Ortsgespräch: Till Hofmann

Hoffnungsfroh durchstarten: Till Hofmann gibt der ehrwürdigen Lach- und Schießgesellschaft im Fat Cat ein neues Zuhause – und eine Zukunft

Herr Hofmann, die Lach- und Schießgesellschaft ist ja ein Stück Münchner Kulturgeschichte. Wie lange haben Sie mit sich ringen müssen, um die Entscheidung zu treffen, plötzlich wieder selbst dafür Verantwortung zu übernehmen?

Gar nicht ringen, ehrlich gesagt. Ich habe das zwanzig Jahre gemacht und jetzt vier Jahre nicht – die Lust war immer da.

Gedauert, bis Sie wieder loslegten, hatte es ja dann doch.

Ich habe mir oft gedacht, die Lach- und Schieß müsste einfach wieder öfter spielen, um präsent zu bleiben. Früher haben wir dort im Jahr rund 350 Vorstellungen gehabt, da konnten sich Künstlerinnen und Künstler ein Publikum erspielen. Diese Kontinuität war wichtig, und sie ist verloren gegangen, als es zuletzt nur noch alle paar Wochen Vorstellungen gab. Darum war’s für mich immer schade, dass viele potenzielle Lach- und Schieß-Künstler gar nicht mehr nach München kamen.

Man könnte ja denken, da steckte auch ein bisschen Genugtuung drin, wenn es anderen nicht so gelang, den Laden am Laufen zu halten.

Nein, überhaupt nicht. Ich hab mitgelitten, weil die Idee immer war, diesen Ort zu erhalten. Wenn’s woanders gut funktioniert hätte, wär mir das recht gewesen – vielleicht mit jungen Leuten, neuen Ideen. Aber es war halt eine unglückliche Konstellation. Jetzt gibt’s die Chance, nochmal von vorn anzufangen, und das macht mir wirklich Freude.

Ist Ihnen da nachts vielleicht auch ein bisschen der Geist von Dieter Hildebrandt oder Sammy Drechsel erschienen – nach dem Motto: Zum 70. Jubiläum brauchen wir wieder eine gescheite Lach und Schieß?

(lacht) Nein, Geistererscheinungen gab’s keine. Aber das 70-jährige Jubiläum ist natürlich ein schöner Anlass. Und es ist ja tatsächlich einzigartig, dass es dieses Haus so lange gibt. Krisen hat’s dort immer wieder gegeben.

Gehören wohl zur etwas unruhigen Haustradition dazu.

1972 ist Hildebrandt aus dem Ensemble ausgestiegen, war ihm aber weiter verbunden. Auch 2000, als ich übernommen habe, steckte das Theater in einer Krise. Jede neue Konstellation ist eine kleine Transformation – da gibt’s keinen Joker, dass alles sicher weitergeht. Aber man muss diskutieren, was Kabarett in Zukunft sein soll: Was ist gute Unterhaltung? Was ist politische Haltung? Wie führt man gesellschaftliche Debatten, ohne moralisch zu werden? Das sind die Fragen, die mich interessieren.

Was ist Ihre Antwort? Manche sagen ja, klassisches politisches Kabarett hätte heute keinen Platz mehr, das Publikum wolle nur noch Leichtigkeit. Wie sehen Sie das?

Ich glaube, das stimmt so nicht. Die Lach und Schieß war nie eine moralische Anstalt. Hildebrandt hat in seinen Programmen immer auch Klamauk gehabt – das gehört dazu. Aber natürlich ist es wichtig, gesellschaftliche Themen zu behandeln. Leute wie Nico Semsrott, Marc-Uwe Kling oder Sarah Bosetti machen das auf neue, eigene Weise. Es geht darum, komplexe Zusammenhänge verständlich und unterhaltsam zu erzählen. Politisches Kabarett kann heute journalistischer sein, philosophischer, oder einfach nachdenklicher. Themen wie „Was ist wahr?“ oder „Was ist Schein?“ sind aktueller denn je.

Es heißt oft, die Welt sei so aufgeregt, dass niemand mehr Kritik aushält.

Ja, und dabei ist gerade jetzt kritisches Denken wichtig. Ich glaube, dass sich in der Kabarettszene einiges verschoben hat – auch durch Corona.

Der Virus hat auch in der Szene einige „Querdenker“ hervorgebracht – mit überraschend problematischen Gedankengängen.

Manche unterhalten inzwischen ein Publikum, das eher rechtslastig ist. Da wird dann schnell behauptet, man dürfe nichts mehr sagen. Aber das stimmt nicht. Es ist nur anstrengender geworden, weil die Gesellschaft gespaltener ist. Und wer Satire macht, muss sich halt fragen: Wen greif ich eigentlich an? Wenn ich über angeblich linke Mainstream-Positionen schimpfe, bin ich schnell im bequemen Fahrwasser. Kabarett sollte nach vorn schauen – auf die wirklich großen Fragen: Klima, Zusammenleben, Demokratie. Wenn man da gute Formen findet, bleibt es relevant.

Viele beneiden Sie um Ihr Netzwerk – Sie scheinen mit der halben Kabarettszene befreundet zu sein. Wie schafft man das?

