40 Jahre Bluekilla: Sänger AMEDEO TORTORA („Dr. Deadlock“) und Gitarrist HANNES METZ verraten, wie das mit dem Zaubertrank für die Band funktioniert.
Herr Tortora, Herr Metz, vier Jahrzehnte Bluekilla – ein Münchner Musikwunder und von der Energieentwicklung über all die Jahre fast schon ein Naturereignis. Was ist das Geheimnis? Wie hält man so lange durch?
Hannes Metz: Wir haben immer gesagt, wir sind die faulste Band der Welt. Das ist vielleicht ein Teil des Geheimnisses – dass wir Phasen haben, in denen es ruhig ist, und dann wieder Zeiten, in denen wir viele Gigs spielen. Wenn’s läuft, macht’s einfach wahnsinnig Spaß. Musik machen ist immer noch geil, und so kompliziert ist das gar nicht.
Amedeo Tortora: Es gab Zeiten, da haben wir gar nicht mehr in München gespielt, weil wir dachten, das ist tot. Dann sind wir nur noch rausgefahren, solange man uns eingeladen hat. Irgendwann kam keine Einladung mehr – also haben wir wieder in München gespielt. So sind die Weihnachtskonzerte in der Milla entstanden, vor zehn Jahren. Das hat super funktioniert, und seitdem machen wir’s jedes Jahr.
Inzwischen sind die Milla-Shows ja fast Kult. Wieso ausgerechnet in der vermeintlich so staaden Zeit zwischen Weihnachten und Silvester?
Metz: Das ist der beste Termin überhaupt. Ich erinnere mich noch an meine Jugend: Heiligabend mit den Eltern – und dann weg. Da hat man Geld, hat Zeit, die Familie ist durch, und man will raus.
Na klar, kennt man.
Metz: Für uns ist das die perfekte Ausrede, an den Feiertagen gleich wieder Party zu machen.
Tortora: Wenn wir da nicht spielen würden, wären wir daheim. Also optimaler Anlass, rauszugehen – für Publikum und Band. Diese Weihnachtskonzerte haben ja Tradition, von „Schwarze Weihnacht“ bis zu den vielen legendären München-Konzerten früher mit Peter and the Test Tube Babies. Wir führen die Tradition fort, dann laut zu werden, wenn andere noch leise unterm Baum sitzen.
Sie kokettieren ja gern mit dem „faulste Band der Welt“-Spruch. Neben den Konzerten, auf denen wild mit Freunden, Fans, Wegbegleitern und neuen Neugierigen getanzt wird, gibt es ja auch noch ein neues Album von Ihnen. Ganz so „faul“ klingt das aber nicht.
Tortora: Na ja, „faul“ heißt bei uns: Wir haben realistische Ambitionen. Wir streiten nicht über Stilfragen oder Plattenveröffentlichungen. Wir machen das, was wir können und was Spaß macht. Deshalb gibt’s wenig Konflikte.
Metz: Wir haben uns nie gefragt, ob das überhaupt noch Sinn ergibt. Es gibt niemanden in der Band, der ständig antreibt oder den großen Durchbruch will. Das hält vieles entspannt.
Von außen wirkt Bluekilla auch eher wie ein eingeschworener Freundeskreis als eine typische Musikgruppe.
Tortora: Das trifft’s ganz gut. Im Grunde sind wir ein Kegelverein mit Instrumenten. Wir fahren irgendwo hin, trinken ein paar Bier, machen Musik. Und das Schönste: Das finanziert uns das Unterwegssein.
Metz: Wir sind Freunde. Und das merkt man, glaube ich, auch auf der Bühne.
Trotzdem – ohne Fleiß geht’s ja nicht. Sie haben in den 1990er- und 2000er-Jahren viel im Ausland gespielt, auch unter schwierigen Bedingungen.
Metz: Ja, wir sind schon Stunden und Tage im Auto gesessen, zum Beispiel auf den Touren nach Polen oder Jugoslawien. Teilweise 18 Stunden am Stück, und das war noch vor der EU.
Tortora: In Jugoslawien wurde ich sogar mal verhaftet.
Wie zu hören war, kettet man Sie auf der Wache erst mal fest. Was genau war da denn passiert?
Tortora: Wir wollten uns ordnungsgemäß bei der Polizei anmelden, was man damals noch so machen musste. Und ich habe auf der Fahrt mit meiner Kamera gefilmt – auch ein Polizeiauto, das uns verfolgte. Anscheinend war da eine Polizeischule dabei. Zack, Handschellen. Sechs Stunden später durfte ich wieder raus. Es war vor der Handyzeit, wir wussten gar nicht, was mit mir passiert.
Metz: Unser Gastgeber hat dann ewig mit den Leuten geredet, und irgendwann haben sie gemerkt, dass auf dem Film nichts Dramatisches drauf war. Aber lustig war’s nicht.
Tortora: Interessanterweise hat das Spuren hinterlassen. Danach haben sich dort ein paar Ska-Bands gegründet, die uns gesehen hatten. Eine davon gibt es heute noch.
Heute zieht es Sie ja immer noch häufig nach Großbritannien – ins Mutterland von Bands wie Madness. Sie waren gerade erst in Schottland.
