die erste Hälfte des 20 Jahrhunderts und liefert dabei eine wunderschöne Hommage an den großen, ach was: grandiosen Komponisten Kurt Weill ab. Opulent, dennoch aber überwiegend unangestrengt, interpretiert der mehrfach für einen Grammy nominierte Singer/Songwriter – Sohn des Loudon Wainwright III und Bruder von Martha Wainwright – Weills Werk zwar nicht völlig neu, dafür aber ebenso stimmungs- wie gehaltvoll. „Surabaya Johnny“, „September Song“, „Mack The Knife“, „It Never Was You“ u.v.a. inklusive.
Kylie Minogue – Kylie Christmas (Fully Wrapped)
Nicht erst, aber doch verstärkt nach „Where The Wild Roses Grow“, jenem mörderischen Duett mit Nick Cave fühlte sich auch das anspruchsvollere Hochkultur-Indiepublikum 1996 zu Kylie Minogue – sehr überzeugend als Wasserleiche im Video – hingezogen. Warum also nicht mal in ihre „neue“ Weihnachtsplatte reinhören. Gesagt, getan: Aaaaalso… neu sind hier nur bescheidene drei, wahlweise vier Songs, je nachdem, ob man sich die Version eines Versandhandels holt oder nicht, nämlich „Hot In December“, „This Time Of Year“ und „Office Party“ und jenes „XMAS“, als besonderes Geschenk von und für Herrn Bezos. Glänzen aber tut auch die Neu-Edition eher mit den alten Hits wie etwa „Santa Baby“, „It’s The Most Wonderful Time Of The Year“ sowie die Fan-Favoriten „At Christmas“ und „100 Degrees“ sowie „Santa Claus Is Coming To Town“ featuring einem gewissen Frank Sinatra. Klar, dass auch hier mit limitierten Auflagen (in vier verschiedenen Farben) die Vinyl-Afficionados angesprochen werden sollen…
Pavement – Hecklers Choice: Big Gums and Heavy Lifters / Official Soundtrack „Pavements“
Weihnachtszeit ist ja immer auch so ein bisschen Wiederhörenszeit. Was ich meine: Das Wetter ist mies, man hockt zuhause rum und die Laune ist tagesformabhängig, also warum nicht mal wieder Pavement auflegen? Und wenn, warum nicht gleich die neue, mittlerweile schon zweite Best Of?! Das Wetter ist dann zwar immer noch mies, die Laune allerdings hebt sich wesentlich, bei Evergreens wie „Shanty Lane“, „Stereo“, „Cut Your Hair“, „Unfair“, „Summer Babe (Winter Version)“ und einigen anderen Klassikern. Zeitgleich erschien mit „Pavements“ der Soundtrack zur Musik-Dokumentation über Stephan Malkmus und die seinen, was dann aber wirklich nur noch für Hardcore-Fans geeignet scheint. Diese allerdings werden sich ein Loch in den Bauch freuen aufgrund der raren Aufnahmen, die man hier erstmals zu hören bekommt.
The Notwist – Magnificent Fall
Man möge es mir verzeihen, aber als alter Grizzly Bear-Fan bin ich gleich mal bei der Nummer 3 eingestiegen: „Boneless“. Ein mit ultraverzerrten Beats beeindruckender Remix von und mit Ed Droste, Daniel Rossen & Co. Aber okay, Ehre wem Ehre gebührt: back to the start. Atmosphärisches bietet der Opener „One Of These Days“, Indietronic par excellences dann der Titelsong. Das auf „Boneless“ folgende, sphärisch mit Glockenspiel und Rückwärts-Loops die Ohren zärtlich umschwirrende „Blank Air“ – sowie das etwas später folgende Analog-Schmankerl „Who We Used To Be“ – ist einer meiner Favoriten. Instrumental hypnotisierende Psychedelia dann bei „The Avalanche“, bevor einen die aktuelle Single „Run Run Run“, ein Remix der herausragenden Kölner Minimal-House-Pop-Künstlerin Michaela Dippel aka Ada, auf eine gut fünfminutige Joggingrunde schickt. Der Platz ist knapp, deswegen noch kurz: „Magnificent Fall“ ist ein, für den historischen Pop-Kontext in dem sich The Notwist bewegen, wichtiges aber wenig nostalgisch klingendes Zeitdokument, das zwar nicht gar so weihnachtlich daherkommt, auf dem Gabentisch Notwist-Fans aber zutiefst beglücken dürfte und zudem Appetit macht auf das im März 2026 erscheinende neue Album. Vielleicht einfach gleich noch Tickets für das Konzert am 9.6. im Circus Krone dazulegen.
Midlake – A Bridge To Far
Ja, die Tage ziehen grad wieder recht schnell an einem vorbei… scheiß Winter. Und so könnte gleich der Opener „Days Gone By“ der richtige Soundtrack für eine zügige Schlittenfahrt durch einen tief verschneiten Wald sein. Produziert wurden die neuesten Psy-Folk-Abenteuer von Sänger Eric Pulido und seinen Midlake von keinem Geringeren als Sam Evian, der mit Genre-Kolleginnen und -Kollegen wie Big Thief, Hannah Cohen und/oder Cass McCombs, schon für sehr viel Schönklang sorgte. Pulido bezeichnet den finalen Song „Valley of Roseless Thorns“ als „besonders emotionalen Meilenstein, der die eigenen Wahrheiten der Band in verschleierter poetischer Form widerspiegelt“. Und für wahr, es ist ein besonders zu Herzen gehendes Stück Musik (mit enormem Tiefgang und sehr viel von dem, was man dann gemeinhin wohl Seele nennt), das man so auch gerne als heimlichen Höhepunkt dieses wundersam-schönen Albums bezeichnen darf.
Joasihno – Spots
Und weil wir gerade bei The Notwist waren: Wenn Gefiepse und -piepse, Geschnarpsel und -knarze so charmant aufeinander treffen, wie das hier bei Joasihno der Fall ist, mag ich das a) sehr und möchte ich b) geradezu von einer längst überfälligen Erneuerung des elektronischen Indietronic-Genres schreiben. Mit ihrem liebevollen Kling-Klong-Pop schafft das Münchner Experimental-Duo, bestehend aus Cico Beck (The Notwist, Aloa Input, Spirit Fest) und dem Schlagzeuger/Komponisten/Produzenten Nico Sierig (Instrument, Fehler Kuti, The Hidden Cameras u.a.), einen zwischen analog und futuristisch mäandernden Alien-Pop, wie man ihn eher aus Japan, mindestens aber aus Island oder vielleicht sogar von einem ganz anderen, bislang noch unentdeckten Planeten erwarten möchte. Seit ihren Anfängen sind die beiden höchst sympathischen aber hoffnungslos eigenwilligen Genre-Tüftler, die stets in ihrem eigenen Tempo arbeiten und meist auch in ihrer eigenen schattigen Ecke verweilen, ein wichtiger Bestandteil der internationalen Lo-Fi-meets-Sci-Fi-Retro-Electroszene. Inspiriert von Künstlern wie Steve Reich, múm, Ryuichi Sakamoto und Moondog entwickelt sich das hier vorliegende vierte Album der beiden Klangnerds, angereichert mit minimalistischen Elementen der Contemporary Classic, zu einem wahren Manifest des instrumentalen, wohl temperierten Spacesounds und überlässt die seelenlose Automatisierung und alles Künstliche in der zeitgemäßen elektronischen Musik anderen. Chapeau!
