Ortsgespräch: Nicholas Ofczarek

Ortsgespräch: Nicholas Ofczarek

Mit NICHOLAS OFCZAREK kann man sich wieder in die Magie der Sprache verlieben. Und in seinen Humor sowieso.

Herr Ofczarek, Sie kommen Ende Januar mit „Holzfällen“ ins Münchner Künstlerhaus. Bevor wir uns in Details verlieren: Was erwartet das Publikum? Ist es eine Lesung, ein Konzert oder etwas dazwischen?

Es ist ein Theaterabend, eindeutig. Wir nennen es eine Roman-Musicalisierung.

Spannend, wie muss man sich das vorstellen?

Es geht weit über eine reine Lesung hinaus. Wir stehen da zu elft auf der Bühne – zehn Musiker und ein Sprecher. Man könnte auch sagen: ein Konzert für elf Stimmen. Ein Hybrid also, aber für mich immer ein Theaterabend.

Spätestens seit der atemberaubenden Sky-Serie „Der Pass“, zuvor schon mit „Braunschlag“ und zuletzt durch Ihre Rolle als Friedhofsleiter in „Drunter und drüber“, hat sich Ihre Fangemeinde noch einmal enorm erhöht. Die Nachfrage nach Ihren München-Auftritten scheint recht groß zu sein…

Ja, wir spielen inzwischen sogar viermal. Die ersten drei Vorstellungen waren sehr schnell ausverkauft. Jetzt ist am Sonntag noch eine zusätzliche dazugekommen.

Woran liegt das, glauben Sie? „Holzfällen“ ist als Roman ja schon 1984 erschienen. Und Thomas Bernhards Text gilt nicht gerade als leicht zugänglich.

Der Text hat Musikalität. Und wir machen das gemeinsam. Sprache ist Musik, zumindest Rhythmus. Natürlich sind die Wiederholungen eine Aufgabe – aber wir kriegen das gut hin. Und es macht Freude, sich als Stimme in diesen musikalischen Kollegenkreis einzureihen.

Wie später sonst nur das „Heldenplatz“-Stück von Bernhard, hatte „Holzfällen“ seinerzeit für große Aufregung gesorgt. Manche fühlten sich angegriffen – sogar am Burgtheater. Spürt man das heute noch?

Nicholas Ofczarek (c) Tommy Hetzel

Überhaupt nicht. Ich habe Humor. Die Seh- und Hörgewohnheiten haben sich in den vergangenen 40 Jahren stark verändert. Der Skandal von damals war ja auch gewollt – die Verkaufszahlen gingen wegen der Empörung massiv nach oben. Einige Leute haben sich wiedererkannt. Vor allem ein Herr Lampersberg (der österreichische Komponist Gerhard Lampersberg, ein früherer Freund von Thomas Bernhard, Anm. der Redaktion), im Roman Auerberg genannt. Der hat das Buch damals vier Wochen lang quasi „sterben lassen“. In dieser Zeit wurde es unter dem Ladentisch verkauft, danach war es ein Bestseller. Heute muss man über vieles lachen, was damals hochgekocht wurde.

Trotzdem: Die Handlung spielt nach einer Trauerfeier. Wie ernst oder getragen wird es bei Ihnen?

Es ist ein sogenanntes künstlerisches Abendessen, das nach einer Trauerfeier stattfindet – kein Leichenschmaus im üblichen Sinne. Der Rhythmus wechselt, es ist sehr vielfältig. Franui, die Osttiroler Truppe, mit der ich auftrete, spielt seit 30 Jahren zusammen und kommt ursprünglich vom Trauermarsch.

Ach so?

Ja, auch was die Instrumentierung betrifft. Wir haben Tuba, zwei Trompeten, Klarinette, Saxophon, Bassgeige, Ziehharmonika, Harfe, Hackbrett. Eine besondere Orchestrierung, die der Atmosphäre sehr entspricht.

Eine ungewöhnliche Besetzung – Tuba und Harfe sieht man nicht jeden Tag auf einer Bühne.

Stimmt. Aber es hat einen großen Reiz. Die Musiker sind ausgezeichnet, und sie kennen sich seit Jahrzehnten. Da fügt man sich gern ein.

