Im Salon am Stachus: Wie Birgit Gottschalk und Jennifer Ruhland das Jubiläumsjahr im Künstlerhaus gestalten
Frau Gottschalk, Frau Ruhland, als Ihr Haus vor 125 Jahren eröffnete, wurden die dahinterstehenden Künstler wie Fürsten verehrt – und fühlten sich auch so. Sie feierten sich und ihre großartigen Feste in einem Palast. Wird man da nicht fast ein bisschen eifersüchtig: Wo ist nur dieses große Selbstbewusstsein der Kunst und der Künstler hingekommen?
Gottschalk: Eifersucht wäre für uns kein Motor – es geht eher um den Ansporn. Nach allem, was ich über die Zeit damals gelesen habe, war es ein großes Zusammenkommen und Zusammenfeiern der Vereine und Künstlergenossenschaften. Es war ein fröhlicher Austausch von Kunst, Technik und Wissenschaft. Der Plan zum Bau dieses Hauses wurde ja seit 1850 lang diskutiert – bis man endlich diese Stelle fand, wo man ein wenig zurückgesetzt, in der Nähe des schönen Gartens dieses kleine Schloss errichtete. Ich trauere nichts nach, sondern lasse mich lieber inspirieren: Die Künstler damals haben so tolle Feste inszeniert und sich verkleidet: Also verkleiden wir uns doch auch und feiern!
Klingt gut. Ihr Gauklerball zuletzt war auch ein rauschendes Fest.
Gottschalk: Es geht nicht ums reine Nachahmen, mehr um ein Nachstreben und ums Weiterleben-Lassen – selbst wenn man auch gar nicht so genau weiß, ob diese Zeit wirklich immer so toll war. Wir wollen ein spannendes Programm gestalten und dieses Haus erhalten. Es geht darum, das Künstlerhaus voranzubringen. Mich beflügeln Begeisterung und Zuspruch. Wir werden immer wieder gefragt, wie wir all das machen – ein Auskommen ohne öffentliche Hand?
Wenn heutzutage die Rede von Kultur ist, fällt natürlich schnell mal die Begriffe Sparzwänge. Die Zeiten der Opulenz sind oft fast nur noch ein Gruß aus der Vergangenheit in einer Stadt, die sich zunehmend schwertut mit neuen Konzertsälen oder sonstigen Kultureinrichtungen.
Gottschalk: Die Zeiten sind nicht leicht, aber wir lassen uns nicht anstecken von Düsterem. Unser Wunsch ist groß, dass dieses Haus allen Münchnern weiter bekannt wird und dass es ein sehr gutes Ansehen hat. Von illuster bis heimlich, von nicht-heimlich bis begehrenswert! Diese Wundertüte ist für alle offen.
Ruhland: Wir halten dieses Jubiläumsjahr für so einen super Aufhänger, noch stärker in der Stadt Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Schon der Gauklerball als Start in unsere Zeitreise wurde unglaublich gut angenommen. So geht es nun Schlag auf Schlag weiter. Die Leute haben es genossen, mit uns noch einmal in die Vergangenheit zu reisen und das Künstlerhaus, das aus dem Jahr 1900 stammt, noch einmal ganz anders zu erleben – in all der Pracht der Architektur, mit allen Kostbarkeiten des Hauses, mit den schönen Gemälden.
Bei den Programmen, die ja zum Glück nicht nur im Jubiläumsjahr, sondern schon länger laufen, hat man tatsächlich manchmal das Gefühl: Hier wird ein Gemeinschaftsgedanke und ein Salon der Künste im weitesten Sinne gepflegt.
Gottschalk: Es geht um das Intime und Private der Veranstaltungen, aber gleichzeitig auch darum, sich in alle Richtungen und zu allen Künsten hinzuöffnen. Viele Dinge sind hier einfach möglich: Man kann im Künstlerhaus viele Gedanken spielen lassen und von der Fantasie viel in die Realität umsetzen. Bei uns erlebt man eben Tobias Moretti nicht nur als Schauspieler, sondern als Musiker und Komponist. Und wir bringen in der langen Nacht der Musik Dragqueens und Dragkings mit Künstlern und Musikern zusammen.
Ruhland: Wir veranstalten Programme, die man woanders wahrscheinlich selten erlebt. Wir versuchen, die intime Atmosphäre mit allen Mitteln heraufzubeschwören. Es geht mir stark darum, dass man unsere Gäste, Künstler wie demnächst Dominic Raacke oder die Pianistin Sophie Pacini, so nahbar und so privat wie möglich mal erleben kann.
Wie gestaltet man so eine Atmosphäre?
Ruhland: Es ist ein Zauber. Dabei haben wir den großen Vorteil, dass unsere Räume nicht so groß sind. In der Isarphilharmonie ist der Mensch auf der Bühne doch so klein. Bei uns ist man ganz nah an den Künstlern dran. Und wir stellen für sie ein paar Kerzen auf oder hängen auch mal extra neue Kunstwerke auf. Wir dimmen alles im gemütlichen Licht. Und wir sagen immer: Machen Sie die Handys aus!
Ehrensache.
Ruhland: Aber das nicht nur, weil das Klingeln stört. Ich sage immer zu den Leuten: Lassen Sie es ganz in der Tasche. Erleben den Abend im Hier und Jetzt! Dadurch entsteht eine besondere Atmosphäre – diese Formate verzaubern unser Künstlerhaus.
Wie schwer ist es denn, Künstler für solche fast schon privaten öffentlichen Abende zu gewinnen?
Ruhland: Tobias Moretti kommt sehr gerne zu uns, genau deswegen. Andere müssen wir ein wenig überreden. Es gibt bei dem einen oder anderen, der uns sehr interessiert, anfänglich vielleicht auch mal trotz musischen Hintergrunds ein wenig Berührungsängste, sich etwa in der „Kraft der Musik“-Reihe zu präsentieren. Ein bisschen so wie bei „Inas Nacht“, wo alle singen müssen. Bei uns müssen viele Gäste musizieren. Es sind ja nicht nur Musiker, die zu uns kommen, wie man etwa an Constantin Schreiber sieht, der am 1. April zu uns kommt.
Bei der Schauspielausbildung war ja lange vorgesehen, dass man auch singen, tanzen, sogar fechten lernen muss. Aber dass ein „Tagesschau“-Sprecher offenbar auch ein toller Pianist ist: Hätte man nicht unbedingt geahnt.
Gottschalk: Wir kannten ihn natürlich aus dem Fernsehen.
Ruhland: In einem Interview war dann aber mal zu lesen, wie Musik-affin er ist, wie viel ihm die Welt der Kunst bedeutet und dass er hervorragend Klavier spielt. Und dann kam uns die Idee: Den fragen wir an. Es war überraschend für uns, wie schnell er uns zugesagt hatte.
KASTEN
Bewahrerinnen eines Schmuckstücks: BIRGIT GOTTSCHALK spielte schon als Kind im Künstlerhaus und kennt jeden Winkel von der Kegelbahn im Keller bis zu den Prunk-Sälen. Zusammen mit der ausgebildeten Sängerin JENNIFER RUHLAND führt sie das Haus. Ihr gemeinsames Ziel: Mehr Münchner*innen für eine der schönsten Adressen der Stadt begeistern! www.kuenstlerhaus-muc.de