(lacht) Das hat sich über viele Jahre entwickelt. Nächstes Jahr habe ich 30 Jahre Lustspielhaus, 20 Jahre Vereinsheim – und jetzt 70 Jahre Lach und Schieß. Da entsteht automatisch Vertrauen. Wir arbeiten ja im Team, mit Leuten, die seit Jahren dabei sind. Meine Bookerinnen kennen die Künstlerinnen und Künstler alle persönlich. Da geht man mal auf einen Kaffee, schaut sich Programme an, redet nicht über Kollegen, sondern übers Leben. Für viele, die 150 Tage im Jahr auf Tour sind, ist das wichtig: ein Ort, wo man sich kennt, wo man Halt findet.

Dieses Familiäre spürt man auch – viele Künstler bleiben nach der Vorstellung noch im Vereinsheim auf ein Bier.

Genau. Das ist das Schöne. Im Vereinsheim treffen sich Leute, die gerade anfangen, mit alten Hasen, die schon lange unterwegs sind. Da entsteht Austausch. Es ist für alle bereichernd – auch für die Bekannteren. Die erinnern sich daran, wie sie selbst angefangen haben, was sie damals nervig fanden oder schön. So ein Ort hilft, nicht zu vereinsamen. Kabarett kann auch ein einsamer Beruf sein – allein auf Tour, jeden Abend dasselbe Programm. Da tut Gemeinschaft gut.

Und manchmal ist man halt einfach froh, dass man nicht die angeblich recht enge steile Künstler-Wendeltreppe hinter der Lustspielhaus-Bühne runtergefallen ist.

(lacht) Genau! Nein, im Ernst: Diese Orte sind wichtig. So was gibt’s in anderen Städten auch – in Wien zum Beispiel der Stadtsaal oder das Café Anzengruber, wo sich alle treffen. Wir haben das Glück, dass in München das Vereinsheim so eine Rolle spielt. Da kommen Studenten, Stammgäste, Kabarettisten – und es ist trotzdem nie abgehoben.

Es gibt ja seit jeher das Ensemble der Lach und Schieß. Wie sieht das künftig aus?

Das aktuelle Ensemble spielte jetzt noch sein Programm zu Ende – die Dernière fand im November in der Drehleier statt. Danach kommt der Jahresrückblick, und zum 70-Jährigen wollen wir ein neues Ensemble mit neuem Programm aufstellen. Ziel ist, im Herbst mit etwas Frischem rauszugehen.

Und los geht’s dann im Gasteig Fat Cat?

Genau. Mitte Januar starten wir dort ins Frühjahr. Wir wissen ja noch nicht, wie lange das Fat Cat bleibt, bis umgebaut wird. Aber als feste Station ist das ideal: Wir können tagsüber proben, vielleicht Podcasts aufnehmen, neue Formate ausprobieren. Es tut gut, wieder ein eigenes Haus zu haben, nicht nur eine Bühne auf Zeit.

Bedeutet das, die Ausflüge in Drehleier oder Silbersaal sind dann vorbei?

Ja, die vereinbarten Termine ziehen wir natürlich noch durch, vor allem den Jahresrückblick. Aber ab Mitte Januar geht’s hier richtig los – mit bekannten Namen, neuen Formaten, auch mal mehreren Abenden am Stück. Und vielleicht wandert die Lach- und Schieß zwischendurch auch mal: ins Audimax, in die Kongresshalle, je nach Künstler. Aber das bleibt dann eine Veranstaltung der Münchner Lach- und Schießgesellschaft.

Das alte Namensschild ist ja jetzt schon im ehemaligen Gasteig, angeschraubt am früheren kleinen Konzertsaal.

Das war eine tolle Prozession rüber von Schwabing an den neuen Ort. Wir sind ja mit der Express-Brass-Band und der U- und S-Bahn zum Rosenheimer Platz gefahren und haben das Schild feierlich hergebracht. Bier, Musik, viele Künstler. Dann auch eine kleine Fotoausstellung über die Geschichte der Lach und Schieß. Ein richtig schönes Get-Together.

Wird der Raum im Fat Cat auch anders gestaltet?

Ja, ein bisschen gemütlicher. Wir können natürlich nicht ewig viel investieren, weil’s ja nur eine Übergangsphase ist. Aber wir wollen eine klare Bühnensituation schaffen, die nach Kleinkunst aussieht – nicht nach Konzertsaal. Vielleicht auch Kameras, um Aufzeichnungen zu machen. Es soll Platz sein für politisches, literarisches, absurdes Kabarett, für Varieté, für junge Leute, die was Neues probieren. Das war immer das Herz der Lach- und Schieß: Experimentierfreude.

Können Sie schon verraten, wer kommt?

Ein paar Namen darf ich nennen: Josef Hader wird sicher dabei sein, vielleicht mit etwas Besonderem, nicht mit seinem Tourprogramm. Dann Maschek, Urban Priol, Jochen Malmsheimer – viele, die seit Jahren mit uns verbunden sind. Diese solidarische Unterstützung, ohne großes Tamtam, das freut mich wirklich sehr.

Einer der Größten der Kleinkunst: An TILL HOFMANN, Betreiber von Bühnen wie dem Lustspielhaus, dem Vereinsheim, der neuen Lach- und Schießgesellschaft, aber auch Kabarett- und Konzertveranstalter sowie kreativer Kopf hinter der großen Fat-Cat-Zwischennutzung im früheren Gasteig, führt im Münchner Kulturleben kein Weg vorbei. Ein Glücksfall für die Stadt: Der gebürtige Passauer, der bis Herbst 2021 schon mal Lach- und Schieß-Gesellschafter war, packt an, stellt Dinge auf die Beine und bringt Gott und die Welt zusammen. Um sich selbst macht er so gut wie keinen Wirbel. www.lachundschiess.de