Tortora: Ja, vor zwei Wochen. Da kam einfach eine kryptische E-Mail: „Wollt ihr in Schottland spielen?“ Ich habe gefragt, wer Zeit hat, alle hatten Lust, der Veranstalter hat Geld geschickt, wir haben Tickets gebucht – kein Vertrag, gar nichts. Und es hat wunderbar funktioniert.
Metz: Das war 80 Meilen südlich von Glasgow, in Dumfries. Wirklich im Nirgendwo. Aber super Leute, super Publikum.
Gibt’s dort noch diese alte Northern-Soul- und Ska-Szene?
Metz: Ja, vor allem bei den Festivals. Wir haben vor Jahren in Wales und Newcastle gespielt – reines Ska-Publikum, viele ältere Leute. Teilweise über 70, die 1969 schon bei den ersten Skinhead-Reggae-Partys waren. In England ist das anders verwurzelt.
Woher kam Ihre eigene Begeisterung damals, in den 80ern, in München Ska zu spielen?
Metz: Viele von uns kamen vom Punk und Reggae. Ich habe immer geschaut, wem Bands auf ihren Platten danken – und irgendwann fiel mir auf: „Greetings to Madness“. Dann habe ich im Laden nach deren Platten gesucht, und so kam ich zum Ska. Das war sofort mein Ding: Musik, Mode, Haltung gegen Rassismus.
Tortora: Ich war damals noch nicht dabei, aber ich kannte die Gründungsmitglieder. Das war einfach gute Musik für junge Leute.
Viele sehen Ska ja vor allem als gute Laune-Musik. Wie wichtig ist für Sie die politische Ebene?
Tortora: Bei unseren Konzerten spielt das keine Rolle. Wir sind keine Politrockband, kein Agit-Pop. Es geht ums Spaßhaben.
Metz: Früher war das anders. In den 90ern hatten wir schon Ärger mit rechten Skinheads, und da haben wir klar Position bezogen, Songs unterbrochen, Leute rausgeworfen. Aber das ist lang her. Heute kommen einfach gute Leute.
Wenn Sie jetzt auf vierzig Jahre zurückblicken – hätten Sie damals geglaubt, dass es die Band so lange gibt?
Beide: Never ever.
Metz: Es hieß immer: Wer aussteigt, wird erschossen – war natürlich ein Scherz. Klar gab’s Phasen, wo einer mal nicht mehr wollte, aber dann hat’s wieder irgendwas gekittet. In Frankreich oder England hatten wir so gute Gigs, dass alles vergessen war.
Tortora: Es gab nie den Moment, wo jemand sagte: „Jetzt starten wir richtig durch, ihr müsst alle mitziehen.“ So was zerstört eine Band. Wir haben’s immer laufen lassen. Jeder hat sein Leben, Kinder, Jobs – wenn’s passt, passt’s. Und jetzt passt’s gerade wieder gut.
Üben Sie eigentlich noch regelmäßig?
Tortora: Naja, „regelmäßig“ würde ich nicht sagen. Wir üben einmal vor dem Auftritt. Wir haben sieben, acht, maximal zehn Gigs im Jahr, also üben wir auch zehnmal. Einen eigenen Raum haben wir nicht mehr – die Miete war teuer, 1800 Euro im Jahr, das sparen wir uns.
Metz: Und es schadet nicht. Wir machen ab und zu ein neues Lied, aber das Publikum will ja die alten Nummern hören. Trotzdem ist es wichtig, nicht nur zu verwalten. Darum kommt jetzt unsere neue EP – und die ist wirklich gut geworden.
Wie heißt sie?
Metz: They Call It Ska. Wir haben die Tradition, dass auf allen Platten „Ska“ im Titel steht. Das ist jetzt die siebte.
Tortora: Da sind Stücke drauf, die über mehrere Jahre entstanden sind – eine richtige Mischung. Ein Song stammt noch aus den 90ern, den haben wir neu aufbereitet, mit Dr. Ring-Ding als Feature. Ein bisschen Dancehall, ein bisschen Punk, ein bisschen Dub.
Und live wird es wohl wie immer hochenergetisch zugehen?
Metz: Na ja, so lange, bis wir eben nicht mehr können. Abkühlbecken gibt’s keins, aber vielleicht finden wir mal die Bodenklappe in der Milla, unter der der Stadtbach durchfließt – da könnten wir dann reinhüpfen.
Und die Planung für das 50-Jährige läuft sicher schon heimlich?
Beide: (lachen) Nein, überhaupt nicht.
Metz: Planen tun wir nie. Wenn wir was planen würden, ging’s eh schief. Das meiste passiert einfach – wie die Schottland-Geschichte oder die 40-Jahre-Feier. Da kam die Idee, und wir haben es einfach gemacht.
Tortora: Vielleicht ist das das eigentliche Geheimnis. Nicht planen, sondern laufen lassen. Dann kommt immer was Gutes raus.
Die acht Jungs von BLUEKILLA zählen seit nun genau 40 Jahren neben Bands wie The Busters zur Speerspitze der deutschen aber auch europäischen Ska-Szene, was Tourneen und Festival-Slots in Ländern wie England, Wales, Schottland, Polen, Ungarn, Tschechien, Frankreich, Serbien, Niederlande oder Italien beweisen. Zum Jubiläum präsentiert die Band ihre neue 10“-Vinyl „They Call it Ska“. Und auf den Konzerten am 26. und 27. Dezember in der Milla wird wild gefeiert.