Sie sind in München sehr beliebt. Viele hier haben eine Art Fernliebe, eine fast zärtliche Verehrung für das „Wienerische“. Wie erklären Sie sich diese Faszination – auch das Liebäugeln mit dem angeblich so Morbiden?

Keine Ahnung! Warum lieben die Münchner die Wiener? Vielleicht, weil ihr in Bayern immer schon österreichisches Fernsehen hattet? Oder weil Wien die westliche Hauptstadt eines großen östlichen Reiches war? Vielleicht ist es der östliche Einschlag, ein anderer Blick auf Tod und Sterben. Ich weiß es nicht. Aber es kommt gut an.

Und man muss nichts über die Wiener Kulturszene wissen, um etwas von „Holzfällen“ zu haben?

Gar nichts. Man muss nie etwas wissen. Große Werke sind menschimmanent, allgemeingültig. Man erkennt sich, wenn man will – ob gestern oder heute.

Vorbildung?

Man muss auch nicht kulturaffin sein. Bei guten Stücken ist kein Vorwissen nötig.

Hilft auch Ihre TV-Popularität? Serien wie „Der Pass“ haben Sie einem noch breiteren Publikum bekannt gemacht.

Wenn Sie mir das sagen, nehme ich das an. Ich wohne ja in Wien, ich bekomme das nicht so unmittelbar mit. Aber der ganze Abend – Bernhard, Franui, Ofczarek – scheint zu funktionieren. Wir haben das in Wien 33 Mal gespielt, in Deutschland 12 oder 13 Mal – überall ausverkauft. Warum? Keine Ahnung. Aber es freut mich.

Nicholas Ofczarek & Franui (c) Tommy Hetzel

Setzt Sie so ein Erfolg auch unter Druck?

Nein, es macht vor allem Spaß. Dieses Crossover, das Konzertante, diese neue Form – das reizt mich sehr. Unsere Aufmerksamkeitsspanne wird immer kleiner, wir lesen weniger. Das spürt man. Umso schöner ist es, Sprache in dieser Intensität zu pflegen. Es macht mich als Bühnenschauspieler besser.

Und gleichzeitig ist eine Lesung eine sehr „nackte“ Form. Ohne Kostüm, Maske, Lichtzauber – wie fühlt sich das an?

Ich bin genauso nervös wie sonst. Aber ich bin umgeben von Musik. Die Franui-Leute sitzen um mich herum. Ich fühle mich nicht ausgesetzt. Schauspiel ist immer ein Persönlichkeitsberuf. Und ich halte es da wie Max Reinhardt: Es geht um Enthüllung, nicht Verstellung. Musik und Wort tragen mich.

Im Roman sitzt der Erzähler in einem Ohrensessel. Wird es auf der Bühne auch so einen geben – keine Angst, dass das für Sie zu gemütlich werden könnte?

Nein, wir haben daran gedacht, aber ein Ohrensessel hat keinen Halt, keine Stütze. Er wäre zu bequem. Der Ohrensessel entsteht vor Ihrem inneren Auge.

Nach den Vorstellungen – kommt man noch ins Gespräch mit Ihnen?

Manchmal kommen Leute nach hinten, das passiert. Aber eine offizielle Begegnung im Foyer gibt es nicht. Die Vorstellung selbst ist ja schon Begegnung genug.

Wiener Wundermann: NICHOLAS OFCZAREK, in der österreichischen Hauptstadt geboren, aufgewachsen in der Schweiz und Österreich, absolvierte seine Ausbildung am Konservatorium der Stadt Wien und ist seit 30 Jahren Mitglied des Burgtheaters. Von 2010 bis 2012 war Ofczarek, vielfach ausgezeichnet, unter anderem Träger des Gertrud-Eysoldt-Rings, der fünfzehnte Jedermann der Salzburger Festspiele. Zuletzt spielte er an der „Burg“ den Superschurken „Richard III“. Mit „Holzfällen“ gastierte er am 23./24. und 25.1. im Künstlerhaus. www.kuenstlerhaus-muc.de